Das Bonner Sparpaket: Ursachen und Folgen
oder: Contemplationes ex ira et studio
von Wolfgang Näser (Marburg), September 1996
Der Mensch, der in den Urlaub gefahren ist, kann nicht abschalten, sich nicht von dem lösen, was seitdem wie ein Trauma die politische Landschaft verändert hat. In Ruhe nachdenkend und das Einst und Jetzt vergleichend, tut er das, was er eigentlich gar nicht vorhatte: er formiert und formuliert seine ganz persönlichen und stetig wachsenden Gedanken zu dem, was die einst von ihm als Vorbilder angesehenen Politiker angerichtet haben gegen die, die sie per Wählerauftrag ins Parlament entsandten. Und so wird das, was in jenen rund zehn Tagen im Urlaub entsteht, mindestens teilweise zu einer Art Widerspiegelung der vox populi, die schon seit langem in Bonn nur mehr leise und aus weiter Ferne wahrgenommen wird, weil die regierende Mehrheit ihr Gehör, ihr Sensorium dafür verloren hat (oder zu haben scheint).
Mein Text ist eine Betrachtung, er fordert auf zum Nachdenken und zur Diskussion. Und er war - das ergänze ich im Schicksalsjahr 1998 - kein Beitrag zum Wahlkampf; die in rasendem Tempo mutierende Lage und das Ringen um eine allen Teilen des Volkes und dessen Sorgen gerecht werdende Zukunftsperspektive sind viel zu ernst. Der Text ist inzwischen Geschichte, soll hier jedoch weiter verfügbar sein - als Momentaufnahme der Befindlichkeit eines Normalbürgers in jener aufkommenden Gründerzeit des Sozialabbaus.
Inzwischen (Juni 1999) hat sich - besonders infolge des Kosovo-Krieges - die Lage hierzulande noch weiter verschlechtert. Angesichts des von Kohl-Nachfolger SCHRÖDER mit seinem mindestens ebenso "progressiven" britischen Kollegen Tony BLAIR ausgeheckten und nun für den 30.6.99 zur Bekanntgabe angedrohten neuen Sozialkurses (des "Dritten Weges") ist man versucht, die weiter unten (und im Dokumentationsteil) am Altbundeskanzler geübte Kritik für übertrieben, ja für unrecht zu halten. "Gegen Schröder, das kann man ohne Übertreibung sagen, war Helmut Kohl in all seiner Grauenhaftigkeit ein Restsozialdemokrat und Sozialpolitiker." (Wiglaf DROSTE in der taz v. 31.3.99)
"Was ist Wahrheit?" heißt es in der Bibel. Für die Wahrheit hat keiner von uns fehlbaren Menschen einen Alleinvertretungsanspruch. Alle menschliche Erkenntnis unterliegt dem unumstößlichen Gesetz des Wandels. Bin ich mit meinen Ansichten / Urteilen im Unrecht, so beweise man es mir, und ich beuge mich gern dieser Erkenntnis. Irre ich nicht, so beanspruche ich das Recht, die Korrektur des Bestehenden einzufordern.
Marburg, den 15.6.1999 W.N.
1. Introduktion: Adagio con moto, un poco lamentoso oder: look back in nostalgia
Es ist ein trüber (fiktiver) Herbsttag. Ich habe schlecht geschlafen. Während drüben im Nachbarblock Dipl.-Sozialhilfeempfänger XY sich zur nächsten Schlaf-Runde umdreht, habe ich, der Normalbürger W.N., unsere von der Stadt Marburg um 270 DM verteuerte (A)Sozialwohnung verlassen, habe meine rheumatischen Knochen im kleinen, aber feinen zehnjährigen Gebrauchtwagen verstau(ch)t und verlasse, der besten aller Ehefrauen zuwinkend, "unser" Grundstück.
Mißtönend plärrt aus dem Autoradio Deutschlands neuester Hit: "Ach Helmut Helmut Helmut Hälllmuuuth, wir sind ja nur aus Liebe zu dir, wir sind ja nur aus Treue zu dir / sooo tiiief geeesunnngkennn" (Moment, das gab es doch schon mal mit Friedel Hensch und den Cypris, da war es der Egon; nein nicht der Bahr, der flennte doch damals, als er den Sessel verlor, er wollte halt nicht sparen).
Ja, er hat es geschafft. Er hat es wieder einmal geschafft, der Yokozuna unter den Polit-Sumotori, der Koloß von Oggersheim, unser achtes Weltwunder.
Die Welt beneidet uns. Um unseren Wunder-Kanzler. Werdende Mütter denken um: Helmut kommt in Mode, wir werden's im SPRACHDIENST nachlesen. Die Spar-Autos kommen, mit modischem Schriftzug "h" am Typenende. In Italien denkt man daran, die Sparkassen in "Banco Elmuto" umzubenennen.
Wie hat er es nur geschafft? Sein weitläufiger Schatten verdunkelte Sitz und Sinn der Volksvertreter, unter seinem mächtigen Tritt erbebte die Koalition, und selbst den CDA-Leuten fiel das Herz in die Hose. Einmütig wie die Lemminge schritten sie zum Kasten; einer wurde sogar per Sanitätshubschrauber eingeflogen (man wollte das Taxi sparen). Wie ein Mann votierten sie: für unser (Un-)Wohl.
