Das Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten (1936-1937) als Forschungsinstrument

Zu den Aufnahmeorten: 057 Walkertshofen (hier: Original-Gesamtaufnahme als *.mp3, 24 kbps / 22 kHz)

Nach mir zugesandten Unterlagen fand hier am 2. November 1936 eine "Schallplattenaufnahme durch die Deutsche Telefon-Gesellschaft Berlin" statt. Mitwirkende: Johann Geiger, Schreinergehilfe; Joseph Joas, Landwirtssohn; Martin Pfender, Bauerssohn. Aufnahmeleiter war Prof. Dr. Bernhard Martin (Marburg), assistiert von Studienrat Dr. Moser (Augsburg), dessen Mutter aus Konradshofen stammte. Es waren allerhand Schwierigkeiten zu überwinden: die Aufnahmedauer mußte von 7 auf 10 und dann auf 4 Minuten korrigiert werden, dann versagte die Stromversorgung; danach ging es, wie weiter berichtet wird, "glücklich vor sich". Joseph Joas schrieb zur Aufnahme ein Gedicht (s. unten) und erhielt für die Beteiligten eine Schallplatte.

Die Schallplatten-Aufnahme * von Joseph JOAS, Walkertshofen
Dau kommt a maul ganz uverhofft
zu mir dr Schullehr nei.
Der bringt zwoi noble Herra mit,
von Baura gar koi Schei.
8 I hau nau gwartet maunatweis,
es haut se nix mea grührt
und dau hau i halt nau denkt:
Dia hand mi schöa ausgschmiert.
15 Es ischt au gar it eifach gwöst,
s haut gea a Mordsmalär,
dia Sichrunga, so nauch a nand
hand gmacht a groasses Gschear.
Dr Schullehr, dös verstand i glei,
rödts mit Professor an.
dr erscht, wois Gott wau her,
von Marburg an dr Lahn.
Doch endle kommt die Sach en Schwung,
dr Schullehr krieagt en Brieaf,
er soll dös Zuig diktiera gschnell,
soscht gings am End no schieaf.
Dös hättat se abr wissa könna,
dass dös ka a so gau.
Wers Pech it guat vertrage ka,
soll it zum Schuaster gau.
Dr Zwoit, der ischt it mendr gwöst,
dös haut ma ja glei gseah,
es ka au gar it anderscht sei,
der stammt von Koaradshofa hea.
Er fangt nau drauf glei s Schreiba a
mit Feadr und Maschi,
was a so dischkrierar deand
drei Baura her und hi.
Endle haut dia Sach nau klappt,
dr Schullehr wär soscht no drvo,
mir sitzat en dr Stuba dren,
vor uns staut s Mikropho.
Und wöll ma anand vorgstellt haut,
vom Fuass bis zu de Händ,
dau ruckat se so langsam raus,
und sagat, was se wend.
Mir fangat nau glei s Proba a
recht keck und ereschthaft,
und kaum sind ötle Wucha rum,
so hand s mir au scho gschafft.
Und em Auto duss em Hof
haut a Naudl krötzt
en a Blatta, Woat für Woat,
wia mir drei hand so gschwätzt.
Sie seuat egschtra von Berlin
zu uns en d Schtauda komma,
es weat dau zum a bschtimmta Zweck
dr Dialekt aufgnomma.
Und dia Herra von Berlin
sind gar bald drauf komma
und hand die Sach nau nett und fei
auf Schallplatta aufgnomma.
Ma haut dia Sach gleu zwoimaul gmacht,
dass gwiss it fehla ka
und i glaub, zu so öbbes
kommat mir drei numma dra.
Ma braucht drzua drei echte Schwauba,
dia wau nix hand von duss,
dia müassat halta mitanand
en schwäbischa Dischguss.
Und a Auto hand se ghött,
wieas soscht it geut privat,
voll Uhra, Höbl, Leitunga
und lauter feine Apparat.
Dia Blatta hand die Zwea mitgnomma,
dia weard z Berli jatz guat aufghöbt,
dass ma en hundrt Jauhr no heara ka,
wia mir drei Schtäudlr hand jatz gschwätzt.
I hau dia Sach nau bald kapiert,
was sie dund verlanga
und so sind nau alle drei
mitanand mea ganga.
Drum hand se schier it fahra kenna
of unsre schlechte Weag
und d Leut hand guckat, wiea a Ox
in dr Apotheag.
Dau wearat unsre Enkl losa
und drüber heina oder lacha.
I denk mir abr: Dös ischt gleich;
wenns gaut, sollat sie s na bösser macha!

