Dr. Wolfgang Näser: Wörter und Wendungen in aktuellen deutschen Zeitungstexten * SS 1998

Text 4:

Alice Schwarzer: "Über Frauen dürfen Witze gemacht werden"
Emma-Herausgeberin hält Laudatio auf Harald Schmidt: "Gnadenlos guter Komiker"

von Michael BIERMANN  (OP, 11.5.1998)

Wiesbaden. Die Verleihung des Medienpreises für Sprachkultur wurde in diesem Jahr zur Harald-Schmidt-Show.
Ein paar politisch unkorrekte, aber entlarvende Scherze, ein bißchen Klamauk und augenzwinkernde Selbstironie liefert[e] Schmidt am Samstagabend in Wiesbaden in seiner Dankesrede für den Preis ab, den ihm die Gesellschaft für deutsche Sprache zuerkannt hatte. Das alles kam in freier Rede und dennoch in Worten, die oft in mehrfacher Hinsicht treffend gewählt waren. Gut aufgelegte Mitakteurin war Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer mit ihrer Laudatio.

Zu Form und Inhalt seiner Arbeiten räumte Schmidt ein, Inhalt sei nicht seine Sache. Er habe zunächst überlegt, ob er in seiner Dankesrede Inhalt "antäuschen" solle, um seine Kritiker zu überzeugen. Damit hätte er sich aber auf dünnes Eis begeben. Er rede frei, denn auch wenn er abgelesen hätte, hätte er kein Konzept gehabt. Bei der Schilderung seines Werdeganges merkte er an, er habe zu jenen Schülern gehört, "die wo gut in Deutsch sind". Seinen Dank für den Medienpreis verband er mit der Bemerkung, das sei mutig gewesen. Es habe Ärger gegeben - und PR. Auch Alice Schwarzer berichtete von Ärger: Der Gesellschaft sei Opportunismus vorgeworfen worden, weil sie einen Prominenten der Vergnügungsgesellschaft gewählt habe, damit ein bißchen was los sei in Wiesbaden. Von Skandal und Provokation sei die Rede gewesen, und selbst die Schmidt-Fans in der Emma-Redaktion hätten bedenklich gehüstelt. Schwarzer bekannte, sie verstoße gegen "Political Correctness", indem sie Schmidt lobe. Selbstverständlich dürften über Polen und Frauen Witze gemacht werden, sagte Schwarzer. Witze könnten die Augen öffnen, nichts sei so entlarvend wie ein treffender Witz. Und in jedem Klischee stecke auch ein Körnchen Wahrheit. Schmidt irritiert nach Ansicht der Emma-Herausgeberin mit seiner geistigen Unabhängigkeit: "Schmidt kennt keine Loyalitäten, nur die Loyalität zu sich selbst." Dabei sei er nicht nur ein gnadenlos guter Komiker, sondern auch ein gnadenloser Aufklärer und Moralist.

Die Vergabe des Medienpreises stand im Zeichen der Frage, ob eine politisch korrekte Sprache Sinn macht, die krampfhaft versucht, niemanden mit Worten zu diskriminieren. Das führt nach Ansicht des Festredners und Journalisten Laszlo Trankovits dazu, daß ganze Problemkreise nicht mehr angemessen in den Medien vorkommen (dpa).

[HTML-Transkript + Bearb.: W. NÄSER 15.05.98]

Aufgaben: siehe Texte 1, 2, 3; achten Sie besonders auf die idiomatischen Wendungen!

Alternativ zur Thematik:
- Lob für den Ungleichmacher, FR 11.5.98
- Harald Schmidt erhält Preis für Sprachkultur, Berliner Morgenpost 11.5.98
- Harald Schmidt erhält Medienpreis für Sprachkultur, Rhein-Zeitung 11.5.98