Die wachsende Jugendkriminalität: Ursachen und Lösungen *)

von Tünde Vogelenzang de Jong (Juni 2000)

Die Jugendkriminalität ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Kinder und Jugendliche geraten immer häufiger als Straftäter ins Visier der Polizei. Auf ihr Konto gehen vor allem Ladendiebstähle, aber auch schwerere Straftaten bis hin zum Mord. Ein Drittel aller polizeilich untersuchten Verbrechen im Kreis Marburg an der Lahn (Hessen) ist von Tätern, die jünger sind als 21 Jahre, verübt worden. In diesem Aufsatz will ich versuchen, eine Anzahl von Lösungen für dieses Problem zu nennen. Aber bevor ich das tue, soll zuerst auf die Ursachen dieser wachsenden Jugendkriminalität eingegangen werden. Es wird zuerst ein Unterschied gemacht zwischen der Kriminalität bei allochthonen [= fremden] Jugendlichen auf der einen Seite und der Kriminalität bei den autochthonen [= einheimischen] Jugendlichen auf der anderen Seite. Danach werden noch ein paar allgemeine Ursachen genannt. Natürlich gibt es viel mehr Ursachen als hier behandelt werden; ich werde nur die wichtigsten nennen.

Zur Jugendkriminalität bei den allochthonen Jugendlichen kann man folgendes sagen: Die Ausländer aus z.B. Marokko, der Türkei oder Pakistan, die in die westeuropäischen Länder ausgewandert sind, integrieren sich nicht. Die Frauen bleiben zu Hause, um für die Kinder zu sorgen, und lernen wenig oder gar kein Deutsch (bzw. Niederländisch). Die Männer haben meist Arbeitsstellen, in denen sie viel mit ihren ehemaligen Landsleuten in Kontakt kommen (z.B. türkische Fleischer, asiatischer Markt usw., aber auch schlecht ausgebildete Berufe). Die Allochthonen bleiben immer in ihrer Gruppe hängen. Ihre Kinder lernen zu Hause fast nur die Sprache der Eltern, was die Integration in die neue Heimat erheblich beeinträchtigt.

Die Ausländer wohnen meist auch im selben Wohnviertel. Das heißt, daß sie auf diese Weise nur mit ihren eigenen Landsleuten Kontakt haben. Außerdem sind die Schulen meist nicht gemischt (ich spreche hier nur von den Niederlanden, da ich nicht weiß, wie das in Deutschland ist). Das heißt, daß wir entweder Schulen haben mit fast nur autochthonen Schülern (die sogenannten "weißen Schulen") oder Schulen mit fast nur allochthonen Schülern (die sog. "schwarzen Schulen"). Folge ist, daß so auch wieder keine Integration stattfindet. Dies führt zur Verfremdung: die autochthonen Kinder sehen die allochthonen als Kinder, mit denen sie nichts zu schaffen haben, und vice versa. Natürlich führt dies zu Unverständnis. All diese Symptome tragen zu der Kriminalität unter den allochthonen Jugendlichen bei. Diese halten zusammen, um sich sozusagen gegen die autochthonen Jugendlichen zu schützen. Sie fühlen sich bedroht und zurückgedrängt.

Eine andere Ursache, die meist mit dieser Isolierung zusammenhängt, ist, daß Ausländer oft arbeitslos sind. Dies kann einerseits damit zu tun haben, daß die allochthonen Jugendlichen keine Arbeitsstelle finden, weil sie diskriminiert werden. Es hat aber auch seinen Grund darin, daß die Allochthonen meist so schlecht ausgebildet sind, daß sie sehr schlechte Arbeitsstellen bekommen, in denen sie auch wieder anderen Landsleuten begegnen. So kommen sie also wieder nicht in Kontakt mit Autochthonen. Nicht nur ihre Ausbildung, sondern auch ihre Sprachkenntnisse sind Ursache dafür. Die meisten Allochthonen werden entlassen, da sie einfach zu unqualifiziert sind.

Durch die immer anhaltende Massenarbeitslosigkeit und die um sich greifende Armut wird der Boden der Kriminalität bereitet. Immer mehr Jugendliche laufen durch die Straßen, lümmeln ein bißchen herum und wissen nicht, was sie mit all dieser Freizeit anfangen sollen. Logische Folge: Kriminalität.

Die autochthone Bevölkerung wird von diesen allochthonen faulenzenden Jugendlichen irritiert und dies bewirkt, daß die Gewalt bei den Rechtsradikalen zunimmt.

Die Autochthonen haben andere Probleme. Ihrer Meinung nach werden die Allochthonen vorgezogen, wenn es darum geht, wer eine Arbeitsstelle bekommt und wer nicht. Auch bei den Autochthonen ist die gesellschaftliche Position Ursache für die zunehmende Gewalt. Die meisten Kriminellen sind schlecht ausgebildet, haben meist auswegslose Berufe und glauben daher, ihr Heil in der Kriminalität zu finden.

