Nachstehende Notizen beleuchten meine Amateurfunk-Tätigkeit in den Jahren 1966 bis 1973; aus heutiger Sicht führte sie zu wertvollen Erkenntnissen, die - so seltsam das auf den ersten Blick scheinen mag - sich auch für den strukturell-taxonomischen Teil meines Studiums und die Arbeit im Uni-Sprachlabor verwerten ließen. Neben seiner bastlerisch-ingenieurmäßigen (Sender- /Empfängerbau) und sozialen (grenzüberschreitende Kommunikation, Toleranz, sportliche Fairness) Seite bietet der Amateurfunk nämlich wertvolle Einsichten in kommunikationstheoretische und medienspezifische Phänomene und damit die Möglichkeit, philologisches Studieren und Lehren durch technische Aspekte zu bereichern.

[1] (aus einem Brief von 1972:) "Ich bin seit Anfang November 1966 qrv und begann meine Amateurfunktätigkeit mit einem selbstgebauten AM-Sender (A/G2-Mod.) mit 60 W Input und einem WS 19 MK III als Rx. Mit dieser Ausrüstung, die nach und nach immer wieder leicht verbessert und durch einige kleine Zusatzgeräte ergänzt wurde, konnte ich über 5.000 QSOs fahren. Als es noch gestattet war, habe ich auch als Relais-Station 2m/80m gearbeitet und die 2m-Stns per Kabel und Mischpult übertragen. Zwischendurch arbeitete ich mit einem home-made-Dreifachsuper, der sich aber aufgrund der schlechten Qualität des NORIS-Doppelsupervorsatzes nicht sehr im harten Stationsbetrieb bewährte [...]. Zeitweise benutzte ich ein stark umgebautes Telefunken-Tonbandgerät KL 65 S als zusätzlichen Modulator-Vorverstärker und hatte zuletzt eine 9stufige Mod. mit Dynamikkompression. Ende 1970 schaltete ich eine Linearendstufe mit 2mal 811 A hinzu und arbeitete mit 500 Watt Input in AM. Anfang 1971 erwarb ich einen Frequenzmesser "BC 221 AE" und verwendete ihn nach geringfügigen Änderungen (Einbau einer Buchse SO 239 u.a.) als externen VFO für meine AM-Station. Das ging ausgezeichnet - mit bester Stabilität und genauester Frequenzablesung (Eichbuch!). Ab Frühjahr 1971 arbeitete ich mit einem zusätzlichen externen Dynamikkompressor (ein altes US-Gerät, das ich weitere 5 Röhren (4 NF-Mischeingänge) erweitert hatte und noch heute als NF-Vorverstärker, hauptsächlich für RTTY-Empfang, betreibe). Den AM-Betrieb setzte ich bis Ende 1971 fort. Insgesamt arbeitete ich in AM rund 5.500 Stationen, bis auf ca. 1/5 auschließlich mit SSB-Amateuren als Gegenstationen. Eine sehr schnelle und präzise Betriebstechnik ergab sich dabei durch Demodulation der empfangenen Stationen mittels des Sender-VFOs. Es gelang mir, schwächste AM-Gegenstationen mittels Überlagerung durch den Sender-VFO aus dem QRM herauszufischen. Ich stellte fest, daß durch Überlagerung (Zero Beat) zwar das QRM weitgehend verschwand, der Nachrichteninhalt (der Seitenbänder) besser, wenn auch ein wenig leiser, "durchkam". [...] Die Empfangs-Trägerüberlagerung hat gegenüber der ZF-Überlagerung den Vorteil, daß infolge Empfängeroszillator-Unstabilität ruhig das Signal etwas driften kann, ohne daß sich die CW- oder SSB-Tonhöhe oder die AM-Schwebung (s.o.) verändert, wenn nur der zur Überlagerung verwendete Frequenzmesser hinreichend stabil ist. Seit Anfang Juli 1971 arbeite ich in SSB, und zwar mit einem von mir ziemlich modifizierten HW 100 und einem Eigenbau-Netzteil, zusammen mit der Linearendstufe mit 2mal 811A (Input max. ca. 750 W PEP), dahinter ist eine selbstgebaute Pi-Filter-Matchbox, die Antenne ist nach wie vor die W 3 DZZ. Aus Teilen meines zerlegten ehemaligen AM-Senders baute ich mir einen [externen] 45-Watt-Anodenmodulator mit 2mal EL 34 und modulierte damit in einigen Versuchs-QSOs die PA meines HW 100, machte also damit echte AM. Dafür erhielt ich ufb Rapporte, u.a. aus Dresden 5 und 9. Wie Stationstagebuch Nr. 6 verrät, kam es bereits am 19.8., also nur anderthalb Monate nach Inbetriebnahme, mit dem "HW 100" zu einem ersten Zweiweg-AM-QSO mit der Dessauer Station DM2ANH, am 20.8. wurde DM3RAA in Rostock und am 22./23.8. noch DL6NN und DJ6VN gearbei tet. [...] Bei dieser AM wurde der hochohmige Trafoausgang des Verstärkers in die Anoden-Leitung der Transceiver-Endstufe "geschleift". Empfangsmäßig mußte ich Änderungen im Trägeroszillator-Baustein vornehmen und diesen so schalten, daß in der AM-Position der CW-Quarz aktiv war, was andererseits eine [für Audio] zu schmale ZF-Durchlaßkurve bedeutete, deshalb wurde das Quarzfilter mit einer winzigen Überbrückungs-Kapazität "verschlechtert". Sendemäßig wurde die PA auf C-Betrieb geschaltet, um längeren Dauer-Output im Oberstrich verkraften zu können. Nach den erwähnten QSOs kam es leider zu einem Kurzschluß im PA-Anodenkreis: die sich den etwa 700 Volt überlagernde, hinzuaddierende Modulationsspannung ließ einen Abblock-Kondensator "durchschlagen". Als Mike verwende ich zur Zeit [1972] ein kleines dynamisches PTT-Mike, habe aber auch in vielen QSOs bereits Kristall- und andere dyn. Mikes benutzt, u.a. mit bestem Erfolg Posthörkapseln. Mit der in 8m Höhe über eine Straße hinweggespannten und unsymmetrisch eingespeisten W 3 DZZ habe ich bei 60 W Input in AM auf 80 m Nordirland, Leningrad, Lissabon, Rumänien, Jugoslawien, Italien, ganz Skandinavien und viele Stationen aus ganz DL und DM gearbeitet und später in SSB auf 20 m Nord- und Südamerika und Japan erreichen können. Seit Anfang März 1972 besitze ich die Zusatzgenehmigung für Amateurfunk-Fernschreiben (RTTY) und arbeite zunächst empfangsmäßig mit einem Siemens 37 i und einem Konverter CV 305. Im Bau ist ein AFSK-Generator und zu realisieren ist noch eine elektronische Drehzahlumschaltung der Maschine auf 45 Bd auch bei Sendebetrieb. Ich habe in RTTY Amateure auf 80m aus SM, PA und DL sowie DM aufnehmen können. Leider habe ich in der letzten Zeit infolge QRL (Dissertation) sowie der technischen Einrichtung der Station und infolge Gerätebaus nicht mehr viele QSOs fahren können, bleibe aber QRV für die Arolser Runde (F 01) jeden Sonntag auf 80m ab 11.00 MEZ auf ca. 3.63 MHz. [...]

