von Wolfgang Näser, DK1KI (7/1996)
Die von lizenzierten Funkamateuren bis Ende der 60er Jahre benutzten, selbstgebauten und röhrenbestückten Kurzwellen-Sender waren noch zumeist amplitudenmoduliert, das heißt: der von der Sender-Endstufe (meist 6146=QE 05/40 oder 807=QE 06/50) erzeugten, über Pi-Filter an die Antenne abgegebenen (ca. 50-80 Watt) Hochfrequenz wurde im (Senderöhren-)Anodenkreis über einen sog. Modulationstransformator eine kräftige Niederfrequenz "aufgedrückt" (aufmoduliert), die von einer röhrenbestückten (2 x EL 34) Gegentakt-B-Endstufe erzeugt wurde und eine Leistung von ca. 50 Watt erreichte. Im Rhythmus dieser Modulation schwankt die HF-Trägerleistung; 100% Modulation bedeutet, daß die Hochfrequenz in den Minima der Modulations-Hüllkurve exakt auf Null geht. Wird übermoduliert, so schneiden die negativen Hüllkurventeile diese Null-Linie, der Träger reißt kurzzeitig ab, es entstehen unerwünschte Verzerrungen, die Übertragungsbandbreite steigt an und es entstehen Störungen im Nachbarkanal.
Andererseits erkannte man hinsichtlich des kommerziellen Kurzwellenfunks schon in den 30er Jahren, daß Frauenstimmen einen AM-Sender bis 130 oder gar 150% übermodulieren können, ohne daß die gefürchteten Aussetzer und Verzerrungen auftreten. Dieses technisch unerklärbare Phänomen mach(t)en sich schnell die auf Mittel- und Langwelle arbeitenden Regierungs- und Propagandasender zunutze (z.B. Radio Moskau, Radio Freies Europa, Deutschlandfunk usw.).
Je nach der Druckstärke und Dauer ihrer Laute schwankt die menschliche Sprache beträchtlich in ihrer Lautstärke. Das bedeutet, daß selbst bei hohen Signal-Maxima möglicherweise einige Teile komplizierter Botschaften nicht verstanden werden, besonders wenn es sich um fremde Sprachen handelt, deren Rezeption nicht durch mentale Fehlerkorrektur unterstützt wird. Die sprachbezogene Audiotechnik erkannte schon bald, daß durch Anheben der leiseren Anteile innerhalb der Amplitudenstatistik die Verständlichkeit (readability) erstaunlich ansteigt, selbst wenn das Audio-Signal nur ganz knapp über dem Rauschen liegt. Hierzu entwickelte man (auch und gerade für den Einsatz in großen Nachrichtensendern) den sog. Dynamikkompressor, der je nach (einstellbarer) Ansprechschwelle (limiter threshold), Einsatzschnelle (attack time) und Halte-bzw. Abfallzeit (release time) mittels eines bestimmten Regelkreises die Minima anhebt, während die Maxima gleich bleiben. "Brutaler" als der Dynamik-Kompressor arbeitet der Clipper: er reagiert schnell, beschneidet die Maxima jedoch derart, daß sinusförmige Signalkomponenten möglicherweise zu Rechtecken "mutieren" (flat topping) und starke Klirr-Anteile erzeugt werden. Eine Sonderlösung besteht darin, aus einem schmalbandigen NF-Signal innerhalb eines Prozessors ein Einseitenband-HF-Signal zu erzeugen, dessen Hüllkurve zu clippen und die Nutz-NF durch Gleichrichtung rückzugewinnen. Solche in erster Linie auf Sprachverständlichkeit gerichteten Prozessoren eignen sich jedoch nicht für den (musikorientierten) HiFi- oder gar High-End-Bereich, wo Klirrfaktoren weit unter 1% angestrebt werden (und die für archivalische und analytische Zwecke nötige Tonqualität phonetischer Tondokumente angesiedelt ist). Einen guten Kompromiß bietet der sog. Limiter (Signalbegrenzer), er reagiert schnell (fast attack) und begrenzt auch breitbandige Signale verzerrungsfrei (soft clipping). Richtig dimensioniert und eingestellt, tun solche Limiter hervorragende Dienste in semiprofessionellen, konzertaufnahme-tauglichen Reportage-Tonbandgeräten wie dem SONY-Cassettenrecorder TCD-5M (der nicht nur von Rundfunk- und Fernsehanstalten, sondern auch für wissenschaftliche Tonaufnahmen verwendet wird) und finden sich neuerdings sogar in portablen Digitalrecordern (DAT, DCC, MD).