Allgemein soll bemerkt werden, daß die Kinder und Jugendlichen von den Medien beeinflußt werden. Einerseits gibt es den Film und das Fernsehen, die die schrecklichsten Gräuel zeigen, wie zum Beispiel fließendes Blut und fliegende Gliedmaßen. Die Kinder werden sozusagen immun gegen die Gewalt und wollen bestimmte Dinge, die sie gesehen haben, nachahmen. Andererseits gibt es Zeitungen, die von den schrecklichsten Sachen berichten. Manche Leute werden dadurch "inspiriert" und glauben, daß das alles normal ist. Dann gibt es noch die Videogames und die Computerspiele, die den Anstoß zum Ausbruch von Gewalttaten geben. Wie man seinen Gegner in den Computerspielen tötet, versucht man jetzt in die Praxis umzusetzen. Die zunehmende Gewalt hat auch damit zu tun, daß es, wenn die Kinder aus der Schule kommen, niemanden gibt, der sich um sie kümmert. Sie sind frei, alles zu tun, was sie wollen. Es gibt keine Führung. Deshalb sind manche Jugendliche völlig zügellos.

Die Gewalttäter sind meist auch Opfer familiärer Gewalt. Sie ahmen dann zum Beispiel ihren Vater nach, der abends, als er nach Hause kam, seine Frau und seine Kinder schlug. Das ist für die Opfer gang und gäbe. Auch Angst vor Gewalt kann zu neuer Gewalt führen. Menschen, die täglich mit Gewalt konfrontiert werden, werden selbst auch eher eine Waffe bei sich tragen, um sich gegen Gewalttäter zu schützen. Folge ist, daß es dadurch mehr Gelegenheit zur Gewalt gibt: man hat ja eine Waffe in Griffweite und weiß, wie man sie benutzen soll.

Kommen wir jetzt zu den Lösungen. Für die Allochthonen gilt folgendes: Integration ist sehr wichtig. Wer sich nicht integriert, schafft für sich selbst eine Außenseiterposition, und das ist natürlich nicht gut; nicht nur wird die einheimische Bevölkerung negativ reagieren, da sie findet, daß jeder, der in ihrem Lande wohnen will, sich anpassen soll. Wer sich nicht integriert, hat auch weniger Chancen für eine gute Stelle und ein erfülltes, reiches Leben.

Integration trägt außerdem bei zu einer besseren Verständigung zwischen Allochthonen und Autochthonen. Daher werden die Rechtsradikalen auch in ihrer Zahl abnehmen. Die Integration kann dadurch bewirkt werden, daß die Allochthonen auf jeden Fall ihre Kinder in der deutschen Sprache erziehen. Die Eltern sollen daher Deutschunterricht bekommen. Die Sprachbarriere wird damit aufgehoben und die Integration gefördert. Weiter sollen die Schulen besser gemischt werden, damit Autochthone und Allochthone miteinander in Kontakt kommen und die Kulturkluft aufgehoben wird.

Für Allochthone wie Autochthone gilt, daß sie besser ausgebildet werden müssen, damit sie bessere Arbeitsstellen finden können. Armut und Arbeitslosigkeit sollen so viel wie möglich beseitigt werden. Vor allem sollte man die meist allochthonen Jugendlichen von der Straße holen. Vor allem die Gruppenbildung ist gefährlich. Allgemein gilt, daß bestimmte Filme und Fernsehprogramme, in denen viel Gewalt vorkommt, möglichst spät ausgestrahlt werden. Auch sollen sie, wenn möglich, von den Eltern verboten werden. So kommen Kinder und Jugendliche weniger mit Gewalt in Kontakt. Der Staat kann auch dazu beitragen, indem über die schädlichen Auswirkungen der Computerspiele informiert wird. Vielleicht werden die Eltern sie dann in den Regalen liegen lassen. Die Lehrer sollten außerdem ihre Schüler über Kriminalität unterrichten.

Auch eine außerschulische Unterbringung wirkt der Kriminalität entgegen. Die Kinder werden dann die ganze Zeit betreut. Dies verhindert, daß sie sich irgendwo in den Straßen herumlümmeln.

Das beste ist also die Prävention. Es hat keinen Sinn, erst dann einzugreifen, wenn es schon zu spät ist.

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*) entstand als schriftliche Arbeit in meiner Übung "Wörter und Wendungen in der aktuellen deutschen Zeitungssprache" (Sommersemester 2000) anläßlich eines thematisch entsprechenden Artikels der "Oberhessischen Presse".

Layout und HTML: W. Näser 19.06.2000