Mundart-Tonbeispiele
Als im Jahre 1903 der volkstümliche und beliebte
österreichische Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) dem Wiener
Phonogramm-Archiv die Ehre erwies, seine
Stimme *) auf einer Wachs-Platte
zu verewigen, war die wissenschaftliche Tonaufnahme etwas, an dessen Wert
und Fortschritt nur wenige glaubten. Inzwischen ist es möglich, auch
via PC und Internet Verschiedenheit und Lebendigkeit der deutschen
Mundarten hörbar darzustellen. Aus ökonomischen und
übertragungstechnischen Gründen werden die zu übertragenden
Ton-Dateien komprimiert; werden sie beim Empfänger (client) in
Echtzeit (Real Player) oder per Konversion (Ra2WAV) dekomprimiert, dürfen
dabei keine störenden Zusätze (sog. Artefakte) entstehen,
die einer wissenschaftliche Auswertung entgegenstünden. Das
Real-Audio-Verfahren hat sich seit der Einführung (1996) bislang*)
in allen Kompressionsraten bis hin zum Faktor >140 als für
Sprachaufnahmen ideal erwiesen, weswegen viele Server, auch der des
Deutschen Sprachatlas, in diesem
Format präsentieren.
*) Schärfster Konkurrenz ist derzeit das Format WMA (Windows Media Audio),
das in vergleichbaren Modi mehr Brillanz liefert und demnächst auch
auf dieser Seite zum Zuge kommen wird.
Für meine Zwecke habe ich mit dem Real-Audio-Encoder 3.1 [*.ra] und
5.0 [*.rm]) anklickbare Beispiele erstellt, für die Sie den Real Audio
Player ab Version 3.0 (16-Bit, für Win 3.11 oder Win 95)
benötigen. Die zu Beginn der Seite (1996) gewählte Bandbreite von
5,5 kHz gewährleistet schon eine für die wichtigen
Phoneme (z.B. /s/ und /f/) und deren Formanten ausreichende
Wiedergabe-Qualität und läßt, wie Bspp.
[22a,
23b, 28, 29,
31] deutlich machen, auch mehr als
60 Jahre alte Aufnahmen erstaunlich gut klingen. - Wenn Sie
darüberhinaus testen wollen, bei welcher Bandbreite Sie noch alles verstehen
bzw. dialektale Eigenheiten heraushören (können), so habe
ich hierzu die Beispiele [20 =
4 kHz], [21 = 3 kHz]
und [23a
/30 = 2,5 kHz] aufbereitet.
Ab 5/2001 gilt für Revision und Neu-Einspielung aller
*.ra die wesentlich bessere Bandbreite von 11 kHz.
----------------------------
*) dieses mit starkem Rauschen und zahlreichen Knackstörungen unterlegte,
auch inhaltlich sehr wichtige
Tondokument habe ich mittels Cool Edit Pro 1.2a in mehreren Schritten bearbeitet
und dann zur Real-Audio-Datei konvertiert. Dabei erwies sich der
RA-5-Modus 8,5 kbps (4 kHz) als optimal.
Die technische und didaktische Aufbereitung solcher Mundartproben stellt hohe Anforderungen. Aus dem vorhandenen Archiv-Material sind zunächst artikulatorisch relevante und zugleich areal repräsentative Beispiele auszusuchen und als 16-Bit-*.wav einzuspielen:
Klingen die Proben nicht gut oder sind sie mit Störungen behaftet,
müssen sie mit einem professionellen Sound-Editor (z.B. Cool Edit Pro
1.2a) bearbeitet werden; das bedeutet:
Hernach ist die jeweilige *.wav-Datei in das Real-Audio-Format (*.ra , *.rm) zu konvertieren: entweder direkt beim Abspeichern aus dem Editor (Cool Edit Pro) oder mittels eines separaten Encoders (RA-Enc. 3.1), der auch das Beifügen eines Kurzkommentars (Datei-Herkunft, Copyright) ermöglicht. Beim Kontroll-Abhören mit einem Real Audio Player ist darauf zu achten, daß sowohl mit PC-Lautsprechern wie an einer externen Stereo-Anlage im linearen Modus (Diskant- und Baßregler in Mittenposition) ein ausgewogener Klang realisiert wird. Sodann werden die erarbeiteten Datein auf den Server geladen (upload) und sind (bei korrekter Datei-Markierung als *.ra oder via *.ram) für die Allgemeinheit verfügbar.
