Deutsche Landes- und Kulturkunde * Dr. Wolfgang Näser * WS 2007/08
Themenschwerpunkt "Frauen in Uniform"
Daten und Argumente zum freiwilligen Dienst von Frauen mit der
Waffe in den
deutschen Streitkräften und zum Einsatz deutscher Soldatinnen
und Soldaten
in Krisengebieten
Wolfgang Näser, Marburg, November 2007 ff.
Je ne partage pas votre opinion, mais je défendrais jusqu’à
la mort votre droit de l’exprimer.
Voltaire
(1694-1778)
VORBEMERKUNG. Angeregt von Hauptmann (jetzt: Major) Katja Roeders exzellentem Gastvortrag in einem von meiner Tochter geleiteten ethnologischen Seminar, konzipierte ich zunächst einige erklärende Zeilen und ergänzende Links zur Vorbereitung einer (Mitte November 2007 gehaltenen) allgemein informierenden Themensitzung meiner "Landeskunde"; Frauen in Uniform sind mittlerweile ebenso Bestandteil deutschen Lebens wie etwa Energie aus sich erneuernden Ressourcen und rechtlich gleichgestellte Homo-Ehen. Daß eine Frau in Uniform nicht unbedingt eine Soldatin sein muß, dürfte klar sein. Hier geht es in erster Linie um Frauen, die sich eine Uniform anziehen, um als Soldatin mit der Waffe zu kämpfen.
Aufgrund einer Weigerung, in meiner "Landeskunde" die Möglichkeiten von Frauen in der Bundeswehr zu skizzieren, habe ich danach eigenständig weiter recherchiert und versucht, mich dem Thema von verschiedenen Seiten aus zu nähern und auch der politischen Lage Rechnung zu tragen. Es zeigten sich immer wieder neue Details und ergaben sich Argumentationslinien, die es einzuarbeiten und zu verfolgen galt.
Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte haben Frauen dafür gekämpft, mit der Waffe in den Krieg ziehen und kämpfen zu dürfen, sich bemüht um eine Gleichstellung, die sich von allen anderen unterscheidet, in einem Bereich, der, um dies zu verdeutlichen, näher zu beleuchten und zu beschreiben ist. Hinsichtlich der Auslandseinsätze beschränke ich mich auf die zur Zeit aufwendigste und gefährlichste Unternehmung, den seit dem 7. Oktober 2001 geführten "neuen" Krieg in Afghanistan. Daß hier, auf dem "Friedhof der Supermächte" (SPIEGEL 4/2010), einer der Keime zu einem weltweiten, unerbittlichen Glaubenskrieg gelegt wird, haben die meisten Politiker wohl noch nicht begriffen, werden es aber - samt den von ihnen vertretenen Völkern - noch schmerzhaft erfahren. Den - im Angesicht von Krieg, Gewalt und Tod irrelevanten - Vorwurf meiner Tochter, ich verträte hier ein "essentialistisch-differenzfeministisches" Frauenbild - wo doch Frauen "vor allem Menschen" seien, ertrage ich mit Fassung; mir würde es auch nichts ausmachen, nach neuester Facebook-Art meine Worte als "Gutmenschen-Geschwafel" abklassifizieren zu lassen. Da es sich auch nach der Umwandlung der Bundeswehr zur Berufsarmee und dem im Frühjahr 2013 begonnenen (aber sehr langfristigen) BW-Rückzug aus Afghanistan nach wie vor sowohl um ein landeskundliches wie um ein sozialwissenschaftlich relevantes Thema handelt, werde ich meine Arbeiten an diesem Text fortsetzen.
Der mit erschreckendem Realismus und größtmöglicher Authentizität realisierte, in vieler Hinsicht einzigartige, am 29. November 2009 ausgestrahlte "Polizeiruf 110" mit seinem Porträt der Soldatin Ulrike Steiger steht nun im Mittelpunkt und wird - mit seiner ausführlichen Darstellung - genau zeigen, worauf es hier ankommt.
Ist zwîvel herzen nâchgebûr, das muoz der sêle werden sûr (quälen Zweifel das Herz, hat es die Seele schwer), heißt es am Beginn vom "Parzival" Wolframs von Eschenbach (13. Jhd.). Zweifeln aber ist der Antrieb jeder Wissenschaft auf der Suche nach Wahrheit. Als jemand, der, damals noch mitten im sog. Kalten Krieg, selbst einmal 18 Monate Grundwehrdienst ableistete und auch aus diesem Erleben heraus die Bundeswehr bejaht, habe ich es mir nicht leicht gemacht. Auch will ich hier keineswegs die Bundeswehr diffamieren; ich habe Soldaten und Offiziere kennengelernt, die mit ihrer Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft und absoluten Integrität jederzeit als Vorbilder dienen können.
Mein Text ist unbequem - wie könnte es bei dieser brisanten Thematik auch anders sein; er ist provokatorisch - ich erwarte Antworten; er ist nicht politisch korrekt - eine solche "Korrektheit" würde im Sinne einer situationsabhängigen Meinungs-Diktatur jede Art von kritischer Diskussion im Keime ersticken. Auch bitte ich um Verständnis, daß die folgenden Ausführungen nicht als abgeschlossen gelten können (und die aktuellen Einschübe nicht immer der Chronologie entsprechen); ich bin sehr dankbar für (klärende) Hinweise und Ergänzungen seitens derjenigen, die sich mit dem Thema befassen (wollen). Wie jüngst (Herbst 2009 und später) festgestellt, werden von betroffenen Institutionen immer mehr Links gelöscht und deren Inhalte somit unzugänglich gemacht; einige Domains wurden mit abwegigen Inhalten versehen. Sollte ich andere Löschungen und Änderungen übersehen haben, bitte ich um Nachsicht (und Hinweise!). Tagesaktualität kann ich nicht bieten, möchte lediglich zum Nachdenken anregen.
"Nicht zu glauben, wie weit Politiker gelegentlich in die Zukunft schauen können. Sie haben jetzt schon ausgerechnet, daß infolge des Geburtenrückgangs Ende der 80er Jahre nicht mehr genug Männer zum Wehrdienst einberufen werden können. und deshalb muß etwas geschehen. Merkwürdig - von der Ölkrise haben sie sich überraschen lassen, von der ersten und von der zweiten. Und es geschieht noch immer nichts. Aber: Öl und Wehrdienst sind eben zwei Paar Schuhe. Beim Wehrdienst für Frauen geht es um die Gleichberechtigung, na logisch! Es gibt schließlich nicht nur die Pflicht, den Heldentod zu sterben, es gibt ein Recht darauf, und davon dürfen die Frauen nicht länger ausgeschlossen bleiben.
Es hilft Ihnen nicht, meine Damen, wenn Sie sagen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit wäre Ihnen lieber; Sie hätten die Entwicklung kommen sehen müssen. Kaum hatten wir die Entwicklungsländer von der Notwendigkeit der Geburten-Kontrolle überzeugt, da begann man bei uns selber, den Geburten-Rückgang zu beklagen. Wenn Papa mal Opa ist, kriegt er nur noch die halbe Rente! Als ob weniger Menschen nicht auch weniger verbrauchen würden. Sehen Sie: diese Art von Logik hätte Sie hellhörig machen müssen. Für irgendetwas werden die vielen Kinder schon gut sein, hätten Sie sich denken sollen. Und Sie hätten sie in die Welt setzen sollen. Dann, meine Damen, hätte es nie eine Debatte um die Gleichberechtigung der Frau beim Wehrdienst gegeben. Allerdings hätten Sie auch nie so unverblümt gesagt bekommen, wozu Ihre Kinder gebraucht werden."
