Naturwissenschaft und Transzendenz (HS 7 Hörsaalgeb., 14.5.2010)

Meine Damen und Herren: bevor Sie das wunderbare Dritte Brandenburgische Konzert hören, einige kleine Worte zur Musik:

Wer zusammen musiziert, schießt nicht aufeinander. Daniel Barenboim hat in seinem East Western Divan Orchestra Musiker aus Israel, Palästina und anderen arabischen Ländern vereint. In einem der besten und berühmtesten Antikriegsfilme, nämlich "Hunde woll ihr ewig leben - Stalingrad" von 1959 gibt es, mitten in der Hölle des Krieges, eine kurze Kampfpause. In der Szenerie hat ein Klavier die Zerstörungen überlebt. Der von Gunnar Möller verkörperte junge Leutnant Fuhrmann setzt sich an dieses Klavier. Die im sinnlosen Krieg aufeinander gehetzten Feinde werden für wenige Minuten zu Brüdern. ("Brüder - überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen", heißt es in Schillers Ode an die Freude und somit auch im Schlußchor zu Beethovens 9. Sinfonie, der ja zur Europa-Hymne wurde).

"Ich liebe die Musik", sagt Martin Luther in seiner 1530 verfaßten Skizze über die Musik,
"und es gefallen mir die Schwärmer nicht,
die sie verdammen.
Weil sie ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen ist.
Weil sie die Seelen fröhlich macht,
Weil sie den Teufel verjagt,
Weil sie unschuldige Freude weckt.
Darüber vergehen
die Zornanwandlungen,
die Begierden,
der Hochmut.
Ich gebe der Musik den ersten Platz nach der Theologie.
Das ergibt sich aus dem Beispiel Davids und aller Propheten,
weil sie all das Ihre in Metren und Gesängen überliefert haben.
Weil sie in der Zeit des Friedens herrscht.
Haltet also aus,
und es wird bei den Menschen nach uns
besser mit dieser Kunst stehen,
weil sie im Frieden leben."


Ebenso wie die Philosophie, die Kunst, die Wissenschaften ist auch und gerade die Musik unverzichtbarer Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung und, wie ich in meiner "Landes- und Kulturkunde" zu zeigen versuchte, Teil der Palette, die den Farbenreichtum eines menschlichen Biotops ausmacht. Undenkbar wäre gestaltendes Sprechen ohne die musikalischen Elemente, die der menschlichen Äußerung das Charakteristische, Individuelle verleihen - das zeigt sich auch in den zahlreichen musikalischen Metaphern und Redensarten in der deutschen Sprache und verleiht besonders den Mundarten und Regionalsprachen ihren ganz besonderen "Akzent".

Bach ist das Alpha und Omega auch dieser Veranstaltung - so Initiator Ernst Bergemann, Vorsitzender des Vereins "Kosmische Religiosität", der mit Hans-Peter Dürr einen der wichtigsten Exponenten verantwortender Wissenschaft zum obigen Thema einlud, das auch Gegenstand einer seiner vielen Publikationen ist.

Musica da camera. In relativ breiter Anordnung musizieren mit Konzertmeister (und Hobby-Geigenbauer) Hans-Jürgen Richter neun weitere Damen und Herren vom Kammerensemble der Jungen Marburger Philharmonie vor der Wandtafel im engen Hörsaal 7 der Philipps-Universität; die reihum wandernden Gruppen-Soli besonders des ersten Satzes sind in dieser Akustik gut auszumachen und der Baß (3 Violoncelli, 1 Kontrabaß) bildet das gewünschte adäquate Fundament. Meine lediglich dokumentarische Aufnahme erfolgte in 2-Kanal-Surround und mp3/256 kBps mit dem kleinen Flashcard-Recorder Zoom-H2 und erhebt daher keinen Anspruch auf professionelle Qualität. Bearbeitet wurde nur die ungünstige Raumakustik.

Ähnliches gilt für den Vortragsmitschnitt, hier mischen sich direkter und verstärkter Schall, hinzu kommen zahlreiche Störgeräusche, die, so gut es ging, herausgefiltert werden mußten, so daß lediglich ein Kompromiß zu erwarten war.

MR, den 16.5.2010  Wolfgang Näser