Erstes Beispiel ist Georg WENKERs Abfrage-Satz Nr. 16 "Du bist noch nicht groß genug, um eine Flasche Wein allein auszutrinken, du mußt erst noch wachsen und älter / größer werden". Das niederländische Beispiel [13b] verdeutlicht die Verwandtschaft zum Niederdeutschen [13, 14]. [15-17] entstammen den bis 1945 in ehemals deutschen Ostgebieten gesprochenen Mundarten; außer [16b] wurden sie vom Dt. Sprachatlas 1962 mit ehemaligen Sprechern in Westdeutschland aufgenommen. [18a,b] repräsentieren noch heute lebendige auslandsdeutsche Mundarten; weitere Beispiele folgen. Aus didaktischen Gründen (Präsentation off-line und im Intranet) wurden Anfang Mai 2001 nahezu alle seit 1996 ausgewählten Proben mit doppelter Bandbreite (s.o.) und verbessertem Störabstand neu encodiert.
Ergänzend finden Sie einige längere Ton-Dateien: Erzählungen, Sketche, Gedichte. Einige davon sind gekürzte Beispiele historischer Aufnahmen, die im Rahmen des sog. "Lautdenkmals" (1936 und 1937) gemacht und ab März 2000 von mir zu didaktischen und dokumentarischen Zwecken bearbeitet und in mein WWW-Angebot integriert wurden; das Adolf HITLER zum 48. Geburtstag (1937) dedizierte, von diesem aber aus einer dialektfeindlich-dirigistischen Haltung heraus praktisch zurückgewiesene Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten wurde bis heute fast unisono als Schandfleck der deutschen Dialektologie empfunden1) . Solche aufgrund des damaligen Zeitgeistes möglicherweise politisch belasteten Tondokumente sind andererseits dialektal und soziolinguistisch ergiebig, vor allem wenn sie (wie in Kassel [22a] und Frankfurt/Main [23b] und in den bereits erwähnten ehemals dt. Gebieten) soziale Räume und Sprechergemeinschaften abbilden, die im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs untergingen. Der Forscher oder Pädagoge, der solche Aufnahmen präsentieren will, muß damit rechnen, daß dort juristisch und psychologisch heikle Namen oder Ereignisse genannt werden, die bestimmte Menschen(gruppen) verletzen. Soll das Material dennoch präsentiert werden, sind die inkriminierbaren Passagen zu tilgen, sofern Erzählfluß (Syntax) und Kontext es vertragen. Ich habe dies vereinzelt in [22a] und [23b] unternommen; der Hörer bemerkt es nicht, was andererseits als Beleg dienen könnte dafür, daß nicht alles, was heute an "historischen" Tönen durch Rundfúnk und Fernsehen geistert, wirklich vollständig und damit authentisch sein muß. [28] ist eine rein historisch-volkskundliche Betrachtung und ebenso "unpolitisch" wie ein beträchtlicher Teil der insgesamt 300 Aufnahmen des "Lautdenkmals".
WS 16: Beispiele aus wichtigen Sprachlandschaften (Tab. 1)
Nr. kHz Ort / Kreis (Region) Dialekt (=> WIESINGER, Karte 47.4 in HSK 1.2, 830 1a
1b
1c
2a
2b
2c
2d
3a
3b
3c
4
4a
4b.
4c
4d
4e.
5.
5a.
5b
5c
5d
6.
6a
6b
7a
7b
7c.
7d
7e
8a
8b
8c
9a
9b
9c
10a
10b
11a.
11b
11c
12.
13.
13a
13b
13c
13d
14.
15a
15b
16a
16b
17.