Horst Walter: Wehrdienst für Frauen. Transkribiert aus: Glossen, Reportagen, Fundsachen aller Art (...), BR 1, 26.4.1980, 15.03 ff. (Tonaufzeichnung in meinem Archiv, WN)
Noch
vor nicht
allzulanger Zeit gab es in Deutschland keine mit der Waffe
kämpfenden
Soldatinnen. Selbst im
Zweiten
Weltkrieg
dienten Frauen nur im Sanitäts- und Fenmeldewesen
(mein
Foto rechts: Nachrichtenhelferin;
Aeronauticum
Nordholz
2003) sowie
(ab
1943)
als Flakhelferinnen an den Scheinwerfern der
Flugabwehrstellungen
(Ausnahmen: die begeisterte
Fliegerin Beate
Uhse überführte im Range eines Hauptmanns der Luftwaffe
militärische Maschinen; die geradezu fanatische Pilotin
Hanna
Reitsch teste militärische Flugzeugmuster und flog sogar
eine
bemannte Versuchsversion der V 1, beide kämpften jedoch
nicht
mit der Waffe). In der (hierzulande verbotenen) britischen
TV-Sitcom
"Allo-allo"
(hier
Näheres)
ist die attraktive, von Kim Hartman gespielte
Helga
Geerhart ("the flower of German womanhood") eines der nach
einem
Uniform-Abzeichen benannten "Blitzmädels".
Auch nach
Gründung
der
Bundeswehr (1954/55) gab es Soldatinnen zunächst nur im
Sanitäts- und
Militärmusikdienst.
Am 1. Oktober 1975 begrüßte Verteidigungsminister
Georg
Leber
die ersten fünf Ärztinnen der Bundeswehr. Die hübsche
Tina
Ruland
("Manta,
Manta") verkörperte als Tochter des Flottillenadmirals
Schefer
in scheinbar idealer Weise eine Stabs-(Zahn-)Ärztin in der
damals
beliebten TV-Serie
"Nicht
von schlechten Eltern"
(1993-1996)1).
Ähnliches gilt für die von
Catherine
Bell gespielte, ebenso attraktive wie intelligente Lt. Col.
Sarah
MacKenzie ("Mac") in der auch hierzulande oft
ausgestrahlten, vor
Patriotismus triefenden US-Propagandaserie
"J.A.G."
(Judge
Advocate General).
Tanja läßt kämpfen
Angeregt von der Tätigkeit ihres damaligen Freundes, möchte die
damals 19jährige
Auszubildende Tanja
Kreil als Waffenelektronikerin zur Bundeswehr, wird jedoch
aufgrund der
Gesetzeslage vom zuständigen
Wehrdienstberater abgelehnt und wendet sich
dann "wild
entschlossen" an den
Bundeswehrverband.
"Die Soldatengewerkschaft, die das Berufsverbot für Frauen schon
lange
auf dem Kieker hatte, war auf der Suche nach jungen klagewilligen
Frauen",
heißt es in einem
"Emma"-Bericht.
Drei Jahre später (= ein Jahr nach dem
Kosovo-Krieg) kommt ihre
Klage
vor den
Europäischen Gerichtshof und wird im
Januar
2000
positiv beschieden; als "Drucksache 14/1728
neu"
(=Gesetzentwurf der FDP-Fraktion; Link gelöscht!) wird am
27.10.2000 vom Bundestag beschlossen (Link gelöscht!), Art.
12a
des
Grundgesetzes
zu ändern und Frauen in der Bundeswehr zum Dienst an der Waffe
zuzulassen. Die streitbare Tanja sehen wir nun nicht etwa bei den
Soldaten, sondern in einem zivilen Job bei Siemens
und vernehmen
das ungeheuer tapfere Lippenbekenntnis, sie habe das damals "nicht
nur für
sich" getan, "sondern auch für viele andere Frauen". Auf den
Dienst
an der Waffe, heißt es in dem Bericht weiter, sei sie "gar nicht
so
erpicht" gewesen. Aber wenn der nun mal zum Job dazugehöre, dann
habe
sie nichts dagegen. Schon gar nicht im Namen der "Natur der Frau".
Und: es
sei ihr doch lieber, "ein Gewehr in der Hand zu haben als im
Notfall blöd
dazustehen".
Neue Möglichkeiten
Normalerweise, das ist klar,
hätte
eine um die zwanzig Jahre alte Frau nicht die geringste Chance,
gegen einen
Staat zu klagen (wer trägt die Kosten?) und auch noch zu
gewinnen. Doch der naiv-spätpubertäre Eigensinn der
"nie als Mädchen erzogenen", noch lebensunerfahrenen, in ihren
Zitaten
(s.u.) geradezu kindlich-naiven Tanja Kreil wurde mitgetragen
und
instrumentalisiert von einer augenscheinlich mächtigen
Lobby. Über deren Motive läßt sich rätseln, vielleicht
waren auch wirtschaftliche dabei. Sie gewann, die Entscheidung
schien
überfällig. Den Frauen stehen nun alle Tätigkeiten und
Laufbahngruppen der Streitkräfte offen. Sie dürfen nun auch z.B.
im Fernmeldedienst arbeiten, Kraftfahrzeuge,
schwere
Panzer und hochkomplizierte Kampf-Jets warten, in
der
Datenverarbeitung mitwirken, Navigations- und
Fernortungssysteme mitbetreuen. Und sie "dürfen"
kämpfen, mit allem, was an traditionellen und modernsten
Waffen
verfügbar ist. "Insgesamt tun jetzt rund 5.700 Frauen in
der
Bundeswehr Dienst: etwa 4.700 im Sanitäts- und Musikdienst und
rund
1.000 in den Kampfeinheiten", meldet die Rhein-Zeitung
schon
am
2. Juli 2001. Das "Gesetz zur Durchsetzung der
Gleichstellung von Soldatinnen
und Soldaten der Bundeswehr" war am 1. Januar 2005 in Kraft
getreten. Wie
Das Parlament
Nr.
21 vom 23.05.2005 informierte, bedeute das "Frauenquoten von
50 Prozent
im Sanitätsdienst sowie 15 Prozent in den sonstigen Laufbahnen."
Gerade
mal sieben Prozent Frauen dienen derzeit in der Bundeswehr, so
Hauptmann
Katja Roeder (mein Foto rechts) im November 2007, und nur relativ
wenige
in der eigentlich kämpfenden Truppe. "Inzwischen leisten rund
17.500 Soldatinnen ihren Dienst bei Heer, Luftwaffe,
Marine,
Sanitätsdienst oder der Streitkräftebasis – Tendenz steigend",
meldet unter der Überschrift "Starke Truppe – Immer mehr Frauen
entscheiden sich für die Bundeswehr" am 29.12.2010 das
Portal der
Bundeswehr.
Hic Kunduz, hic salta
Die gravierendste Konsequenz der neuen Gesetzgebung dürfte wohl
darin
bestehen, daß diejenigen Frauen, die sich zum Dienst in den
Streitkräften gemeldet haben, nun (zumindest theoretisch) an allen
Arten
militärischer Kampfeinsätze teilnehmen
müssen, auch z.B. in Afghanistan und, wie Katja
Roeder
innerhalb ihres Vortrags auf meine besorgte Frage präzisierte, im
Falle
alleinerziehender Mütter mit kleinen Kindern. "Jeden
Soldaten
kann man zwingen (...) so ist die Gesetzeslage".