[2] Wie im oben zitierten Brief erwähnt, erhielt ich von einer Darmstädter Firma (Rosenkranz Elektronik) einen RTTY[=Funkfernschreib]-Konverter; das sehr schwere Gerät wurde mit einem LKW herangekarrt. Zu Hause in Arolsen hatte ich es schon bald in Betrieb genommen; auch der "CV-305 U" blieb nicht lange unmodifiziert: die Schalt-Endstufe wurde mit selbstgefertigten Adaptersockeln von (4x) 6V6 auf EL 86 (bzw.EL84) umgestellt und die stromfressenden Gleichrichterröhren gegen Si-Dioden getauscht. Das oben und hinten offene 19"-Einschubgehäuse erhielt ein solides Holz-Dach und einen perforierten Pertinax-Rücken. Ich hatte schnell gelernt, den CV305 so exakt auf Mark und Shift einzustellen, daß auf dem Oszillografenbildschirm zwei sauber gezeichnete, 90 Grad versetzte Ellipsen abgebildet wurden, das "typische" RTTY-Konvertersignal. Folgerichtig wollte ich in RTTY bald auch sendemäßig qrv werden, die befristete Post-Sonderlizenz lag ja vor. Apparativ gesehen fehlte nur noch der sog. AFSK-Generator, eine Art Tongenerator, der beim Senden im sogenannten Narrow-Mode zwei exakt um 170 Hz differierende Tonfrequenzen erzeugt, die innerhalb des 5-Bit-ASCII-Zeichenmodus wechselweise den Sender-Mikrofoneingang aussteuern müssen zur Erzeugung der RTTY-Modulation.