17a11h
11*
11*
11*
11*
11h
11h
11*
11*
11*
11*
11*
11*
5
11*
11*
11*
5
11h
11*
11*
11*
11*
11*
11*
11*
11*
5
11
11
11*
11*
11h
11*
11*
11h
11*
11*
11*
11*
11*
11*
5
11*
11*
11*
11h
5
5
11*
5
5Kruppach südl. 92318 Neumarkt / Oberpfalz
Mauern bei 85368 Moosburg
83661 Lenggries (=> 83676 Jachenau)
A-9300 St. Veit a.d. Glan bei Klagenfurt
A-6632 Ehrwald Bezirk Reutte/Tirol
Pfunders bei Brixen
Pladen / I-32047 Sappada (Belluno)
97241 Bergtheim bei Würzburg
Garitz bei 97688 Bad Kissingen
91301 Forchheim bei 90402 Nürnberg
76227 KA-Durlach
72213 Altensteig
72793 Pfullingen bei Tübingen
71696 Möglingen Kr.Ludwigsburg
88161 Lindenberg
86424 Dinkelscherben b. Augsburg
F-68200 Mulhouse (Mühlhausen)s
Oberhomberg bei 88662 Überlingen
CH-4416 Bubendorf (Baselland)
CH-4538 Oberbipp / Bern
52428 Jülich-Lich-Steinstraß
56170 Bendorf / Sayn
54518 Altrich / Wittlich
(zu ergänzen: Kassel + Wolfhagen)
Armsfeld südl. 34557 Bad Wildungen
Großseelheim bei 35037 Marburg
Stockhausen b. 36341 Lauterbach
68649 Groß-Rohrheim
67806 Katzenbach bei Kaiserslautern \_____
und 66969 Lemberg bei Pirmasens /
Estel bei 67466 Lambrecht, Pfälzer Wald
04808 Wurzen bei Leipzig
09669 Frankenberg Krs. 09557 Flöha
09456 Annaberg
Großhain (N' 64,3) bei Waldenburg
Kuhnern (J' 65,10) Krs. Neumarkt
59227 Ahlen-Vorhelm b. Münster i.W.
34508 Willingen
34477 Twistetal-Berndorf
Großbrunsrode bei 38100 Braunschweig
26160 Bad Zwischenahn-Rostrup
St. Annen bei 25746 Heide
(zum Vergleich =>)
26789 Leer (Ostfriesland)
Lindholm bei 25899 Niebüll
23966 Wismar
Pyritz / Langenhagen
Hammerstein / Schlochau (b68,2)
Eisenbarth / Bartenstein (Bartoszyce, V'91,4)
Gumbinnen (Gusew)
Allenstein (Olsztyn)
.Nordbairisch (04/90, SNOB)
Mittelbairisch I (Holledau; => Lage)
Mittelbairisch II (in der Jachenau)
Südbair. I (Österr., Mittel-Kärnten)
Südbair. II (Österr., Tirol)
Südbair. III (Oberit., Südtirol)
Südbair. IV (Oberit., Veneto, Ost-Dolomiten)
Ostfränkisch I (Unterfranken)
Ostfränkisch II (Unterfr.; 5/1995, bearb. 5/2001)
Ostfränkisch III (Oberfranken)
(Süd[rhein]fränkisch, Badisch)
Schwäbisch I (Nordschwarzwald)
Schwäbisch II (Inf. -trinket wie [4d])
Schwäbisch III
Schwäbisch IV (Westallgäu; =>|Mittelalemann.)
Schwäbisch V (=>|Mittelalemann.)
Nieder-Alemannisch: Elsässerdietsch I
Elsässerdietsch II: Zweitspr. eines Frankophonen2a)
Mittelalemannisch (Veith-Sätze 9-11)2b)
Hochalemannisch (Baseldütsch)
Hochalemannisch (Bärndütsch)
Ripuarisch
Rhein[fränk]isch (Übergangsgebiet)
Moselfränkisch II (günn = werden)
Nordhessisch I
Nordhessisch II (6/85); vgl. 35066 FKB-Geismar3)
Zentralhessisch I (6/1991, bearb. 5/2001
Osthessisch
Südhessisch
_/ Pfälzisch I (2 Aufnahmen,
\ 12. u. 20.4.2001)
Pfälzisch II (6/1991, bearb. 5/2001)
Obersächsisch I
Obersächsisch II
Obererzgebirgisch
Niederschlesisch I
Niederschlesisch II
Westfälisch I (Münsterländisch)
Westfäl. II (Waldeckisches Upland)
Westfäl. III (Waldeck, Twistetal)
Ostfälisch (=> Literatur)
Nordniederdeutsch (Ammerländisch)
Nordnd. (Dithmarsisch; vgl. Klaus Groth)
Niederländisch4)
Nordnd. (Ostfriesisch)
Nordfriesisch
Mecklenburgisch-Vorpommersch
Mittelpommersch
Ostpommersch (zur /k/-Lautung vgl. [18]
Niederpreußisch I
Niederpreußisch II (Ostpreußen)
Hochpreußisch; dazu das ostpreußische Gedicht
"Pilze" von Alfred LAU
Auslandsdeutsche Mundarten (Tab. 2)
18a.
18b.5
11Winnipeg / Manitoba
Gnadenhutten / OhioMennoniten-Plautdietsch, Aufn. WN, Marburg 1986, Bearb. 8/98
Pennsylvania German I, Aufn. WN, Marburg 26.4.2001
Weitere Proben (Tab. 3)
19.
20.
21.
22.
22a.
23.
23a.