Dem Büro zustrebend, denke ich zurück. Ja, in den fünfziger Jahren, da hatte Deutschland keine Schulden. Da gab es einen Finanzminister Schäffer und seinen Juliusturm. Die Deutschen waren superfleißig und bauten auf, sie wußten, wofür. Als die Lohnfortzahlung längst beschlossen war, wurden noch jede Menge Gastarbeiter geholt, denn es gab viele offene Stellen. Italiener, Türken und Griechen kamen als willkommene Gäste, arbeiteten fleißig und akklimatisierten sich schnell. Andere Ausländer eröffneten Läden und Restaurants und lehrten uns die Kunst einer ebenso herzlichen wie zuvorkommenden Bedienung.
Mit den 70ern kamen Brandts "Rrreeefarrrmen" und die Ostpolitik (Honni bekam seinen Staat, Breschnew seinen Mercedes, der Eiserne Vorhang wurde für viele Milliarden DM ausgebaut und vermint, harmlose West-Touristen oder Ausreisewillige in der "friedliebenden" DDR verhaftet und für 100.000,- DM pro Person "freigekauft"), und 1982 hatte man abgewirtschaftet.
Kohl-Suppe wurde modern. Zuerst schmeckte sie prima, doch bald immer schlechter, je öfter sie aufgewärmt wurde. Die Politik wurde immer stärker geprägt und beeinflußt vom deutschen Asylrecht. Selbstverständlich ist es eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben einer gewachsenen Demokratie, allen politisch Verfolgten Schutz und Hilfe zu gewähren und ihnen in unserem Lande eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. Ebenso muß jedoch der Staat jede Form des Asyl-Mißbrauchs bekämpfen, um daraus entstehende Schäden von seinen Bürgern fernzuhalten. Erschleicht sich ein Schein-Asylant eine Wohnung, so entzieht er diese möglicherweise einer Alleinerziehenden, die sich schon jahrelang danach umgesehen hat. Hier hört jedes Verständnis auf. Verantwortungsbewußte Bürger, die auf massenhaften Asylmißbrauch hinwiesen, wurden im harmlosesten Fall als Populisten bezeichnet (ist es etwa schlimm, etwas für das Volk tun zu wollen?), oft jedoch ungeprüft und allzuschnell bzw. wenn sie keine VIPs waren als ausländerfeindlich, rassistisch und rechtsradikal gebrandmarkt und liefen Gefahr, als Volksverhetzer bestraft zu werden. Wenn selbst der SPIEGEL noch vor Jahresfrist auf diese noch immer herrschenden Mißstände aufmerksam machte, ist dies wohl schwerlich als Volksverhetzung zu verstehen.
Dann kam, für viele überraschend (BAHR: "Das, Genossen, könnt
ihr euch abschminken"), die deutsche Einheit, zunächst
wirtschaftlich, dann politisch. Während unser Yokozuna von Stadt zu
Stadt eilte und sich überschwänglich feiern ließ, während
gleichzeitig die marode DDR-Währung großzügig 2:1 umgetauscht
wurde, lief, um es computativ auszudrücken, ein Hintergrundprogramm
ab, das man als LUG&TRUG.EXE bezeichnen könnte. Viele Milliarden
verschwanden bei dubiosen Transaktionen und beim berüchtigten
"Umrubeln"1). Als der Virus bekannt wurde, war es nicht
mehr möglich, ihn aus dem Speicher zu entfernen: der Schaden war angerichtet
und niemand wußte, in welchem Ausmaß. DDR-Partei- und
Staatsvermögen verschwanden (einmal war von 200 Tonnen Gold die Rede),
Hunderte von Millionen wurden auf Schweizer Konten transferiert usw. Von
1990 an wander(te)n lt. offiziellen Angaben jährlich rund 170 Milliarden
(!) DM in die neuen Bundesländer. Lt. einer anderen Meldung sind diese
inzwischen "so reich, daß sie einen Teil der erhaltenen Gelder bei
ausländischen Banken angelegt haben". Doch es wird ständig geklagt.
Wo sind die Unsummen geblieben?
1) vgl. dazu den weitgehend authentischen, im Februar 1998
wiederholten "Schwarz-Rot-Gold"-Krimi. Dort wird von rund 25 Milliarden
DM gesprochen, die dem Staat durch illegales "Umrubeln" verlorengegangen
seien.
Im ganzen Ostblock brach der auf Weltherrschaft programmierte Kommunismus zusammen; dort entstanden erste Versuche, eine Art Freier Marktwirtschaft zu etablieren. Ehemalige Volksrepubliken wurden zu Billiglohnländern, in denen zu investieren für viele Industriegiganten allzu lohnend erschien. Statt an ihre nationale Verantwortung zu denken, investierten externe Großfirmen im Ausland und schufen dort Zehntausende von Arbeitsplätzen, die im "Mutterland" dringend gebraucht wurden. Die dort erwirtschafteten Einkommen gingen oft seltsame Wege und liefen am Fiskus vorbei. Immer mehr in Deutschland erwirtschaftetes Geld wanderte ins Ausland, entweder via Transfer oder investiv. Und Investitionen sind steuerfrei. Wenn Daimler-Benz in Argentinien ein Werk eröffnet, bedeutet dies dort viele Arbeitsplätze und für das Stammwerk möglicherweise eine Konsolidierung, für unser Land jedoch eine weitere Ausdünnung des ohnehin katastrophalen Arbeitsmarktes.