Der Ist-Stand
Viereinhalb Jahre nach Beginn meines Artikels titelt Marburgs
Oberhessische
Presse
(ausgerechnet) am 20. Juli 2012: "Mütter sollen nicht mehr
an
die Front" mit der Unterzeile "Bislang werden offenbar immer mehr
Soldatinnen
mit Kleinkindern in den Kriegseinsatz geschickt". Der
(Ex-Personaloffizier
und) Wehrbeauftragte
Hellmut
Königshaus wolle erreichen, "dass junge Mütter in Uniform
mit
kleinen Kindern nicht mehr in Auslandseinsätze geschickt werden".
Die
Bundeswehr, heißt es weiter, sei nun "weiblicher geworden" mit
(von
aktuell 198.000 Soldaten) 18500 Frauen. Eine Statistik
zum
Anteil in den Kriegseinsätzen werde nicht geführt. Und nun
das Überraschende: Rechtsanwältin
Gudrum
Schattschneider, Gleichstellungsexpertin beim
Bundeswehrverband,
könne "der Forderung von Königshaus nichts abgewinnen". Die
Soldatinnen
"müssten die freie Wahl haben, ob sie zum Einsatz ausrücken
möchten" (was sind das dann für Mütter, könnte man fragen).
Der Ex-Korporierte, Unternehmer, Landtagsabgeordnete und
Vizepräsident
des Deutschen
Familienverbandes
Peter
Patt
(CDU) konzidiert immerhin, das "Grundanliegen, das Wohl von Mutter
und Kind
in den Blick zu nehmen", sei "unterstützenswert". Elternzeit, so
der
OP-Artikel weiter, sei in der BW-Personalplanung "nicht
vorgesehen".
Elternzeit oder Krankheit bedeute als Ausfall "einen
Schlag ins Kontor",
während andere Streitkräfte Personalreserven von 5-10
Prozent
vorsähen.
Halten wir fest: 57 Jahre nach ihrer Gründung ist die Bundeswehr mit ihren "Bürgern in Uniform" zur (nun professionellen, s.u.) Kriegsarmee geworden mit einem Anteil von 9,34 % Soldatinnen, von denen Mütter mit kleinen Kindern in den Krieg geschickt werden und dabei möglicherweise ihre Kinder im Stich lassen (müssen). Nicht nur aufgrund der vielzitierten besonderen deutschen Vergangenheit erregt diese Entwicklung Besorgnis und verlangt Aufklärung. Die Frage, wie es zu diesem Entwicklungsstand gekommen sei, kann nur beantwortet werden durch eine Rückbesinnung auf die jüngste deutsche Geschichte und damit den Versuch einer Analyse dahingehend, ob bzw. was das deutsche Volk aus dieser Geschichte gelernt hat.
Nie wieder Krieg?
"Anne...es tut mir so leid. Sie wissen ja, wie gern ich ihn hatte."
"Ich hab's den Kindern noch nicht sagen können."
"Er wußte wenigstens, wofür er fiel. Und Sie wissen, wofür Sie ihn hergegeben haben. Hm, das Beste an diesem bißchen Leben ist doch der Glaube. Eine Idee, die groß genug ist, um dafür zu sterben."
"Ja, und in stolzer Trauer die Helden beweinen, nicht wahr, das kommt doch wohl jetzt? Nein, Harras, hören Sie auf mit diesen furchtbaren Phrasen, diesen Lügen! Ich weiß, Sie meinen es gut, aber ich kann das nicht mehr hören, ich habe selber zu viel gelogen, die ganzen schönen Jahre mit Friedrich ... ich hab nie an das geglaubt, was ihm groß und heilig war, ich hab immer gewußt, es ist erbärmlich und schmutzig. Aber ich hab's ihm doch nicht sagen können. Ich hab ihn doch geliebt!"
Aus Carl Zuckmayers Film "Des Teufels General (1954). General Harras (= Ernst Udet) kondoliert Anna EILERS, deren Mann, Kommodore (=Oberst) und Ritterkreuzträger Friedrich Eilers, bei der Erprobung eines Bombers "MO 168" abgestürzt ist."Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen!"
Albert Einstein, Mein Weltbild (erstmals erschienen 1934), neu hg.v. Carl Seelig, Ullstein-Tb. 2005
Nach verschiedenen Schätzungen sind rund 60 Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Auf Befehl eines Wahnsinnigen war auch auf Schlachtfeldern und im Bombenhagel der Tod ein Meister aus Deutschland geworden. Der Krieg hatte das blühende Land der Dichter und Denker in unvorstellbares Leid und Verderben gestürzt. Außer den typischen "Kriegsgewinnlern" war fast niemand ungeschoren davongekommen, viele hatten alles verloren, waren traumatisiert, wollten alles andere als einen neuen Krieg und waren daher entschieden gegen eine Wiederbewaffung. Und niemand hätte damals, kurz nach dem Kriege, ernsthaft nachgedacht über Frauen, die ihr "Vaterland" mit der Waffe verteidigen wollten. Die Frauen hatten anderes "Heldentum" bewiesen: als die Männer weg waren und das "Vaterland" zur Mondlandschaft zerbombt wurde, hatten sie allein alles Wichtige erledigt, Kinder großgezogen, hart in Fabriken gearbeitet, die Ernte eingebracht und nach der Kapitulation mit bloßen Händen Trümmer weggeräumt. Ein Heldentum, das heute, im Zeitalter verwöhnter, gelangweilter, zickiger Modepuppen ebenso vergessen scheint wie die Todesangst junger Mütter, die, als nichts mehr zu erobern war, von kanadischen Jagdfliegern beschossen wurden und sich mitsamt der Kinderwagen in den Straßengraben werfen mußten - niemand wäre damals auf den Gedanken gekommen, diese traumatisierten Frauen psychologisch zu betreuen; niemand entschädigte für den Tod von Millionen unschuldiger deutscher Zivilisten, die, unter fadenscheinigen Durchhalteparolen, bis zuletzt an das Gute geglaubt und auf den "Endsieg" gehofft hatten. Geschah ihnen doch recht, meinten später jene, die alle Deutschen pauschal als Hitlers Helfer aburteilten.
Verworfen wurde ein pazifistisch-neutraler Sonderweg (als Lehre aus der Geschichte)2), in beiden deutschen Staaten feierte der "Barras" Wiederauferstehung, die Bundesrepublik und die "sogenannte DDR" wurden in Militärbündnisse (NATO, Warschauer Pakt) eingebunden. Im Schreckens-Gleichgewicht der großen Machtblöcke und im Schatten der Vergangenheit formierte sich die 1955 nach heftigem Ringen im faktisch noch nicht souveränen Westdeutschland gegründete Bundeswehr noch verhalten. Nach einigen Jahren unterhielt sie Garnisonen in fast allen Städten; bis auf wenige Ausnahmen wurden flächendeckend alle tauglich gemusterten jungen Männer eingezogen und erwarben in bis zu 18 Monaten Grundwehrdienst auch solche Fertigkeiten, die ihnen heute im "Hotel Mama" abgenommen werden. Wer aus Gewissensgründen nicht mit der Waffe "dienen" wollte, wurde nach eingehender Prüfung als Kriegsdienstverweigerer anerkannt und mußte Zivildienst leisten, was vielen Krankenhäusern, Altersheimen u.a. zugute kam. Wer hingegen in der DDR nach dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen" den "Friedensdienst in den Reihen der bewaffneten Organe" verweigerte, mußte mit gravierenden Sanktionen und Repressalien rechnen; die "Bausoldaten" wurden erst wenige Jahre vor der "Wende" voll anerkannt.
