3a) Ruhr-Deutsch

Sprache der Bergleute und Industriearbeiter, entstanden im 19. Jahrhundert durch Mischung westfälischer Elemente und der Sprache meist polnischer Zuwanderer. Medial zuletzt verkörpert durch den unvergessenen Humoristen Jürgen von Manger und teilweise auch durch den Anfang 2000 verstorbenen Schauspieler Diether Krebs.

Kennwörter: (ein) Dingen; Blag [bla:x] 'Kind', plur. Blagen; maloochen 'arbeiten'; (mit) Schmackes 'Schwung'
Merksätze:

Amanda, nimm du dat Kind un ich dat Schiërm, et fängt am Regen.
Jau, dat is wichtig.
Junge, Junge, dat is vielleicht ein Dingen.

Einige Merkmale: /p/, /t/ und /k/ teilweise unverschoben (dat, Kopp); /ir/ > /i-er/ (Biërne, Schiërm, Wiërkung); [ç] in /-rch/ wird zu [x] in durch u.a. ([duëx gebirx un ta:l], ë = Schwa); Dehnung von /ar/ > /a:/ (Aabeit) und /èr/ > /é:ë/ (ë = Schwa; wie in Erbe; konventionell nicht transkribierbar), desgleichen /ur/ > /u:ë/ (wie in Schurke, Wurm; s.o.); Kontraktion von in der/in die > inne (inne Aabeit; vgl. im Missingsch); Hebung von /i/ wie im Französ. (Dingen) Verwechslung von Dativ und Akkusativ (Dat is gut für ihr; deswegen sieht man dem so wenig); verbale Konstruktion es fängt an zu + Inf. wird zu et fängt am + Subst. (et fängt am Regen; vgl. er kommt nich am Tanzen 'er kommt nicht zum tanzen').

Probe: Auszug aus "Der Tanzkurs" (Sketch, Text J. v. Manger)

Na ja, jetz inzwischen sind ja die andere Gäste eingetrudelt und geht dat auch schon mit diese feine Tischmanieren los, aber Junge, da .. da is vielleicht wat los! Jetzt krieg ich erst 'emal so eine Tischdame, ne, angewiesen, und zwar, öh, rechts die. Das is meine Tischdame - links, also, die geht mich nix an, nich, da brauch ich auch ei'ntlich gar nich hinzukucken, aber, wie gesagt, die rechte Dame bin ich für zuständig, ne, un' muß ich se erst mal schön den Stuhl unterm - ööh - Dingens, daß die da also da anständig am Sitzen kommt, und dann beim Essen, ne, muß ich kucken, ob so auch immer wat au'm Teller hat, schon mal de Kartoffeln hinschieben, ne, auch vielleicht 'en Witz erzählen, so'n bißchen plaudern, diese ganze Sachen.

Aber: jetz - damit is natürlich noch nich getan, sondern das allerschwierigste is jetzt, ne, man weiß ja nicht, wat die ein' au'm Teller tun, ne? Ja, jetz sagt der Tanzlehrer, ääh, wenn man nich weiß, was da für Manieren zuständig sind, wär gar nich nötig, dat man alles auswendig könnt'; sondern man soll nicht auf den Mund gefallen sein. Zum Beispiel - öh öh - dat schwierigste wären diese Meerestiere, nich, so ... Austern, Hummern, Tintenfische, da gib's sogar extra Bestecke für, un wenn die ein' jetz so ein' Hummer da hinlegen, müßte man also - ööh - vielleicht sagen: "Aaach, dat is aber ein Dingen, nää, unser Omma is da damals so an Fischvergiftung zugrunde", nich, daß man wegen diese Pietät jetz auch mit so ein Tier überhaupt nix mehr zu tun haben will, n' ich meine, dat is Ausrede, ne? 's klar, ne? Un Schweinefleisch, ne, könnt mer sagen: "Jau, wer weiß, vielleicht sind grad' heute wieder diese Trichinen da drin, ne, daß die richtig 'n Betriebsausflug machen", ich meine, soll man 'n bißchen witzig bringen, ne, und, nää, die wär'n ja so gefährlich, diese Biester, und, kann man das auch vermeiden, und, Geflügel, könnt' mer sagen, aach, man hätte ja selber Brieftauben zu Hause, oder 'n Kanarienvogel, ne, sagt man, nää, die kucken einen immer so treu - ööh - un warmherzig an, die Tierchen, nich, daß man das auch jetz gar nich über'm Herzen bringt, nich? Weinbergschnecken - ööh - is mer sowieso fies für, und so könnte man das ausbalancieren, ne, daß zum Schluß nur noch Speisen überbleiben, wo nix passieren kann, nich, keine Gefahr bei is, so ... Spinat un Kartoffelpüree, ne, Rotkohl un Sauerkraut - ja, nu, nää, Sauerkraut, sehnse, is schon wieder - kann sein, dat die da 'ne Mettwurst beilegen, un dann is schon wieder ... ööh, nich wahr, Gefahr, daß das inne Luft spritzt. Kuckense mal, jetz der Otto Flöttmann, nich, die Tage: in die Imbißhalle am Bahnhof, er so mit Schmackes in de Bratwurst rein un dat ganze Fett die Dame neben ihn auf'n Frack gespritzt. Ja: konnt' noch froh sein, dat se 'ne nich zu'n Krüppel geschlagen haben, nich? Hier dat Kleiderbad un - ööh - ganze Rechnung, dat mußt' er bezahlen, dat war klar. Nun - ööh - kann man eventuell, nich, wenn 't gar nich anders geht, sagt man auf einmal "Aaach, da merke ich ja gerade, ich hab' ja noch mein Butterbrot von heut' morgen inne Tasche und, nöö, dat wär' doch nich schön, wenn das verkommt, nich?", un dann bittet man die Gastgeber, ob sie was dagegen hätten, und daß man dann sein eigen Butterbrot ißt, nich, da is ja - kann ja nix passieren, nich, man da nur reinbeißen brauch. Un ich meine, warum soll'n die das nich erlauben, nich, is doch nur in ihren Int'resse, weil sie dann ihre eigene Sachen ja noch einsparen, nich, ha'm se ja auch noch diesen Vorteil von.

Wird ergänzt.
(c) W. Näser, MR 3.2.2000