Wir hätten alle über unsere Verhältnisse gelebt, erfuhren wir: nicht täglich, aber immer öfter. WIR ??? Ich habe in meinem ganzen Leben keine Schulden gemacht (schön dumm, sagen die andern), habe zum Leidwesen meiner Tochter in der Sozialwohnung (ex Landesbedienstetenwohnung) ausgeharrt, mich beschieden, wenn nötig. Ich habe mir nicht, wie Heide PFARR, auf Staatskosten die Wohnung renovieren und mich dann mit elftausend netto in Frührente schicken lassen. WIR ??? "Wir", die Deutschen, haben Kuren gemacht. Na und. "Die Kur bringt's", hieß es in den Zeitungen. Und die Kur brachte es. Wer sie machte (ich leider nur einmal, ebenfalls schön dumm), den machte sie fit. Prophylaktisch, für spätere KOHLiken. Die Kurorte lebten davon, es gab viele Arbeitsplätze. Die werden jetzt eingespart. Gespart? Ja, stimmt, sparen wird neu definiert. Sparen, das ist: den Lohntopf voll lassen und den Sozialtopf leer machen. Danke für diese Leere, öööhhh Lehre, Herr Blüm. Aber was will ich denn? Wir sind doch ein reiches Land. Reich an Schulden, immerhin Zwei mal Zehn hoch Zwölf. Reich an Einsicht (je leerer das Portemonnaie, desto tiefer kann man hineinsehen). Reich an Dummheit (stete Parole höhlt den Kopf). Vielleicht erlebe ich's noch ... daß der Nobelpreis für Dummheit geschaffen wird, extra für uns.
Wer über seine Verhältnisse lebt und anderen verpflichtet ist, muß diesen gegenüber die Gründe und Fakten seiner Kreditaufnahme offenlegen. Sogenannte hoheitliche Aufgaben (oder was man dafür hält) sind keine Entschuldigung für Mißwirtschaft. Wenn sich Minister XYZ einen neuen Dienstwagen zulegt, obwohl es der alte ebenso täte, oder wenn er im Bundesluftwaffen-Jet mal gerade für 100.000,- DM Betriebskosten nach Tokyo fliegt, um dort an einer Konferenz teilzunehmen, dann ist das ebenso unverantwortlich, als wollte der alleinverdienende Bürger XYZ, oder meinetwegen W.N., sich jeden Tag per Taxi zum Dienst fahren lassen, jedes Jahr zweimal auf den Bahamas Urlaub machen, seine Freunde im Vier Jahreszeiten bewirten und die aus seinem Lebenswandel entstehenden Kosten der Allgemeinheit anlasten. Das Beispiel der "Oberen" machte denn auch bald Schule. Städte-Partnerschaften u.ä. waren oft genug Anlaß dienstlich verbrämter, die Budgets über Gebühr belastender Vergnügungsreisen. Über die Köpfe und gegen den Willen der Bürger zwangsvollstreckte Gemeindezusammenlegungen (wer denkt nicht an das viele Millionen verplempernde Lahn-Projekt!) kosteten Unsummen und setzten viele hundert Jung-Bürgermeister frei, die sich teilweise schon im 35. Lebensjahr einer komfortablen Pension erfreuen konnten. Bürgerhäuser, Mehrzweckhallen, Schulneubauten und Kliniks-Umstrukturierungen verschlangen Milliarden; der Nutzeffekt war nur gering. Beispiellose Verschwendung herrschte im militärischen Bereich, wo oft genug zweckdienliche Improvisation durch globale Verschrottung und Reinvestition ersetzt wurde.
Als die Billionen-Schuldengrenze längst überschritten war, reisten noch immer Bundespolitiker ins Ausland und verteilten dort jovial Gelder aus einem Etat, der inzwischen ein Viertel, also mehr als 100 Milliarden (oder hunderttausend Millionen) für den sogenannten Schuldendienst aufbringen muß. Der Staat lebt weitgehend von dem, was seine arbeitenden Bürger ihm in gutem Glauben geliehen haben, und bestraft sie dafür mit kontinuierlichem Sozialabbau (oder sehe ich das falsch?). Der Staat, sage ich in bester Stammtischpolitik-Manier. L'état, c'est nous? Leider nein, sorry, wir diskutieren und argumentieren uns die Kehle wund und müssen dann anhören und -sehen, wie von Leuten, die in einem Dauerkurort leben, einsame Entschlüsse an uns vorbei gefaßt werden. Von Leuten, die das Sparen im Munde führen, nachdem sie sich die Diäten erhöht haben; die, wenn sie nach Berlin umziehen, sich 25 DM pro Tag an Trennungsgeld bewilligen; deren Berlin-Pendelei (der sogenannte Beamten-Shuttle) jährlich 25 Millionen DM verschlingt usw.
WO, bitteschön, ist die uns alle angehende (weil unser Geld betreffende) RECHNUNGSLEGUNG der Bundesregierung für die angeblich unvermeidbare Neuverschuldung, WO die BILANZ über die in den letzten Jahren betriebene GESCHÄFTSFÜHRUNG? WO ist eine genaue und damit ehrliche Aufschlüsselung aller SOZIAL-AUSGABEN? Wir, die Normalbürger, also auch unser W.N., sind dem Finanzamt gegenüber jährlich zu einer bis hinter das Komma gehenden Kostenrechnung verpflichtet.
Wir, die Deutschen, waren und sind Weltmeister im Wert-Sparen und noch immer weltweites Vorbild für Fleiß, Innovationskraft und Disziplin. Im Gegensatz zu Staaten wie Großbritannien haben wir uns zu Europa bekannt und auch die mit Grenz-Öffnung und Schengener Abkommen verbundenen Nachteile in Kauf genommen. Eine seit 1982/83 stetig steigende Zahl sozialabbauender Maßnahmen haben wir verkraftet und auch die Deutsche Einheit bewältigt.