In den neuen westdeutschen Streitkräften galten nun die Grundsätze der Inneren Führung. Abgesehen von Truppenübungsplatz-Aufenthalten und Schulungen in anderen NATO-Ländern blieben die "Bürger in Uniform" in Deutschland, spielten Krieg allenfalls im Sandkasten und auf Manöverplätzen. Trotz gravierender Krisen (Ungarn-Aufstand, Mauerbau, Kubakrise) und Notstandsgesetzen war in der noch nicht völlig souveränen Bundesrepublik eine Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegshandlungen zunächst eher unwahrscheinlich. Nie wieder, hieß es noch lange, solle ein Krieg von deutschem Boden ausgehen und möglichst solle kein deutscher Soldat mehr gegen andere Völker kämpfen. "Dann siegt mal schön", hatte der greise Theodor Heuss 1958 den jungen Rekruten zugerufen; das war wohl nicht ernst gemeint (ob und inwieweit 10 Jahre später Einheiten der Nationalen Volksarmee der DDR an der Niederschlagung des "Prager Frühlings" beteiligt waren, ist bis heute unklar).
In öffentliche Kritik geriet die junge Bundeswehr 1962 anläßlich der Spiegel-Affäre (zum NATO-Manöver "Fallex 62") und 1963 mit dem "Schleifer"-Skandal von Nagold (damals dienten in der BW noch viele aus Hitlers Wehrmacht stammende Soldaten wie unser Hauptfeldwebel K. in der Göttinger Ausbildungskompanie 2/2, der stolz war auf seine "sieben Verwundungen"). Der schmutzige USA-Krieg in Vietnam führte in der Zeit der verschmusten Blumenkinder und des Woodstock-Festivals zu weltweiten Protesten; der schon 1967 verstorbene Carl Sandburg hatte das immer wieder zitierte "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin" (Sometime they'll give a war and nobody will come) in die Welt gerufen; in Rolf Thieles 1962 gedrehtem (und fast völlig vergessenem!) Film "Das schwarzweißrote Himmelbett" hatte der junge Soldat (Thomas Fritsch) sich für die Liebe entschieden, anstatt in den gerade ausgebrochenen (1. Welt-)Krieg hineinzumarschieren.
Make love, not war
Nach den Ereignissen von 1968 wandten sich viele junge Menschen
gegen das
überkommende "Establishment", eine völlig tabufreie, aggressive
Untergrund-Sexualität (=>
Kupferberg,
"Ficknam") wurde zum politischen Kampfmittel. Alles war im Fluß.
In
Westdeutschland hatte sich (ab ca. 1965) eine
Außerparlamentarische Opposition
gebildet, Beate
Klarsfeld 1968 Bundeskanzler und Ex-Nazi-Parteigenossen
Kiesinger
(und damit den politisch belasteten Konservatismus)
geohrfeigt, Willy
Brandt wenig später eine sozial-liberale Regierung
gebildet
und in seiner
Regierungserklärung mehr Demokratie
gefordert.
In der damaligen Zeit (die ich als junger Mann miterlebte)
waren Liebe und Sex im Fokus - die
"Pille"
trat ihren Siegeszug an und die im Zuge dessen propagierte
promiskuitive
Freiheit wurde noch nicht durch AIDS in Frage gestellt.
Diesen Trend
förderten und kommerzialisierten die noch überwiegend
gewaltfreien Medien; Kriminelle im Grundschul-Alter,
jugendliche
Vergewaltiger, brutal prügelnde Mädchenbanden und
Schulmassaker gab es erst Jahrzehnte später, als im
High-Tech-Zeitalter
die Gesellschaft und vor allem die Medien
amerikanisiert2a) waren, Kriegs- und
Horrorvideos
und gewaltverherrlichende Computerspiele ungehindert zu Top-Sellern
wurden und der Trend aufkam, selbst inszenierte Gewalt mit dem -
von den
Eltern finanzierten - Handy zu filmen und ins Internet zu stellen,
um damit
"berühmt" zu werden.
Als die Welt noch analog war und in vielen Bereichen vorübergehend eine gewisse Leichtigkeit des Seins regierte, forderte die mit den Oswalt-Kolle- und "Helga"-Filmen aufgeklärte Jugend - kaum zu glauben - Liebeszimmer in den Schulen; kein Mädchen hätte es sich gefallen lassen, den Körper verhüllen zu müssen und von den Eltern aus "religiösen" oder sonstwie weltanschaulichen Gründen vom Sport und von Klassenfahrten ausgeschlossen zu werden; eine um Koedukation bemühte Gesellschaft, die eine altertümliche Geschlechtertrennung (wie noch heute in den Moscheen) und alte "Zöpfe" bigotter Prüderie (zu der wir allmählich zurückfinden) abschneiden wollte, hätte solche "Erzieher" für verrückt erklärt und ihnen jegliche Autorität abgesprochen. Der als "Klimbim"-Tochter selbstbewußt in fröhlicher Nacktheit über den Bildschirm hüpfenden Ingrid Steeger wäre es nicht im schlechtesten Traum eingefallen, etwa in einem häßlichen, entstellenden, jeder Weiblichkeit Hohn sprechenden Kampfanzug und mit umgehängtem Sturmgewehr in einem fremden, unwirtlichen, zutiefst frauenfeindlichen Land für die Interessen einer fehlgeleiteten Politik zu kämpfen.
Die Bundesrepublik hatte seit 1970 unter dem Baader-Meinhof-Terrorismus zu leiden, viele Institutionen und Traditionen wurden in dieser Zeit hinterfragt, die im Gefolge des Haarnetz-Erlasses von 1971 wenig ernstgenommene Bundeswehr geriet (trotz Traditionspflege, Standortbällen und Propaganda) ins Abseits, und anläßlich des sog. NATO-Doppelbeschlusses von 1979 wuchs die Bereitschaft, sich immer entschlossener gegen eine neue Militarisierung und Kriegsbereitschaft zu wenden. Auch wurden Pläne bekannt, nach denen die seitens der Alliierten mit streng geheimen Militärflugplätzen, Abschußbasen und Waffenlagern gespickte Bundesrepublik als Aufmarsch- und Kampfgebiet für einen Dritten Weltkrieg vorgesehen war. "Petting statt Pershing" hieß bald die Parole; es war die Zeit der Ostermärsche, an denen sich damals noch viele Tausende beteiligten. Wolf Graf Baudissin, Mitglied der Gruppe Generale für den Frieden, hatte schon 1971 das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg gegründet. Generalmajor Gert Bastian, sein ideologischer Mitstreiter und späterer Lebensgefährte Petra Kellys, wechselte über ins Friedenslager der Grünen. Die immer selbstbewußteren jungen Frauen ("mein Bauch gehört mir") hatten (zumindest in Deutschland) anderes im Sinn als etwa unter dem Kommando von Kasernenhof-Machos durch den Schlamm zu robben, reaktionäre Landser-Lieder zu grölen und Schießprügel zu putzen (andererseits hatte sich schon 1977 Jahrgang 1 der von Alice Schwarzer herausgegebenen "Emma" solidarisiert mit unter Waffen kämpfenden Frauen in Vietnam, Borneo u.a.). Frank Schwalba-Hoth, 1984 bis 1987 Europa-Abgeordneter der Grünen, bespritzte im August 1983 während eines Empfangs im Hessischen Landtag den in Frankfurt stationierten US-General Paul S. Williams mit Blut. Kurt Tucholskys 1931 formulierter Ausspruch "Soldaten sind Mörder" wurde in den 1980er Jahren des öfteren unkritisch und pauschal von Friedensaktivisten zitiert. Militärisch kontraproduktiv war auch die stetig wachsende Bewegung (und gesellschaftliche Duldung) der Schwulen und Lesben: der als diskriminierend empfundene Paragraph 175 wurde nach langem Ringen 1994 aus dem StGB gestrichen, während es z.B. noch 1963 beim Marschieren gang und gäbe war, sich von den (teils sehr primitiven) Ausbildern "Geht nicht so auf wie die warmen Brüder" anhören zu müssen.