[3] Mit einem [...] in Kassel gekauften CTR-Tongenerator (noch heute vorh.) ermittelte ich durch Hör-Vergleiche als sog. Space-Frequenz etwa 1.000 Hertz, das Mark-Signal lag 170 Hz höher. Der AFSK-Generator mußte also mindestens diese beiden Tonfrequenzen sauber und stabil erzeugen und in schneller Folge zwischen ihnen hin und herschalten können, letzteres sollte bei rein mechanischem RTTY-Betrieb am besten durch ein schnelles Relais erfolgen in der 40-mA-Linienstromschleife zwischen Blattschreiber und Konverter. Zum Glück verfügte ich über einige schnelle BABCOCK-Steckrelais für sog. Pico-7-Röhrensockel, und im Valvo-Brief April 1967 gab es den Schaltungsvorschlag eines nur eintransistorigen, mit BC 108 bestückten Phasenschieber-Sinusgenerators für 1 kHz, den ich bereits gebaut und als Normalton-Generator meinem Entzerrer einverleibt hatte. Es gelang, mit einem selektierten Babcock-Relais eine kritische Kapazität im Phasenschieber-Netzwerk so umzuschalten,daß die beiden Töne herauskamen, und ich lernte, daß das Relais am sichersten arbeitete, wenn seine Erregerwicklung mit einem Widerstand überbrückt wurde derart, daß die am Widerstand bei etwa 40 mA Linienstrom abfallende Spannung ausreichte, um die Erregerwicklung optimal schnell anzusprechen, ohne sie über Gebühr zu belasten.

[4] Der Blick ins Stationstagebuch Nr. 6 belehrt mich, daß das Ganze nicht so schnell gegangen ist. Es dauerte bis zum 15.10.72, bis das erste RTTY-Zweiweg-QSO zustandekam, und zwar mit DA 2 XA/p, dann folgte, ebenfalls auf 3.6 MHz, die bekannte Station DJ8BT, ich erhielt von diesem schon damals nach allerhöchstem Standard arbeitenden OM gute 5/9/9 für meinen nur eintransistorigen AFSK-Generator! Damals befand ich mich im letzten Quartal, in der Endphase meiner Promotion, dennoch folgte jetzt noch eine dichtgedrängte, bunte Reihe von immerhin 79 RTTY-QSOs bis zum 10.12., nur zehn Tage vor dem großen Ereignis.