EUROPA ANTE
PORTAS
Die Insel der Glückseligen ist out, sagen die, die von fremdem Geld
lebten und nichts zu verlieren haben. Mit den Nationalstaaten sei es vorbei,
erfahren wir in der WELT. Ganz Resteuropa schaue auf uns, die Deutschen,
sagt mir am 23.9.96 in Cuxhaven eine seit 27 Jahren in Deutschland lebende
ehemalige Jugoslawin; Rest-Europa könne nicht verstehen, warum wir,
die Deutschen, für uns bleiben wollten. Und die Deutschen seien nicht
so fleißig wie die Ausländer; jene nähmen hier jede Arbeit
an, die Deutschen zierten sich und beharrten auf ihren 2000 DM
Arbeitslosenunterstützung. Sie müsse verstehen, gebe ich zu bedenken,
daß ein promovierter Akademiker nicht dafür studiert habe, als
Taxifahrer zu arbeiten. Das sei immer noch besser, entgegnet sie, als von
Arbeitslosengeld zu leben. Die Hotelfenster putzend, meinte sie, wenn erst
einmal Rest-Europa auf Deutschland zugreife, könnte es hier schlimmer
kommen als derzeit in Bosnien.
Europa ist in. Wir müssen, so wird gesagt, die Maastrichter Kriterien erfüllen, und um das zu können, müssen wir sparen. Der Euro, sagt WAIGEL, werde viel stabiler sein als unsere D-Mark; die Europäische Notenbank, die weitaus unabhängiger sein werde als nationale Institute, sei dafür der beste Garant. Wir müssen also sparen für Europa, müssen alle daran glauben (,daß Politikerträume wahr werden). Deutschland "konservieren" oder "Europa wagen": das ist die Frage und das betrifft auch und vor allem das Bonner Sparpaket und alle mit ihm verbundenen Konsequenzen. Und in diesem Zusammenhang ist auch alles zu sehen, was irgendwie mit "Besitzstandwahrung" zusammenhängt. Während die einen es nicht abwarten können, mit dem Euro zu zahlen, drohen angesichts vieler separatistischer Tendenzen (Schottland will sich vom UK abspalten, die Katalanen wollen ihren Staat, desgleichen die Basken, Bossi will sein Padanien, die Kurden können sich nicht einmal untereinander einigen usw.) die allzu euphorischen Politikerträume vorerst zu zerplatzen.
Vielleicht ist das Ganze "nur" eine Generationen-Frage. Wir, die (leider) schon etwas Älteren, müssen derzeit ansehen, wie ein blühender Staat zugrundegerichtet wird. Wir kennen noch das Früher, können vergleichen. Uns geht es wie dem alten Hengst Clover in ORWELLs Animal Farm: als Spuren und Zeugnisse der Vergangenheit entfernt waren, blieb ihm nur die Erinnerung, er vereinsamte, paßte nicht in die "neue Zeit" mit ihrem einzig übriggebliebenen Gebot "Einige sind gleicher als die anderen".
Naturgemäß fehlt den Jungen diese Dimension. Nichts Anderes kennend, wachsen sie hinein in einen, wie es der SPIEGEL nennt, globalen Turbo-Kapitalismus, die Religion des 21. Jahrhunderts, mit einem, wie zu befürchten ist, seelenlosen Fortschrittsglauben, eine Epoche des Cloning, der Gentechnik und der In-Vitro-Schwangerschaft, wo das Zurück zur Natur des 20. Jahrhunderts als steinzeitlich empfunden wird.
Im folgenden gehe ich jedoch nach wie vor davon aus, daß es eine eigenständige Bundesrepublik Deutschland gibt und damit die in unserem Lande geschaffenen Voraussetzungen, Verhältnisse und Gesetzmäßigkeiten.
2. Das bundesdeutsche Sparpaket in kürze: Scherzo malevolo oder: Das war kein Heldenstück, Oktavio!
Während (nach Angaben des TV-Morgenmagazins vom Frühjahr 1996) in Deutschland pro Jahr das Geldwertvermögen um ein Drittel wächst und sich hierzulande die sog. Lohnnebenkosten im europäischen Mittelfeld bewegen, während es inzwischen "in diesem unserem Lande" (H. KOHL) über hundert Milliardäre gibt, hat nach einer im SPAR-Zungenschlag betriebenen medialen Dauer-Gehirnwäsche nun endlich - wie viele tatsächlich meinen -, ausgerechnet am Freitag, dem 13. September um 13 Uhr (welch Hohn und Dreistigkeit) der Bonner Bundestag, also das sogenannte "Hohe Haus" der von den Bürgern gewählten und für deren Wohl verantwortlichen Volksvertreter, genauer die sogenannte Kanzler-Mehrheit (incl. der in den Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerausschüssen Tätigen) den größten Sozialabbau der deutschen Geschichte nach 1949 beschlossen, damit auch die bis zuletzt leidenschaftlich umkämpfte Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: dies alles pünktlich zum 1. Oktober, also rechtzeitig zum Beginn der winterlichen Erkrankungen und ihrer sozialen Auswirkungen.