Hanns Dieter Hüsch (1925-2005), einer der größten deutschen Kabarettisten, textete in der Rundfunksendung "Chansons, Gedichte und Geschichten 1948 bis 1978": "Zur gleichen Zeit (= wie der Korea-Krieg) entstand das folgende Gedicht - lange vor der später einsetzenden berüchtigten Pazifismus-Diskussion - heute wissen wir gottseidank, (...) daß es einen falschen und einen richtigen Pazifismus gibt, neulich hörte ich sogar, daß es eine falsche und eine richtige Folter gibt (Sie sehen, wie weit wir vorangeschritten sind). Das Gedicht heißt "An die Zwanzigjährigen", ist etwa 30 Jahre alt:
Die grünen Tische
In der Wüste von Nevada
Und in den verdunkelten Limousinen
Des Roten Oktobers
Warten schon auf Euch.
Seid Euch klar darüber.
Habt Ihr Euch überlegt,
Daß Ihr schießen, schlagen und stechen müßt
Oder daß Ihr erschossen, erschlagen und erstochen werden könnt?
Ihr habt Euch das überlegt?
Dann ist es gut.
Jeder soll tun,
Was er für richtig hält,
Es kann keiner aus seiner Haut.Ich kann Euch zum Beispiel nicht sagen "Seid tapfer"
Denn, wenn die Reihe an mich kommt,
Werde ich nicht mittun.
Solange die eurasischen Greise
Nicht selbst die Knarre in die Hand nehmen,
Werde ich nicht mittun.
Deshalb bin ich kein Kommunist,
Da müßte ich vielmehr rechts stehn.
Solange die eurasischen Greise
Sich an Zwanzigjährigen vergreifen,
Kann ich nicht mittun.Aber ich lasse mich gern belehren,
Ich hoffe, Ihr wißt alle viel besser, was in der Welt vorgeht.
Ja, ich sehe es Euch doch an, daß Ihr sagen wollt:
Lieber junger Freund,
Lebensnotwendigkeit
Und, vor allen Dingen,
Frieden in Freiheit
Und auch: Europa, nicht zu vergessen,
Ihr habt ja so recht, wie konnte ich das übersehen,
Deshalb habt Ihr das Recht,
Mich einen feigen Hund zu nennen.
Macht, was Ihr wollt,
Und geht dahin, wo Ihr hingehört.Die Grünen Tische
In der Wüste von Nevada
Und in den verdunkelten Limousinen
Des Roten Oktobers
Warten schon auf Euch.
Seid Ihr Euch klar darüber?
Habt Ihr Euch überlegt,
Daß Ihr töten müßt
Oder daß Ihr getötet werdet.
Ihr habt Euch das überlegt?
Dann ist es gut.
Jeder soll tun,
Was er für richtig hält.
Es kann keiner
Aus seiner Haut.
(Quelle: Tonbandmitschnitt von 1978 in meinem Archiv; Transkription, Hervorhebnungen, Anordnung und Links von mir, WN)
Aus Theorie wird Praxis
Kaum hatte, mit der
Wiedervereinigung
im Oktober 1990, das nun größere und angeblich viel mächtigere
Deutschland eine Art von
Souveränität
erlangt und tagte man wieder im
"Reichstag",
bekamen die Deutschen zu hören, sie seien wieder wer, hätten nun
eine größere Verantwortung zu schultern und müßten
auch an der Lösung militärischer Konflikte beitragen
(manche
Politiker meinten, die permanent belastende Vergangenheit
verpflichte Deutschland
dazu). Am Beginn des mit enormen Kosten verbundenen
"Aufbaus Ost" beschränkte sich im Golfkrieg
1991
Deutschland darauf, dieses völkerrechtlich dubiose Abenteuer mit
einem
zweistelligen Milliardenbetrag aus dem Bundeshaushalt zu
unterstützen;
in ihrem "ersten
Kampfeinsatz
in der NATO-Geschichte" wurde 1995 jedoch auch die
Bundeswehr
herangezogen und im Angriffskrieg
gegen
Jugoslawien des Frühjahrs 1999 starteten Jagdbomber der
neuen deutschen
Luftwaffe, um todbringende Bomben und mehrere hundert
HARM-Raketen
ins Ziel zu bringen. Die Bundeswehr war damit auf dem Wege zur
Interventionsarmee;
befürwortet wurde dies von einer
Kommission unter
Richard
von Weizsäcker, der noch in seiner pathetischen,
moraltriefenden
Rede vom
8. Mai 1985 vor "Feindschaft und Haß gegen
andere
Menschen" gewarnt hatte. Einst entschieden
gegen
jede Art von Krieg, marschierten nun auch die
Grünen wacker im Trend, mit der zur
Überraschung
vieler von der einstigen NATO-Gegnerin zur energisch-naßforschen
"Verteidigungsexpertin" mutierten
Angelika Behr als Front-Frau.
Kampf-Bürger/innen im Schmuddel-Look
Auch in der Kleidung der Soldaten zeigt sich ein Wandel in
Denken und Zweckbestimmung. Während Luftwaffe
und
Marine ihre seit der Neugründung eingeführten Uniformen
weitgehend behielten, änderte sich das Erscheinungsbild im
größten Truppenteil, dem Heer. Dort existierten quasi
gleichwertig nebeneinander der sog. Ausgehanzug, der
Dienstanzug, der Arbeitsanzug und der Kampfanzug.
Im
Innendienst wurde der Dienstanzug getragen, im normalen Feld- und
Wartungsdienst
(z.B. der Fernmelder, Erkundergruppen, Infanterie, Artillerie- und
Panzertruppen)
der Arbeitsanzug und im Manöver der Große Kampfanzug. Ausgeh-
und Dienstanzug trugen deutliche Dienstgradmerkmale, so
bei den
Unteroffizieren mit Portepee kupferfarbene Umrandungen und bei den
Offizieren
silberne; die Farbe der sog. Kragenspiegel signalisierte
die
Truppengattung (z.B. grün = Infanterie, gelb = Fernmelder, orange
=
Panzeraufklärer, rot = Panzer usw.). Offiziere im Generalstab
erkannte
man an zusätzlich rot unterlegten Schulterklappen. Bis 1971 trugen
alle
Soldaten des Heeres zum Ausgeh- und Dienstanzug eine Mütze, deren
Schild
bei Offizieren mit schmalem (bis Hauptmann) bzw. breit verwobenem
Silber-Rand
(Stabsoffiziere) gesäumt war. Generale hatten goldgeränderte
Uniformstücke und besondere Kragenspiegel. Seit 1971 wurden beim
Heer
die Dienstmütze und das (faltbare)
Schiffchen
durch das sog.
Barett
ersetzt, das auch in anderen NATO-Truppen getragen wird.
Die BW-Soldat/innen sieht man seit 1990 immer öfter im ursprünglich 1935 für die SS entwickelten sog. Flecktarn (was auch zahlreiche Presse-Fotos von öffentlichen Auftritten belegen). Besuchen wir z.B. einen höheren Offizier, der das Kommando über eine größere Einheit ausübt, so werden wir ihn in seinem Büro in diesem schmuddeligen, undefinierbaren, an bekleckste Maler erinnernden Etwas antreffen, desgleichen in Arbeitsbesprechungen von Offizieren in höheren Stäben. Im zivilen Sektor würde das bedeuten, daß sich der Generaldirektor einer größeren Maschinenfabrik in einem schäbig-fleckigen "Blaumann" an seinen hochglanzpolierten Schreibtisch setzen oder in diesem "Outfit" Handelspartner empfangen würde.