[5] Mit der im Mai 1973 in den Fiat 128 eingebauten Mobil-Station (siehe auch Foto oben) war zunächst keine Verbindung zustandegekommen. Schon am nächsten Tag schalte ich ein SWR-Meter in die Antennenleitung und entdecke, daß die Mobilantenne so gar nicht abstrahlen kann, weil das SWR weit schlechter als 1:3 ist. Im "Radio Amateur`s Handbook", 42nd edition (Jg.1965) der ARRL [...] lese ich etwas von einem sog. Kapazitiven Hut, einer sog. Dachkapazität, mit der man zu kurz geratene Mobilantennen auf längere Betriebsfrequenzen "trimmen" kann. Das werde ich versuchen, denn meine Hustler scheint für amerikanische Verhältnisse bemessen, dort liegt das Fonieband zwischen 3.8 und 4.0 MHz, also 200 kHz höher, und das ist viel für eine recht schmalbandig arbeitende Mobilantenne. Ein großes dreispeichiges SKALENSEIL-Rad aus meinen Bastelbeständen bohre ich so auf, daß ich es oberhalb der 80-m-Ladespule festschrauben kann. Mit dieser Anordnung gelingt mir das erste Kurzwellen-Mobil-QSO am 23.5.1973 gegen 11.30 GMT auf 3.754 MHz mit DL 0 MK/p, dessen Operators Wolfgang, Fritz und Horst-Dieter auf 145.0 MHz antworten. Am Abend dann, auf der Rückfahrt nach Arolsen, kommt es zu den ersten vier Zweiweg-Mobilverbindungen mit DL6FN (Bad Driburg), DK1SD (Vluyn bei Duisbg.), DK9GK (nr. Freiburg/Breisgau) und DL9AH [...]. Die ersten DX-QSOs gelangen DK1KI/m am 15.9. 1973 auf 20 m mit WB2HPV (New Jersey), K4CX (North Carolina) und W9BNH (Danville, Ohio). Am 23.6. hatte ich bereits die ersten rund 130 Kurzwellenverbindungen aus dem (meistenteils fahrenden) Auto heraus abgewickelt und dabei an Ländern DM, OK1, PA0, I3, G3, CT3, SP8, SV1, SM5, YO3, UK5, ON5, IT9, HB9, GM3, SL3, F9, UK5, UA6, LA6, UK2, UI8, UA1, GW4, YU2, SP5 und OK2 erreicht. Als Mikrofon verwendete ich vorerst das keramische "hand held" MC- X. Man muß bedenken, daß eine sog. Ground Plane oder Marconi-Antenne, also ein senkrechter Stab, auf 80 m immerhin ein Viertel der Wellenlänge benötigt, also eine Länge von rund 20 m, während die Kfz-Mobilantenne wegen der StVZO nur rund 3 m lang sein darf. Um die "elektrische Wellenlänge" von 20 m zu realisieren, benötigt man eine sog. Ladespule, und die ist bei der "Hustler" etwas oberhalb der Mitte angebracht, um einen Fußpunktwiderstand von rund 50 Ohm zu erreichen, damit ein Transceiver über ganz normales Koaxkabel direkt angeschlossen werden kann und zusätzliche, energiemordende Anpaßtrafos überflüssig werden. Daher bedeutet es eine besondere Leistung, mit nur rund 50 Watt P.E.P und einer 3m langen Mobilantenne ein sauberes 80-m-QSO mit UA 1 (Leningrad) abzuwickeln. Neben dem Funkfernschreiben habe ich somit einen neuen, sehr ernsthaft betriebenen Amateurfunk-Schwerpunkt, in dem ich es ebenfalls zu einer Art Spezialistentum bringe. Schon wenige Monate später werde ich ein System aus aufsteckbaren Alu-Rohren ersinnen, mit dem das gesamte 80-m-Band bei einem SWR unter 1:2 bestrichen werden und der Antennenwirkungsgrad verbessert werden kann. Und später werde ich hinten im Kofferraum eine große 140-Ah-Zusatzbatterie unterbringen, einen stationären Akku von HOPPECKE, ich werde ein zweites Amperemeter einbauen in den Ladekreis der Zusatzbatterie und in der Lage sein, etwa drei Stunden lang im Stand auf Kurzwelle QRV zu sein. Ich werde auf jeder Heim- bzw. Rückfahrt mindestens drei bis vier verschiedene Mobil-QSOs fahren, viele nette Menschen kennenlernen, viele Experimente machen und vieles Neue dabei lernen.

[6] Der 3.6.73 wird zu einem besonderen "Mobil-Tag": nicht weniger als z w a n z i g QSOs. Ich nehme teil an einer Betreuungsfahrt für Spätheimkehrer, wie sie einmal pro Jahr veranstaltet wurden. Hinten im Fond zwei ältere Menschen. Mit seiner Polizei-Eskorte setzt sich der lange Konvoi in Marsch Richtung Kellerwald, wo wir in der Nähe Wildungens den Nachmittagskaffee in einem gemütlichen Lokal einnehmen. [...] An jenem Spätnachmittag treffe ich auf 3.65 MHz zwei DM-Stationen, DM2CXN aus Werdau und DM2CDM aus Leipzig. Vorher habe ich auf 20 m IT9 (Sizilien), HB9 (Schweiz), GM3 (Schottland), SL3 (Schweden) und zweimal I2 (Norditalien) erreicht. Beim 80-m-Betrieb ist die New-Tronics-Hustler bewehrt mit dem auffälligen "kapazitiven Hut", das erbringt Empfangsrapporte zwischen 5/6 und 5/8, womit ich mehr als zufrieden sein kann. Als ich zwei Tage später um 20.35 GMT auf 20 m UA6BZ in Novosibirsk erreiche, ist endgültig klar, daß ich eine leistungsfähige Mobilstation besitze.

(c) W. Näser, DK1KI, 14.7.1996 * neues Layout + Foto: 22.2.2002