Für die arbeitende bundesdeutsche Bevölkerung bedeutet dies
im wesentlichen:
und anderes mehr, das in verschiedenen Tarifverträgen "ausgehandelt" (besser: oktroyiert) wurde. Ins Haus stehen noch eine generelle Flexibilisierung (besser: ein potentielles Unterlaufen) der Tarifverträge und der Zwang, im Falle von Arbeitslosigkeit auch weit unter dem eigenen Ausbildungsniveau liegende Tätigkeiten anzunehmen (das promovierte Taxifahren erhält staatlichen Segen, die von der werktätigen Bevölkerung mitgetragenen hohen Studienkosten werden auf diese Weise verplempert; wie wir weiter oben erfahren haben, kann man dies auch anders sehen).
Während die arbeitende Bevölkerung mit gravierenden Kürzungen
und Beeinträchtigungen bedacht wird, gilt das SPAR-PAKET nicht für
andere Bevölkerungsgruppen und Maßnahmen:
3. Reaktion und Ausblick: Finale aggressivo, senza speranza oder: Is it the final countdown?
Das Sparpaket muß jetzt umgesetzt werden: das bedeutet Durchführungsverordnungen, Erlasse, Tarifverträge. Es könnte sogar sein, daß wir, die Werktätigen, auch das noch "schlucken", auch hier noch "abwiegeln" und sagen: "Nun gut, packen wir's." Aber man läßt uns ja nicht einmal Ruhe und Zeit zum Verdauen. Noch vor der Abstimmung erklärte ein hoher Wirtschaftsfunktionär, die Sparmaßnahmen reichten nicht aus. Mit dem aus neutraler Sichtweise harmlos wirkenden Sparpaket sind wir erst am Anfang, am Beginn einer langen Reihe weiterer Maßnahmen.
Die Bonner Beschlüsse und Vorhaben bedeuten für die Werktätigen gravierende soziale Einschnitte. Viele, die "in Lohn und Brot stehen", müssen ihr Leben radikal ändern und von liebgewonnen Gewohnheiten Abschied nehmen. Viele, die in harter Arbeit ihr Existenzminimum erkämpfen, rutschen an bzw. unter die Sozialhilfegrenze. Unzufriedenheit, Frustration und Kriminalität wachsen weiter, radikale Ideologien erhalten ungeahnten Zulauf. Der soziale Friede ist ernsthaft gefährdet. Daß ich hier nicht übertreibe, mag wohl eine am 18.9. 1996 im WESER-KURIER abgedruckte Meldung verdeutlichen, nach der der deutsche Ärzte-Verband seinen Mitgliedern empfiehlt, Rezepte nur noch "im Überlebensfall" auszustellen, um Kosten einzusparen und sich keiner Verfolgung auszusetzen. "Im Überlebensfall": was heißt das denn? Welche Unmenschlichkeit! Krebskranke mit unsicheren Heilungs-Chancen bekommen nichts mehr? Wird der Äskulap-Stab zum Gummiknüppel?
Abgesehen davon, daß die perspektivisch erkennbare "neue Arbeitsgesellschaft" wohl nur aus Jungen, Fitten und Gesunden bestehen darf (Man-Power und Ausbeutbarkeit zählen), werden sich viele Jugendliche, die keine Lehrstelle bekommen oder aus anderen Gründen den "Einstieg" nicht schaffen, jetzt erst recht fragen, warum sie überhaupt arbeiten sollen, oder sie werden auswandern. Viele Menschen, die unverschuldet in Not geraten und/oder erkranken, werden in ebenso unwürdige wie verhängnisvolle Verschuldung getrieben. Immer unmenschlicher werdende Tarifabkommen (besser: -diktate) werden dazu führen, daß alleinerziehende Mütter sich noch weniger um ihre Kinder kümmern können; die Kinder sind noch stärker sich selbst überlassen und die Jugendkriminalität steigt weiter. Menschen mit labiler Gesundheit und schmalem Geldbeutel werden sich nicht krank melden und so bestimmte Erkrankungen verschleppen, weil sie keine Chance bekommen, sie auszukurieren (eine verschleppte Grippe kann zum Tode führen!). So wird die Volksgesundheit in unserem hochindustrialisierten und hochzivilisierten Musterland auf seinem Wege in die unbegrenzten Möglichkeiten unternehmerischer Willkür einen nie dagewesenen Tiefstand erreichen, trauriges Resultat einsamer, aus erschreckender Realitätsferne heraus gefaßter Entschlüsse.
Europa-unbedarfte (s.o.) Kritiker solcher Sparbeschlüsse (und ihrer Weiterungen) könnten argumentieren, daß ein Staat, der ohne erkennbare NOT (das meiste Geld ist noch im Inland) seine kranken Werktätigen bestraft, ihnen selbstverständliche Heilmaßnahmen vorenthält oder erschwert und ihnen durch unzumutbare Heraufsetzung der Lebensarbeitszeit das wohlverdiente Ruhegehalt und den Lebensabend entzieht, daß ein solcher Staat möglicherweise vorsätzliche kollektive Körperverletzung betreibe, um nicht von Schlimmerem zu reden. Vereinzelte, "unverbesserliche" Kritiker warnen schon jetzt, daß die Sparbeschlüsse alles andere erreichen als neue Arbeitsplätze und eine wirkliche Konsolidierung zu schaffen.