So wie sich in allen Massenmedien die wachsende deutsche Kriegsbeteiligung in überwiegend positiver Berichterstattung niederschlug und gleichzeitig in fast allen TV-Kanälen angesichts der (von den USA importierten) lebensfeindlichen und menschenverachtenden "Action"-Gewalt der Mord abstumpfenderweise zum täglichen "Business" wurde, ist auch die Häufigkeit der Flecktarn-Auftritte in etwa proportional mit der wachsend zur Ausschließlichkeit tendierenden Verwendung der Bundeswehr als Kriegs-Armee und erzeugt somit geschlechtsneutral eine quasi solidarische Bereitschaft für Krieg und Kampf. Wenn "vor dem Feind" die Kugel pfeifen, Granaten und Raketen einschlagen, wird der Mensch reduziert zur Verfügungs-Masse, zum Material, das in die Schlacht "geworfen" wird; dann sind sie wohl alle gleich, vom einfachen Soldaten bis zum Viersternegeneral. Im Flecktarn-Muster, wo Blutspritzer kaum auffallen, sieht man den "feinen Unterschied" wohl nur beim zweiten und dritten Hinsehen: an mehr oder weniger undeutlichen Markierungen auf den Schulterklappen.
Sollte irgendwann, vielleicht in naher Zukunft, aus der von Kreil und Konsorten so heißersehnten militärischen Gleichstellung mal bitterer Ernst werden und eine flecktarngekleidete Bundeswehr-Soldatin fallen, hilft den Eltern und Verwandten kein theorielastiges Geschwafel und würden sie sich wünschen, daß "frau" hier differenzfeministisch gesehen lieber zu Hause geblieben wäre - desgleichen im Falle der 25 Jahre alten Offiziersanwärterin Sarah Lena S., die am 7. November 2010 aus der Takelage nach unten stürzt, als sich das für seinen strammen Drill berühmte Segelschulschiffs "Gorch Fock" im brasilianischen Salvador da Bahia aufhält. Danach sei es zu einer Meuterei gekommen, berichten die Medien; es habe hitzige Diskussionen im Verteidigungsausschuss gegeben, das Verteidigungsministerium habe "eine schnelle und detaillierte Prüfung" und "eventuelle Konsequenzen" zugesagt. Andererseits hat niemand die junge Dame gezwungen, sich derart in Gefahr zu begeben; sie mußte wissen, worauf sie sich einließ bei ihrem Doing Gender.
"Ich kann mir auch vorstellen, daß das stimmt, was über die Gorch Fock erzählt wird, nämlich daß eine Woche nach diesem tragischen Todesfall auf dem Schiff Karneval gefeiert wurde und Geld gesammelt wurde von der festen Besatzung (...), weil gesagt wurde, diesen Topf, diesen Jackpot bekommt der, der mit der häßlichsten Offizieranwärterin Geschlechtsverkehr hat."
Thomas Ostermeier, Künstlerischer Leiter der Schaubühne Berlin, in der Sendung "Anne Will" v. 23.1.2011
Berufskämpfer in Uniform - Willkommen in der
Söldnertruppe
Flächendeckende Wehr- oder Ersatzdienstpflicht - ein oder
anderthalb
Lebensjahre etwas für den Staat und seinen Erhalt tun, mit dessen
Kultur
und Verfassung man sich identifiziert - für das eigene Land, das
man
im Ernstfall verteidigt - das ist auch für den vertretbar, der
sich
für dauerhaften Frieden und gegen kriegslüsternes Gehabe einsetzt.
Ab Mitte 2011 ist all dies Geschichte. Die aufgrund des
lotterieartigen
Einberufungsverfahrens der Lächerlichkeit preisgegebene
"allgemeine"
Wehrpflicht und damit auch die Ersatzdienstpflicht sind Geschichte
(humanitäre Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altersheime u.a.
werden
unter letzterem besonders zu leiden haben). Die Bundeswehr wird
zur
Freiwilligen-Armee und, abgekoppelt von bürgerlichen
Pflichten,
zum Staat im Staate. Zu einer in sich abgekapselten
Institution, mit
der sich die Bevölkerung noch weniger identifizieren kann als
je
zuvor - aus einer Sache des Volkes (res populi) wird
ein
privatisiertes, industrieabhängiges, effizienzmaximiertes
Unternehmen
(res mercantilis) und aus dem ursprünglichen
Verteidigungsminister
der Chief Executive Officer (CEO) eines - (noch allein aus
Steuermitteln,
bald aber vielleicht auch aus Investmentrenditen finanzierten?)
Großkonzerns.
Was geht uns das an, wenn die sich da die Köpfe einschlagen? Wird man noch öfter hören. Die da werden ja dafür bezahlt. Somit werden Verteidigung und Krieg ausnahmslos und uneingeschränkt zur rein beruflichen Angelegenheit, zur Sache der Profis. Join the Army. Mach dein Glück im Krieg.
Der jüngst des wissenschaftlichen Betrugs überführte und am 1. März 2011 zwangsweise zurückgetretene Karl-Theodor zu Guttenberg hinterläßt mit dem noch keineswegs ausgegorenen Konzept seinem zwei Tage später ernannten Nachfolger Dr. Thomas de Maiziere ein schweres Erbe. Die noch zu schaffende Berufs-Armee soll (nach Guttenbergs Konzept) sogar auch interessierten Ausländern offenstehen. Damit eliminiert sich, das dürfte allmählich klar werden, jegliche nationale Identität dieses mit allen Hoheitsrechten ausgestatteten Verbandes und damit eine der konstitutionell verankerten staatsbürgerlichen Pflichten. Dieser Übergangsprozeß wird natürlich auch auf die Motivation potentieller Soldatinnen einwirken, und es ist anzunehmen, daß - im Rahmen der jüngst wieder in München von Guttenberg beschworenen transatlantischen Partnerschaft - die Strategie auch des Anwerbens von weiblichen Soldaten nach US-amerikanischem Muster verlaufen wird.
make war for peace?
Natürlich träume ich von dem Frieden auf der Erde, der nur dann wirklich sein kann, wenn die Menschen endlich verstehen, daß es unmöglich ist, streitend und kriegführend etwas zu schaffen und etwas zu erreichen.
Irina DUDAR (20), Studentin, 2000
Nach dem verheerenden 11. September 2001 hat sich die Welt neu
polarisiert.
Eine bis ins Mark gekränkte Nation macht sich auf zur kollektiven
Rache,
teilt die Welt neu ein. "Wenig Kenntnis, viel Gerät - das Imperium
schlägt zurück" (so Andreas
Cichowicz)
- erst trifft es Afghanistan, dann den Irak.
Wer
nicht für uns ist, ist gegen uns. Wer will schon
zur
"Achse
des Bösen" zählen? Und nun droht, wie
Friedensforscher meinen, der Kriegsfall auch
zum
"Normalzustand der Bundeswehr" zu werden - oder, frei nach
Rolf
Breitenstein: jetzt sind die Soldaten da, nun müssen sie
auch
kämpfen - um, wie in Afghanistan, den Frieden zu
erzwingen. Das Mandat der zur Zeit von einem
US-Viersternegeneral
kommandierten
ISAF schließt
militärische
Gewalt ein und auch die innerhalb der ISAF diensttuenden
Bundeswehr-Reservisten können, wenn es brenzlig wird, als
NATO-Soldaten
sogar
an die im Rahmen der
Operation
Enduring Freedom tätigen US-Streitkräfte "ausgeliehen"
werden.
