Dr. Wolfgang Näser: UE "Landes- und Kulturkunde des Deutschen" (für Ausländer)
WS 2002/2003 * Do 16-18, HG 207

Die heilige Elisabeth

Als Tochter des Königs Andras II. von Ungarn (1176-1235, aus dem Geschlecht der Arpaden) und seiner Gemahlin Gertrud von Andechs-Meranien (1185-1213) erblickt Elisabeth am 7. Juli 1207 auf der Burg Sárospatak (?) das Licht der Welt. Erst 4jährig, kommt sie an den Hof des Landgrafen Hermann von Thüringen (1155-1217), wird aus dynastischen Interessen im selben Jahr mit dessen Sohn Ludwig verlobt und auf der Wartburg erzogen, wo sie in einer weltlich gesinnten Umgebung von Anfang an eine streng kirchliche, fast asketische Frömmigkeit an den Tag legt und, wie es in Meyers Konversationslexikon Bd. 5 (Leipzig und Wien 1890) S. 561 heißt, "alle geistlichen Übungen mit größtem Eifer ausführte". Als Vorbild dient ihr dabei die Schwester ihrer Mutter, die 1174 in Andechs geborene Heilige Hedwig, Herzogin von Schlesien (+ 1243). 1221 wird sie mit dem nun 20jährigen Ludwig IV. (seit 1216 Landgraf) vermählt. Die Ehe soll sehr glücklich gewesen sein. Es wird von zärtlicher Gattenliebe berichtet, und der junge Landgraf soll seiner stark durch das Ideal der Armutsbewegung des heiligen Franziskus von Assisi (1181-1226) und seines Ordens beeinflußten Frau durchaus die Freiheit gelassen haben, ihre Buß-Übungen und Werke der Barmherzigkeit zu verrichten; allerdings ließ sich die junge Frau nachts zum Gebet wecken, in der Fastenzeit von ihren Dienerinnen (den Frauen, wie es in Liszts Oratorium heißt) geißeln und verbrauchte die Vorräte der Burg für Arme und Kranke. Aus unstillbarem Drang nach Selbstentäußerung, Mildtätigkeit und freiwilliger Armut heraus und bestärkt durch ihren von Papst Gregor IV. empfohlenen Beichtvater, den berüchtigten Inquisitor und Ketzer-Richter Konrad von Marburg und die Eisenacher Franziskaner, entfremdet sie sich vom höfischen Leben  In dieser Zeit spielt auch das bis heute überlieferte sog. Rosenwunder*) (re.: Tafelbild a.d. Steiermark um 1525), das - in der Vertonung Franz Liszts - am 9. Januar 2003 im Zentrum unserer Übung steht.

Als 1227 der junge Landgraf auf einem Kreuzzug in Otranto gefallen ist, sucht Elisabeth in bitterstem Schmerz vollends Trost in der Kirche und verstärkt ihre geistlichen Aktivitäten, was letztlich dazu führt, daß sie von ihrem Schwager, dem Landgrafen (und späteren Gegenkönig) Heinrich Raspe (1204-1247), mitsamt ihren Kindern (Hermann, Sophie und Gertrud) von der Wartburg vertrieben wird und gezwungen ist, bei ihrem Oheim, dem Bischof Eckbert von Bamberg, Zuflucht zu suchen. Auf Bitten Eckberts und der Ritter des verstorbenen Landgrafen gewährt dessen Bruder ihr wieder Zutritt zur Wartburg und weist ihr Marburg an der Lahn als Witwensitz an; dazu soll sie jährlich 500 Mark Silber an jährlichen Einkünften erhalten. Als ihr vom Papst bestellter »Defensor« kümmert sich Magister Konrad von Marburg (ermordet 1233) um Elisabeths Rechte gegenüber ihren Schwägern und als "Zuchtmeister" um ihr geistig-asketisches Leben. Er beherrscht sie nun völlig, geißelt sie; Elisabeth wohnt in einem kleinen Haus am Fuße des Schloßbergs, legt das Nonnengewand an und entläßt ihre Dienerinnen. Ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit leistet sie Kranken und Behinderten Beistand. Die Normen des Evangeliums und das Vorbild der Jünger Jesu werden zur alleinigen Richtschnur. Als "Schwester in der Welt" gelobt sie Ehelosigkeit, entsagt ihrem Besitz und verbraucht alle Einkünfte für die Pflege der Armen und Kranken, wofür sie (ebenfalls unter Konrads Regie) in Marburg ein Hospital stiftet.