Wie oben angedeutet, gibt es in unserem auf europäische Aufbruchsstimmung getrimmten Lande keinen Anlaß zur Hoffnung. Die gefaßten Beschlüsse werden alsbald realisiert, nach altem Recht konzipierte Tarife gekündigt und kapitalistische Trittbrettfahrer sehen sich zu noch gravierenderenden Weiterungen berechtigt. Möglicherweise werden die einen oder anderen mit STREIKs reagieren, das soziale Klima wird frostiger, das Vertrauen in den STAAT und die ihn repräsentierenden POLITIKER irreparabel geschädigt; trotz medialer Gesundbeterei ("Es ist doch alles nicht so schlimm, uns geht es doch besser als vielen anderen"), Durchhalteparolen ("Wir müssen jetzt alle den Gürtel enger schnallen, um den verfahrenen Karren aus dem Dreck zu ziehen") und Versprechungen ("Der Standort D wird wieder attraktiv") werden Politik- und Wahlverdrossenheit weiter zunehmen: ebenso verhängnisvoll wie staatsschädigend. Die derzeit ohnmächtige arbeitende Bevölkerung ist aufgerufen zur Selbsthilfe. Das Hemd ist uns bekanntlich näher als der Rock. Jedem steht es frei zu entscheiden, wie viel Großzügigkeit er sich leisten kann, ohne daß es an die eigene Substanz geht. Wer pro Monat genug "einfährt", der kann (wenn er überhaupt will) sich großzügig geben, ohne daß es ihm irgendwie wehtut. Doch das namenlose Heer derjenigen, die jeden Pfennig dreimal umdrehen müssen, die sich nicht gelangweilt am Baden-Badener Roulette-Tisch herumräkeln und die Nase himmelwärts tagen, diese Millionen arbeitender Menschen müssen sich fragen, inwieweit es ihre politische Verantwortung und Solidarität erlauben, sich mit dem Spar-Paket zu "arrangieren" oder es als menschenfeindlich und demotivierend abzulehnen.
Wie sollen wir uns jetzt verhalten? Erste Vorschläge können hier nur angerissen werden (die Ausführungsbestimmungen und Weiterungen sind noch abzuwarten). Die auch hier eingestreute Kritik erwächst aus der Erkenntnis, daß es (außer bei vielen Parlamentariern und Reise-Politikern) im Arbeitsleben nicht zugeht wie in einem Kurort; eine angesichts der erwähnten und noch bevorstehenden Maßnahmen angebrachte Skepsis berechtigt zu Feststellungen und Überlegungen, die mit Wehleidigkeit nicht das Geringste zu tun haben.
o Wenn wir schon sparen sollen, dann sparen wir vor allem mit dem Kostbarsten und Wichtigsten, das wir besitzen: unseren körperlichen Ressourcen. Das heißt: Abschied nehmen von aller gesundheitszehrenden HEKTIK. Arbeiten wir, um zu LEBEN! Wenn wir uns schon an Rest-Europa angleichen sollen, dann (und dazu stehe ich) bitte auch in dieser Hinsicht!Genießen wir wie die Franzosen, arbeiten wir wie die Italiener und verteidigen wir, so lange es noch geht, unsere Eigenständigkeit wie die Engländer, dann werden wir nicht mehr beneidet und müssen die halbe Welt miternähren.Besonders die Alleinverdiener und Versorger von Familien müssen bedenken, daß sie noch lange gebraucht werden.
o Wir alle wollen unser Pensionsalter erleben und unser Ruhegehalt bekommen, das wir uns oft unter großen Mühen und Entbehrungen verdient haben!!! Oder legen Sie, liebe Mitmenschen, darauf Wert, zu "BLÜMs Lieblingen" zu gehören? Das sind die, die sich wie die Berserker kaputtarbeiten und zu Beginn ihrer Pensionierung umfallen wie die Fliegen, weil sie sich nicht rechtzeitig einen Ausgleich (sinnvolles Hobby) geschaffen und gelernt haben, wie man mit seinen Kräften haushält und daß es im Leben Wichtigeres gibt als vorwärtszukommen um jeden Preis. Ich richte diese Zeilen besonders an die sogenannte Sandwich-Generation, die 40- bis 60jährigen: "Sandwich" deswegen, weil sie doppelt unter Druck stehen: von oben durch die Eltern, von unten durch die (meist allzustark verwöhnten) Kinder. Es ist bekanntlich nichts Neues, daß besonders die Männer zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr besonders infarktund schlaganfallgefährdet sind. Viele berufstätige Frauen, besonders Alleinerziehende, sind von Ähnlichem bedroht.
Machen Sie denen in Ihrer Familie bzw. Verwandtschaft, von denen Sie gesundheitlich und finanziell ausgebeutet werden, unmißverständlich klar, daß das Ende der Fahnenstange erreicht ist und daß Sie, die 40- bis 60jährigen, genauso ein Recht auf Entspannung und Erholung haben wie die Senioren und auf Freude und Vergnügen wie die Kids.Wer sich sein Eigenleben nehmen, wer sich versklaven und ausbeuten läßt, ganz gleich wodurch und von wem, erntet statt Dank höchstens Spott und ist selbst schuld an seinem Untergang. Nutznießer sind außer dem Staat (weniger oder kein Ruhegeld) die lieben Verwandten: sie dürfen das erben, wofür sich die Nimmermüden kaputtgeschuftet haben. Und der Staat, unser Stiller Teilhaber, sahnt auch hierbei kräftig ab.