Wer sich also als Reservist für Afghanistan meldet, zieht
in
den Krieg (auch wenn dies bis zum Schluß vom
ehemaligen
Verteidigungs-, jetzigen Arbeitsminister(!) und Reserveoffizier
Dr.
Franz-Josef Jung bestritten wurde, der Mitte Oktober 2008 in
einem
TV-Interview wider besseres Wissen noch von einer "asymmetrischen
Gefährdungslage" sprach)2b).
Der Staat Afghanistan hat - wie zuvor der Irak oder Jugoslawien - weder Deutschland noch irgendeinem anderen NATO-Verbündeten den Krieg erklärt noch haben reguläre afghanische Truppen irgendeines dieser Länder militärisch angegriffen. Noch zu Beginn des Jahres 2010 wird bestritten, daß Krieg gegen Afghanistan geführt werde. Man bekämpfe dort nur die Taliban - Rebellen ohne Kombattanten-Status.
Einerseits kann der UN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta zur "Wiederherstellung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens"3) den Einsatz von Waffengewalt ausdrücklich beschließen. Diese "Waffengewalt" beinhaltete auch den Einsatz einer der fürchterlichsten konventionellen Bomben, des sog. "Daisy Cutters" (BLU-82). Dieser "detoniert einige Meter über der Erdoberfläche. (...) Durch die Explosion oberhalb der Erdoberfläche wird die freigesetzte Explosionskraft nicht zum Teil von der Erdoberfläche aufgenommen. sondern die gesamte Energie geht in die feindlichen Ziele." (http://www.newsatelier.de/html/moab.html). "The US Air Force dropped several BLU-82s during the campaign to destroy Taliban and al-Qaeda bases in Afghanistan to attack and demoralize personnel and to destroy underground and cave complexes." (http://en.wikipedia.org/wiki/BLU-82).
Präventive Lebensvernichtung als politisches
Kalkül?
Andererseits könnte - zumindest moralisch - die Frage
entstehen,
ob Militärschläge zu "humanitären" Zwecken mit soldatischer
Ehre und Verantwortung (und dem Leitbild des
Staatsbürgers
in Uniform) vereinbar sind, ob es einen
gerechten
oder gar
"heiligen"
Krieg
überhaupt geben kann oder ob es sich hier
nicht,
wie im Falle des
Ehrenmordes
oder wie den zahlreichen Beispielen in Dolf
Sternbergers
"Wörterbuch des Unmenschen", um lexikalische
Perversionen4)
handelt. Angriffs- oder Präventivkriege sind übrigens nach
deutschem Recht durch grundgesetzliche
(Art.
26 I
GG) und strafrechtliche
(§
80, §
80a
StGB) Vorschriften verboten. Nach Art. 87a II GG dürfen Soldaten nicht
beliebig
für Kriegseinsätze verwendet werden. Der Deutsche
Bundestag hat hierüber zu entscheiden (wie z.B. am
28.9.2005 oder nach
Kabinettsbeschluß im Sept. 2007).
mitmarschiert
- mitgeschossen - miterschossen
Ich wage hier zu behaupten, daß grundsätzlich nicht alle jungen
Menschen, die sich - aus welchen Motiven auch immer - für einen
mit
zusätzlich 110 Euro4a) pro
Tag (!) vergüteten, mehrmonatigen Einsatz in Afghanistan
entscheiden,
wissen, worauf sie sich einlassen. Krieg ist kein
Abenteuerspielplatz
und kein Computer-Game. Es gibt keine HELP-
und keine
ESCAPE-Taste, kein UNDO oder
Zurückbeamen
in die Sicherheit. Death is so permanent. Es ist fraglich,
ob "Frau
im Panzer" noch so lacht wie auf dem BW-Propagandabild rechts,
wenn sie von
Infanteriekugeln durchsiebt oder ihr fahrbarer Untersatz von einer
Bazooka
oder Hubschrauber-Rakete getroffen wird. Oder, wie heißt es doch
im
noch immer gesungenen
"Panzerlied":
Trifft uns die Todeskugel,
Ruft uns das Schicksal ab,
Ja Schicksal ab,
Dann wird uns der Panzer
Ein ehernes Grab.
Ist das tatsächlich die Bestimmung, der Lebenszweck eines liebenden Menschen, einer jungen Frau?
Du sollst nicht töten
Welches Tier wäre schon fähig, Maschinen zu erfinden, womit man aus theoretisch konstruierten Gründen ausschließlich die eigene Art bekämpft, um sie zu töten.
Georg NAUNDORFER in einem Facebook-Posting vom 2.6.2013"Krieg trägt Gewalt in alle Gesellschaften, die an ihm beteiligt sind, mag er auch weit weg stattfinden. (...) Zum Kämpfen und Überleben gehört die Überwindung jeglicher Tötungshemmungen, das Abstreifen humanistischer Werte und die Zerstörung des Anderen. Gewalt gegen den Gegner ist auch Gewalt gegen sich selbst. Und einmal ausgeübte Gewalt läßt sich nicht einfach, je nach Bedarf und Gebrauch wieder ausblenden. Der Krieg mag die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein. Seine Mittel jedoch sind nicht so funktional, wie sie es zu sein vorgeben. Denn sie entziehen sich der Vernunft, sind voll Emotionen und ihr Echo wird noch zu hören sein, wenn der Krieg längst schon vorbei ist."
Gabriel FEHRENBACH in der Süddeutschen Zeitung vom 7.5.1999 (volles Zitat hier)
Was den Wert und Schutz von Menschenleben angeht, setzt der Krieg alle religiösen und zivilen Normen außer Kraft. Für den Soldaten wird es zur Normalität, auf höheren Befehl hin planvoll und gezielt Menschen zu töten, die als Feinde deklariert werden - so wie es US-Einheiten neuerdings auch per Drohne tun. Unten bewegt sich etwas, das wird abgeknallt, pulverisiert, eliminiert. Jeder Treffer zählt. Man hat es im Computer-Game simuliert und als Automatismus verinnerlicht. Shoot - don't talk. Wozu hat der Mensch Sprache, Vernunft, Intellekt, wenn es auch anders geht?
Nicht weniger verbrecherisch wird das Morden, wenn es "chirurgisch" geschieht, aus der Distanz, wenn die Opfer anonym bleiben. Drohnen haben kein Gewissen - wer sie bedient, wohl ebensowenig. World of Warcraft. Krieg als Handwerk. Verblendete, Unersättliche, sprachen - und sprechen noch immer - von Kriegs-Kunst. Kunst kommt ja von Können. Gut trainierte Krieger mit Know-how töten besonders ergonomisch und effizient. Töten nach dem state-of-the-art, mit regelmäßigem Update.
"Nach schneller Verlegung ins Einsatzgebiet müssen diese Kräfte komplexe Szenarien mit hohen Risiken und Bedrohungen bewältigen. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen immer ausgereiftere Technologien eingesetzt werden, damit bei weniger Personal dennoch die gestellten Aufgaben mit der höchstmöglichen Effizienz und Effektivität gelöst werden können. Vor diesem Hintergrund kommt unbemannten Systemen in Luft/Raum, zu Lande und auf See sowie den dafür erforderlichen Technologien im Zusammenwirken mit anderen Systemen eine immer größer werdende Rolle zu."