Von jahrelangen Entbehrungen und der Krankenpflege ausgezehrt, stirbt Elisabeth am 19. November 1231. Wie schon zu ihren Lebzeiten die Legende von Wundern berichtete (s.o.), so sollen nach dem Tode ihre Gebeine wunderbare Heilungen erwirkt haben, weswegen sie Papst Gregor schon am 1. Juni 1235 heilig spricht. Über ihrem Marburger Grab legt Landgraf Konrad von Thüringen ein Jahr später den Grundstein zu einem in den schönsten und reinsten Formen der Frühgotik erbauten Dom, der späteren Elisabethkirche, die das Standbild der Heiligen enthält. Durch ihre Tochter Sophie von Brabant wird Elisabeth zur Stamm-Mutter des hessischen Fürstenhauses.

Das Leben der Heiligen ist in vielen wissenschaftlichen und anderen Werken dargestellt worden, so in Montalemberts "Vie de Ste-Élisabeth de Hongrie, duchesse de Thuringe, 17. Aufl. Paris 1880 oder Sybels hist. Festschrift von 1861; zuletzt von N. Ohler (E. von Thüringen, Fürstin im Dienst der Niedrigsten, 2. Aufl. 1992), auch dient es zur Vorlage von Theaterstücken. Als überarbeiteter und erweiterter Nachdruck der 1964 erschienenen Ausgabe der Reihe Landeskundliche Bildbände Hessen erschien im Marburger Hitzeroth-Verlag das mit einem Vorwort von E. Dettmering und F. Dickmann versehene Werk Hermann Bauers "St. Elisabeth und die Elisabethkirche zu Marburg" (ISBN 3-89616-031-1). Das Rosenwunder behandelt Gottfried Müllers in seinem Buch von 1967 (Ev. Verlagsanstalt Berlin, 124 S.)

Wie das obige Bild eines Kölner Meisters (Elisabeth pflegt Kranke, Ende 14. Jhd.) zeigt, wurde Elisabeths Mildtätigkeit vielfach thematisiert in der Bildenden Kunst. Umgeben von Kranken und Armen, wird sie im Witwenschleier gezeigt, Kanne und Brote sind ihre Attribute (=> Statue im Straßburger Münster, um 1350), auch das Modell ihrer Kirche (Relief im Magdeburger Dom, um 1360), ebenso eine symbolische Krone (Statue von F.M. Brokoff, Karlsbrücke Prag, 1707). Elisabeths Legende erscheint schon im 13. Jhd. auf Glasfensternn und ihrem Reliquienschrein (1235-1249, Elisabethkirche MR) sowie - romantisiert - auf den Wartburg-Fresken des Moritz von Schwindt (1854-1855). Siegfried Heinrich unternahm in den Jahren 1974, 1982 (=> Jubilate-Schallplatte) und 1992 denkwürdige Aufführungen des von Franz Liszt (1811-1886) i. J. 1862 komponierten Oratoriums "Die Legende von der heiligen Elisabeth" und wird auch im Rahmen des Elisabeth-Jahres dieses Werk im Juni 2007 erklingen lassen.

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*) Angeblich soll Elisabeth von Aragón ("von Portugal", 1271-1336) die "älteren Rechte" für dieses Wunder und eine "gewollte Verwechslung" die längst heiliggesprochene Landgräfin um dieses Wunder bereichert haben (http://www.wartburg-eisenach.de/deutsch/rundgang/egaleri2.htm).

Ergänzungen vorbehalten * Zusammenstellung: (c) Dr. W. Näser, MR, 9.1.2003 * Stand: 10.4.2007