In diesem Zusammenhang kann der Computer, mit dem die meisten von uns im Arbeitsleben zu tun haben, ein nützliches Modell abgeben, können doch seine Funktion und Arbeitsweise in einigen wichtigen Hinsichten auf das menschliche Leben bezogen und mit ihm verglichen werden: das gilt besonders für Bau und Funktion des Gehirns (Kurzzeitgedächtnis = RAM, Reaktionsschnelle = Cache, Langzeitgedächtnis = Festplatte, Erinnerungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit = Busbreite, Lebensintensität = Taktfrequenz, Sinnes-Schärfe und -leistungsfähigkeit = Video-/ Audiobandbreite/-durchsatz usw.).
Im Gegensatz zum Computer, dessen Motherboard und Peripherie beliebig ausgetauscht und dessen Leistung je nach dem Stand der Technik stetig gesteigert werden kann, sind menschliche Psyche und Physis nicht unbegrenzt belastbar. Psychische Belastungen durch Streß und/oder ein permanent ruinöses Arbeitsklima schädigen ihrerseits die Physis; der Gesamtschaden ist meist irreparabel.
Computer, die Rechenknechte (der Name sagt schon alles), denken nicht nach, tun (fast) alles, was von ihnen verlangt wird, nehmen keinen Urlaub...wir wissen es. Wir, die Menschen, sind weder Rechen- noch andere Knechte; heutzutage wird niemand mehr in Knechtschaft hineingeboren, höchstens zu ihr erzogen. Wir können und müssen nachdenken: so viel Zeit muß sein. Von Zeit zu Zeit müssen wir Bilanz ziehen, uns bewußt werden über unsere Situation und wie wir uns helfen können.
Besonders die sensiblen Menschen leiden an destruktiven Arbeitsbedingungen; die im universitären Bereich an wissenschaftlichen und künstlerischen Fragestellungen (und meist nur mit Zeitverträgen) Arbeitenden können erlittene Demütigungen und andere Benachteiligungen nicht so einfach wegstecken wie andere, die möglicherweise ein Gemüt haben wie ein Fleischerhund. Im Gegensatz zum rein rational konzipierten Computer leistet sich der Mensch ein stark emotionales Engagement, das ihm vor allem dann zum Verhängnis wird, wenn er die Widrigkeiten seines Umfeldes nicht korrigieren kann, wenn er keine Anerkennung findet oder sein Einsatz für Andere zum Scheitern verurteilt ist. COOL BLEIBEN ist zwar schön gesagt, aber nicht immer möglich.
Jedes Notebook, das wissen wir, hat ein sehr sinnreiches Feature: den Energiespar-Modus. Im Bedarfsfall wird der Prozessor heruntergetaktet und die Bildschirmenergie reduziert; gegebenenfalls schaltet sich der PC in den "Schlaf-Modus". Dadurch werden Komponenten (Prozessor und andere Schaltkreise) geschont, es wird weniger Strom verbraucht und das Gerät "lebt" länger. So, wie es a priori verschieden leistungsfähige Computer gibt, so gibt es verschiedene Konstitutionstypen: die einen, die bis ins hohe Alter rauchen wie die Schlote und sich fast um den Verstand trinken, die anderen, die in Übergangszeiten und Streß aufpassen müssen, keine Infektion zu bekommen. Fakt ist außerdem, daß jedes individuelle Leben einer "inneren Uhr" gehorcht. Auch bei optimaler Versorgung und Pflege (Nahrung, Sport, Urlaub) ist irgendwann Schluß: bei dem einen eher, bei dem anderen erst viel später.
Wir haben die Wahl, entweder durch unmäßige Hast, Hektik und Belastung unsere Energiereserven vorschnell aufzubrauchen (Akku-Schnellentladung) und früh zu sterben oder durch klug dosierende Lebensgestaltung (Energie-Sparmodus, konstante Entladung) unser Lebensalter über den Pensions-Zeitpunkt hinaus auszudehnen.Diese Erkenntnis ist umso wichtiger, als das bisher für Männer (die noch immer statistisch gesehen 7 Jahre früher sterben als Frauen) geltende Pensionsalter möglicherweise von 65 auf 70 Jahre erhöht wird (angedacht wurde dies bereits seit Jahren): die meisten kämen um die Pension herum und, wie es so schön heißt, BLÜM würde Kasatschok tanzen.
Wie verlogen ist es doch, ein "Programm für mehr Beschäftigung" zu initiieren und in diesem Programm die einen mehr und länger für dasselbe Geld arbeiten zu lassen, damit andere noch weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz haben! Wie verlogen und perfide ist es, neue Arbeitsplätze zu verheißen, wenn die kontinuierlich fortschreitende Computerisierung (Digitalisierung) des Lebens das genaue Gegenteil prognostizieren läßt!Zur derzeitigen Gehirnwäsche gehört auch, ständig zu suggerieren, die älteren Menschen würden immer fitter. Auf möglichst ganzseitigen Illustrierten-Anzeigen begegnen uns super-knackige Rentner, die dazu angetan scheinen, den Himalaya zu besteigen. Was für aktive, fröhliche, gesunde Rentner haben wir doch hier in Deutschland! Und so reich sind sie, bevölkern mit ihren BMWs und Mercedessen die Kurorte, machen die Clubs unsicher bis Mitternacht, diese Bündel an Vitalität und Lebensfreude! Die Lesenden werden neidisch. Diese Rentner! Sie haben es zu gut! Und dann die Medien: bald müssen zwei Arbeitende einen Rentner "ernähren", heißt es. Ernähren?