Um mit HF-Trägerleistungen von nur 50 bis 100 Watt weltweiten Telefonie-Verkehr abwickeln zu können, erstrebten die Funkamateure eine bestmögliche Sprachverständlichkeit. Hierzu galt es, 1. die Verzerrungen zu minimieren, 2. die für Sprachübertragung unwichtigen tiefen und hohen Frequenzbereiche (50...300 Hz, 4 kHz und höher) wegzuschneiden und innerhalb des Amplitudenverlaufs die kleinen und mittleren Lautstärkeanteile maximal anzuheben. Das schaffte man auch mit bescheidenen Mitteln durch 1. Optimierung der Arbeitspunkte, 2. zweckdienliche Bemessung der frequenzbestimmenden Bauteile, 3. Einsatz von Dynamik-Kompressoren oder Niederfrequenz-Clippern.
Nachwort vom Mai 2001
Fünf Jahre nach Beginn meiner Homepage und der Konzeption dieses Artikels
hat die PC-Technik bedeutende Entwicklungen erlebt, die auch und gerade die
hardwarebedingten Probleme und Lösungsstrategien zur
Modulationsoptimierung betreffen. Ohne Sprachprozessoren (DSPs)
sind heutige KW-Transceiver undenkbar, die allerneuesten Sound-Editoren und
Filterprogramme schaffen auf der Software-Ebene das, wozu noch vor rund zwanzig
Jahren aufwendige, raumfüllende Geräte in Gestell-Bauweise (rack
mount) nötig waren. Denkbar ist ein vorwiegend durch
Programmierung, durch Softwarealgorithmen arbeitender
Empfänger mit Selektions- und Toneigenschaften, die damals nur sog.
Communications Receiver für fünfstellige Summen realisieren
konnten, und auch ein Sender wäre (mit Ausnahme der Treiber-
und Endstufe sowie Leistungs-Auskopplung) auf diese Weise realisierbar. Grund
für diesen Fortschritt ist in erster Linie die in zwanzig Jahren
PC-Entwicklung seit 1981 unglaubliche Steigerung von
Prozessor-Geschwindigkeit, Speichervolumen und
Daten-Durchsatz aufgrund optimierter Hardware-Architektur.
Das bedeutet, daß jetzt in Echtzeit alles das emuliert
werden kann, wozu in der mechanischen Ära hochkomplizierte
Verdrahtungs- bzw. Platinenkonzepte und eine Vielzahl (meist
störanfälliger) mechanischer Bauelemente nötig waren.
Die sich stetig komplizierende Technik der hoch- und höchstintegrierenden
Schaltungen, die ihren Befehls-Satz entweder in sich trugen oder von außen
gesteuert wurden, bereitete die Bahn. Der ZF- oder Audio-IC der achtziger
Jahre könnte heute jedoch fast ausschließlich durch reine
Programmier-Algorithmen ersetzt werden; die kritischen und entscheidenden
Funktionen bzw. Prozesse würden von der Software geleistet. Das
bedeutet, daß im Idealfalle prozeduraler und performativer Verbesserungen
nichts mehr auszuschlachten oder wegzuwerfen, sondern in höchst
umweltfreundlicher Weise nur die Software "umzubauen" wäre, sobald (in
einem ökonomisch vertretbaren Zeitraum) die Hardware hinsichtlich der
Basis-Parameter (Daten-Durchsatz, Ausfallsicherheit usw.) wesentlicher
Änderungen nicht mehr bedürfte.
Programme wie Cool Edit Pro haben bewiesen, daß schon heute ganze Räume voller Hardware überflüssig werden durch die enormen Fähigkeiten eines mit prozedural optimierten Programmen und tektonisch optimierter Hardware vollgestopften stationären Desktop-PCs oder gar Notebooks. Gerade hinsichtlich der Hüllkurven-Manipulation durch Dynamik-Kompression oder Clipping und der Störunterdrückung und -beseitigung mittels Rauschminderung, Noise Gates etc. hat, wie die praktische Editionsarbeit (Post-Production) bewies, der PC seine mechanischen Vorfahren inzwischen weit hinter sich gelassen. Wir dürfen gespannt sein, was uns die Zukunft beschert, um auditive Signalverarbeitung und Dokumentation noch effizienter, ökonomischer und angenehmer zu gestalten.
Wird ergänzt. (c) Dr. W. Näser, Marburg * Stand: 25.2.2002