23b.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.5
3
3
5
5
5
5
5
5
5
5
11
5
5
2.5
5
5
5André Weckmann, Kurzgedicht
"Der Münchner im Himmel"
"Der Dienstmann"
Jürgen von Manger: Die Heiratsvermittlung
Eine Saalschlacht (1930)
"Nor kaan Fremde"
Kurt Sigel, Umweltbetrachtung
Historische Betrachtung
Peter Kuhweide, Kurzgedichte
Dialog (w,w) in 2 Mundarten
Walter A. Kreye, Gedichte
34508 Willingen / Waldeck
Erzählung aus 71706 Markgröningen
86911 Dießen / Ammersee
CH-6247 Schötz bei Luzern
26683 (Saterland-)Ramsloh: Dialog
Bollingen Gde. Strücklingen
I-28030 MacugnagaUnterelsässisch (vgl. oben [5])
Bairisch (München; bearb. + gekürzt WN '99)
Bair.-Österreichisch: Wien
Umgangssprache des Ruhrgebiets
Nordhessisch: Kassel (1937)
Alt-Frankfurter Hessisch (Volkstheater)
Neu-Frankfurter Umgangssprache nach 1945
Frankfurter Stadt-Mundart vor 1945 (1937)
Westfälisch (mit R-Metathese darf > draf)
Mittel- u. Niederdeutsch (Stereo, Aufn. WN 1985)
Niederdeutsch
Dialog: Das Schlachten (Westfäl. im Upland, 10/86)
Schwäbisch (1937)
(UG Bayer.-Schwaben: über das Fischen; 1937)
Hochalemannisch (Narrow-Band-Versuch; a. meiner CD)
Saterfriesisch I (1937)5)
Saterfriesisch II (Archiv DSA; Bearb. WN 2/2001)
Höchstalemannisch, Aug. Pala 9/73 (Aufn. + Bearb. WN.)
Sofern nicht die laufenden Nrn. in Spalte [1] markiert sind, liefern
die jeweils fettgedruckten Orte abspeicherbare
*.ra-Formate.
3b, 4c, 5a, 6b, 7b,c,e; 8a-c, 11b+c, 13a, 18a+b, 25,
27 [neu ausgewählt u. bearb. 5/2001],
33 = Original-Aufnahmen W. Näser; die in Tab. [1]
unterstrichenen lf. Nrn. stammen aus L. M. WEIFERTs
Schallplattenreihe und wurden wie die übrigen Fremdbeispiele von mir
mit eigenem Equipment neu bearbeitet und encodiert.
[22a],
[23b],
[28] und
[31] wurden redaktionell gekürzt;
* = mit Dynamik-Kompression, h = mit Hiss Reduction encodiert
----------
1) Einem mir im April 2001 überraschend mitgeteilten
Vorhaben einer Veröffentlichung des Corpus sollen die von mir
ausgesuchten und bearbeiteten Proben nicht vorgreifen.
2a) Fabrice Reinle, 30.10.96 (Aufn. W. Näser,
bearb.)
2b) Aus diesem schmalen Dialektraum stand mir nur eine
DSA-Probe zur Verfügung; statt der Wenker-Sätze wurden die
Veith-Kurzsätze abgefragt, deren
# 9-11 wesentliche Elemente des WS 16 enthalten. Den Charakter des
Mittelalemannischen (Lautung, Intonation) möge meine
Collage der Veith-Sätze
19,20,22,24,26,30,35,39,40,41 erhellen, die ich (am 5.5.2001) von derselben
Sprecherin erstellt habe.
3) alleene wie im Berlinischen und
(Nieder-)Schlesischen (auch in einer DSA-Probe aus 35119 Rosenthal
[K'20] bei Frankenberg/Eder); typisch: genünk 'genug' (so auch
in Bottendorf südl. 35066
Frankenberg, das von P. WIESINGER zum Übergangsgebiet
zwischen Nord- und Mittelhess. gerechnet wird)
4) Probe [13b] charakterisiert
Andre COSYNS aus B-9400 Ninove (per E-mail v. 7.1.2001) als
"hochniederländisch" und verweist dabei auf die an der Universität
Wien angesiedelte Seite zur
"Vielfalt des Mittelniederländischen"
5) Hierzu lieferte Pyt
Kramer, langjähriger Bearbeiter des Neuen saterfriesischen
Wörterbuchs, dankenswerterweise
eine Transkription
(eingegangen 23.12.2000)
Wird ergänzt. (c) Wolfgang Näser, Marburg * Stand:
5.5.2001