Der Rentner hat doch sein ganzes Arbeitsleben lang in die Sozialkasse eingezahlt, es ist doch sein gutes Recht, sich auszuruhen und einen schönen, freudvollen Lebensabend zu genießen!Wenn es den Rentnern so gut geht, das steckt hinter den Anzeigen, dann könnten sie ja eigentlich noch ein wenig weiterarbeiten: bis sie wirklich restlos verbraucht sind!
Selbstverständlich gibt es die so energisch und lebensfroh dreinblickenden "Aktivsenioren", bisher ging es unseren Rentnern außergewöhnlich gut: Kohl brauchte ihre Stimmen zum Machterhalt. Mit seiner erneuerten und seltsam gefestigten Macht sorgt dieser Kanzler dafür, daß es die künftigen Rentner ungleich schwerer haben (vorausgesetzt sie erreichen die Anwartschaft überhaupt noch). Fortschreitende Hektik, Um weltbelastungen, höheres Renten-Alter, schlechtere Rentenversorgung usw. werden jedoch dafür sorgen, daß im Senioren-Wald die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wer sich in den vielen Altersheimen umsieht, der wird erst recht in Zorn geraten ob der im Zeitalter der sogenannten "Pflegeversicherung" ebenso verlogenen wie geschmacklosen "Supersenioren"-Anzeigenkampagnen.
Ein Staat, das sei abschließend gesagt, der seine alten Menschen als unerwünschten Ballast ansieht und entsprechend behandelt, ein solcher Staat handelt unmenschlich und verfällt in steinzeitliche Barbarei.Den noch "knackfrischen" jungen Leuten, die über solche Zeilen in Gelächter ausbrechen, sei gesagt, daß auch sie einmal älter werden und dann schmerzlich feststellen werden, wie der Staat, dem sie ihr halbes Leben in Arbeit und Loyalität verbunden waren, Fleiß und Treue honoriert.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen im "Mittel-Alter": takten wir, wenn es geht, unseren Prozessor herunter und denken wir an uns! Die "68er" hatten übrigens den Grundsatz "Macht kaputt, was Euch kaputtmacht".
o Die jungen Menschen müssen auf der Hut sein. Leute, die Medien machen Euch etwas vor! Laßt Euch nicht verdummen! Laßt Euch nicht in DISCOs, durch DROGEN oder den GAME BOY abstumpfen! Laßt Euch nicht durch den COMPUTER isolieren! Geht hinaus, diskutiert, helft euch gegenseitig, denkt nach, entwickelt ein politisches Bewußtsein und tragt aktiv dazu bei, daß sich die Verhältnisse für uns alle zum Positiven hin ändern!
Verzichtet auf Süßigkeiten! (Das gilt auch für die vielen jungen Mütter, die mit süßem Tee ihre Säuglinge ruhigstellen). Pflegt Eure Zähne wie die Weltmeister, damit Ihr Euch lange eines gesunden Gebisses erfreuen könnt! Denn, wie es im Frühjahr Gregor GYSI formulierte, man wird bei den künftigen Arbeitsgenerationen Armut oder Reichtum an den Zähnen ablesen können, ganz wie in der Dritten Welt! Und es wird ganz neue Versicherungsfälle geben, z.B. dann, wenn ein junger Mensch unverschuldet Schaden am Gebiß nimmt und nicht in der Lage ist, den Schaden zu heilen.
o Alle in LABORs und ähnlicher Umgebung mit Schadstoffen Arbeitenden müssen für optimale Entgiftung sorgen! Das Einatmen von z.B. Löt-Dämpfen mag als harmlos erscheinen, wirkt sich jedoch Jahrzehnte später aus in zahlreichen tödlichen KREBS-Erkrankungen! Wer seine Untergebenen wider besseres Wissen in gesundheitsschädlicher Umgebung arbeiten läßt, begeht vorsätzliche Körperverletzung!
o Wie schon oben gesagt: Gesund leben, körperliche Exzesse vermeiden (einen James Bond gibt es nur in der Fiktion und es gibt bessere Möglichkeiten, sich zu profilieren!), regelmäßige kurze Pausen einlegen (gilt besonders für Bildschirmarbeiter/innen!), Zank, Neid, Intrigen und zerstörerisches Konkurrenzdenken vom Arbeitsplatz verbannen, Solidarität üben.
o Alkohol und Nikotin möglichst meiden. Suchthaftes Rauchen und Trinken sind nicht entschuldbar, weder zu Hause noch am Arbeitsplatz!
o (Solange die Alternativregelung gilt) Rechtzeitig einige Urlaubstage ansparen: sie bedeuten bares Geld! Denn eine Krankheitswoche bedeutet entweder für diesen Zeitraum 80 % Lohn/Gehalt oder den Abzug eines Urlaubstages (Regelungen für vereinzelte Kranktage stehen noch aus, sind möglicherweise Gegenstand gesonderter Dienstvereinbarungen).
Dieser Text ist eine Abrechnung. Er mag vielen nicht gefallen, auch
mögen sich einige daran stören, daß er vom Inhalt her in
keine "Schublade" paßt. Provokativ, wie er
ist, soll er anregen zu Kritik, Ergänzung,
Widerspruch, zum Nachdenken über das, was derzeit über
uns hereinbricht und dem wir uns alle zu stellen haben. Wir, als durchaus
loyale und verantwortungsbewußte Bürger, denen es darum geht,
auch künftig in einem sozial ausgewogenen und perspektivisch
stabilen Lande zu leben.
Vielen Dank für Ihr Interesse.
E-Mail an Verfasser: naeser@mailer.uni-marburg.de -> zur Home-Page