Unter dem Titel "Sieben Schwaben auf der Platte - Unser Gau im Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers" wurde in der lokalen Zeitung berichtet (Anm.: große Teile des 1. Absatzes entsprechen in genauem Wortlaut dem Text der Widmung = Aufn 278; identische Verfasserschaft [B. Martin ?] ist anzunehmen):

Die deutsche Beamtenschaft hat dem Führer und Reichskanzler zu seinem diesjährigen Geburtstag ein besonders wertvolles und in seiner Art einzig dastehendes Geburtstagsgeschenk gemacht. Aus der Erkenntnis der engen Verbundenheit des Beamtentums mit dem in Volkstum und Mundart sich widerspiegelnden Gemeinschaftsleben des deutschen Volkes ist das "Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers" entstanden, eine Sammlung von 300 Schallplatten, auf denen Volksgenossen aller Stände und Berufe, Menschen aller deutschen Stämme und Gaue ihr in dem Geschehen unserer Zeit wurzelndes Fühlen und Denken in der Sprache ihrer Landschaft zum Ausdruck bringen. Das Lautdenkmal kündet von deutschem Wesen, deutschem Leben und Brauchtum, deutscher Geschichte, Arbeit und Sitte. Ein Jahr lang sind Beauftragte des Reichsbundes der Deutschen Beamten kreuz und quer durch die deutschen Gaue gefahren, um das "Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers" zu schaffen. Volksgenossen aller Altersstufen und der verschiedensten Berufe sprechen darin in ihrer Mundart über wichtige Ereignisse aus ihrem Dasein, über ihr Tagesgeschehen, ihre Heimat, unser Volk und Vaterland, über das neue Deutschland. Keiner der Sprecher hat gewußt, daß seine Stimme für den Führer erklang. Einfach, schlicht und klar sprechen die Volksgenossen auf ihrer Heimatscholle in ihrem Mutterlaut. Das "Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten", das nach wissenschaftlichem Plan in vielmonatiger Arbeit in allen Teilen des Vaterlandes unter Mitwirkung von Gelehrten, von Vertretern der Technik sowie Männern des praktischen Könnens unter Verwendung modernster technischer Errungenschaften geschaffen wurde, wird daher kommenden Jahrhunderten nicht nur ein Bild der zur Zeit Adolf Hitlers in Deutschland gesprochenen Mundarten, sondern auch einen lebendigen Einblick in Wesen und Leben unseres Volkes sowie der politischen Haltung der Menschen unserer Zeit vermitteln. Das Lautdenkmal wird in die kommenden Jahrhunderte hinein zu seinem Teil für den Geschichtsforscher, Politiker, Volkskundler und Soziologen ein hörbares Bekenntnis aller Schichten des deutschen Volkes zu der Gefühls- und Gedankenwelt des Nationalsozialismus als der Kraft sein, die die deutsche Seele erweckt hat und stets verjüngt. Die späteren Generationen werden es als ein Glück empfinden, Menschen unserer großen Zeit, die den Namen Adolf Hitlers trägt, in lebendigen Worten reden zu hören.

Das Lautdenkmal ist die erste planmäßige, über ganz Deutschland sich erstreckende Mundartenaufnahme auf Schallplatten. Von den 60.000 Orten Deutschlands wählte man 300 aus, und zwar aus einem größeren Bezirk immer einen solchen, wo die Mundart noch besonders gut erhalten war. Die Aufnahmeorte waren im allgemeinen ungefähr 70 Kilometer voneinander entfernt. Die Beauftragten und der Aufnahmewagen fuhren monatelang durch Deutschland, von Dorf zu Dorf. Man suchte und fand überall den einfachen, den unverbildeten Sprecher. Aus diesen Platten spricht wirklich der Volkscharakter.

Von unserem heimischen Gaugebiet Schwaben liegen sieben Aufnahmen des Lautdenkmals reichsdeutscher Mundarten vor. Nachstehend die Aufstellung dieser sieben Aufnahmen aus dem Gau Schwaben sowie knapp gefaßte Angaben ihres Inhaltes: Bad Oberdorf: "Die Hochalmwirtschaft", Nesselwang: "Wintersport in Nesselwang", Lindenberg bei Buchloe: "Bauern spielen Theater", Aletshausen: "Maibaumsetzen", Walkertshofen b. Schwabmünchen: "Junge Bauernburschen am Abend" (mit Volkslied), Donaualtheim: "Vom Klopfertag zur Volksweihnacht" und Felsenheim: "Die Männertracht im Ries".

Ergänzungen vorbehalten * Zusammenstellung, Abschrift, Edition: (c) Dr. Wolfgang Näser, Marburg, 12.11.2002