Zum Forum Unmanned Vehicles III – Land, Luft, See der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik am 15./16.2.2011, abgerufen hier am 25.1.2011
Die höchst innovative HighTech-Industrie, einziger Nutznießer des Krieges, liefert perfekte "Tools" zum Töten. "Deployed in minutes, activated in seconds, PARM-2 kills in milliseconds": damit bewarb die (damalige) Deutsche Aerospace ihre wohl neueste Panzerabwehrmine4b). Solche Wunderwaffen lechzen nach Einsatz, und so wird tested in combat zum Top-Argument auf internationalen Waffen-Messen wie Londons DSEI.
Krieg - der Vater aller Dinge? Unbestritten die Quelle vieler auch im Frieden nutzbarer Erfindungen. Andererseits: Ein Vater, der mordet? Und - angesichts dieser Perversion, nein zu einer Gleichberechtigung in dem Sinne, daß auch die Frauen, denen die Gnade geschenkt wurde, Mütter zu sein, mütterlich geschenktes und bewahrtes Leben zerstören.
"(...) Nichts ist gut in Afghanistan, all diese Strategien haben uns lange darüber hinweggetäuscht, daß Soldaten nun einmal Waffen benutzen und auch Zivilisten töten. Gerade in Dresden wissen die Menschen das sehr gut. Wir brauchen Menschen, die nicht der Logik des Krieges folgen, sondern ein klares Zeugnis, ein Friedenszeugnis abgeben, gegen Gewalt und Krieg. (...) Wir brauchen Phantasie für den Frieden, andere Formen, Konflikte zu bewältigen - das kann manchmal mehr bewirken als all das abgeklärte Einstimmen in den Pragmatismus der Waffen."
Aus Dr. Margot Käßmanns Silvesterpredigt 2009 in der Dresdner Frauenkirche
"Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein", sagte die neue EKD-Ratsvorsitzende in einem OP-Interview vom 2. Januar 2010. Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland sei dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen. Prompt geriet sie unter Beschuß: Spitzenpolitiker, die sich christlich nennen, griffen eine Frau an, die sich gegen den Krieg wandte. Dann sollte sie, quasi als Goodwill-Maßnahme, nach Afghanistan fliegen, zusammen mit dem Verteidigungs- oder besser Kriegsminister zu Guttenberg, um dort im Militärcamp einen Gottesdienst zu feiern. Uneingeschränkter persönlicher Integrität verpflichtet, trat sie wenig später wegen einer privaten Verfehlung von ihren hohen Ämtern zurück: ein großer, tragischer Verlust für die so wichtige Sache des Friedens. Ebenfalls der OP gegenüber erklärt (am 14.4.2010) ihr Nachfolger, der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider: "Die jüngsten Vorfälle zeigen, daß Margot Käßmann mit ihren Interviews und Predigten zum Thema Afghanistan völlig richtig lag. Ihr Einwurf hat heute noch Bestand: Da ist vieles noch nicht gut. (...) Man kommt hier nicht weiter, wenn man die Dinge nicht beim Namen benennt. Wir haben in Afghanistan einen Krieg."
Dulce et decorum est pro patria vivere
Spätestens heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, ist jeder
Krieg
ein Anachronismus; überhaupt ist es keineswegs "süß"
und "ehrenhaft", freiwillig ein kostbares Leben wegzuwerfen, das
uns dazu
geschenkt wurde, zum Wohle der Menschheit beizutragen. Als
Resultat
politischer Verlogenheit und Schizophrenie variiert sich Paul
Celans
Todesfuge
auf den Schlachtfeldern unserer Tage. Der Krieg, ein Kosmopolit,
ist ein
Meister des Todes, sein Blick ist Haß, er trifft ohne Gnade,
trifft
jeden, raubt Ehre und Würde.
Zwar sind in den Auslandseinsätzen bislang nur relativ wenig deutsche Soldaten ums Leben gekommen, doch kann sich das sehr bald ändern. Die NATO fordert ständig mehr deutschen Kampfeinsatz4c) und zog mit der angesichts modernster Satellitenaufklärung5) völlig überflüssigen Tornado-Mission ("keine Kaffeefahrt") Deutschland in einen Angriffskrieg hinein (die Fotoaufklärung liefert hier Informationen für gezieltes Töten). Angesichts dessen, daß mit den Jahren der eigentliche Sinn und Zweck des Afghanistankrieges immer fraglicher wurden, ist das seinerzeit von Dr. Struck (SPD) lancierte Argument, die Freiheit Deutschlands werde "auch am Hindukusch verteidigt", zur demagogischen Phrase verkommen.
Die Freiheit der Wehrtechnik wird am Hindukusch
verteidigt
Seltsam:
in
den langen Jahren zuvor, als Rußland mit Afghanistan Krieg führte
und die USA noch die
Mudschahidin
und den Mudschahid
Bin
Laden
unterstützten, wäre in Deutschland niemand
auf
die Idee gekommen, einen solchen Unsinn zu behaupten.
FDP-Militär-"Expertin"
Elke
Hoff
(Screenshot re.: zusammen mit K.-Th. zu Guttenberg, Tagesthemen
23.1.2011),
Mitglied im Präsidium der
Deutschen
Gesellschaft für
Wehrtechnik (DWT), die nicht müde wird, von Standort zu
Standort
zu reisen und sich mit ranghohen Militärs bis hin zum US-General
(und
späteren
CIA-Chef) Petraeus5b) ablichten zu
lassen,
bekräftigte die Mär vom Hindukusch noch jüngst am
28.7.2010. Als militaristische Power-Frau
ohne
Schützengraben-Erfahrung überrascht sie am
26. November 2010 in Teheran mit
opportunistischem Weitblick.
"Hoff, for her part, said that issues pertaining to human
rights are
mainly politically-motivated and added that few countries
observe
human rights entirely." -"Zwischen Neuwied und Altenkirchen kann
man jetzt
die Mullahs wählen", kommentiert ein
Blog
vom
28.10.2010 diese FDP-traditionsgemäß "nach allen Seiten offene"
Haltung. "Sie ist ein höflicher Gast. Sie weiß, was das Regime
in Teheran von ihr erwartet." Dies wird natürlich von der
Gegenseite
honoriert: "West’s double-standard policies on nuclear
energy
and human rights do not sound convincing to the world public
opinion,”
Head of Iran-Germany Parliamentary Friendship Group Seyed Ali
Adyani-Raad
said in a meeting with his German counterpart Elke Hoff here in
Tehran today.
The German lawmaker, for her part, called for closer ties between
the two
parliamentary groups as well as the two countries’ officials."
(ebenfalls
hier)
Von Beschützern zu Selbstverteidigern
Das unsensible, teils brutale Vorgehen (Link gelöscht!) der
US-geführten OEF-Verbände hat jedoch das Ansehen der NATO
diskreditiert, damit auch der Bundeswehrkontingente, die
hauptsächlich
zur Sicherung der vorbildlichen
Wiederaufbaumaßnahmen
entsandt6)
wurden. Innerhalb der ISAF, so heißt es in einem
Deutschlandradio-Kommentar6a) vom 25. Juli 2009,
führten
US-Soldaten ihren eigenen Krieg und unterließen es, die deutschen
Waffenbrüder zu unterrichten. Wen, fragt die Kommentatorin
ebenso
subjektiv wie provokotorisch, beschützen denn eigentlich die
deutschen
ISAF-Soldaten, für die die Lage immer brenzliger werde:
etwa
Bürgermeister und Provinzgouverneure, die
selbst
im
Drogenhandel involviert seien,
US-Soldaten, die töten6b),
oder
sich, die Bundeswehr, selbst?
Die Tragik eines deutschen Obersts
Das Fragwürdige und zugleich Tragische von Militäreinsätzen
verdeutlicht der ausnahmsweise mal von "den Deutschen"
befohlene
"chirurgische" Angriff eines amerikanischen High-Tech-Bombers
auf
zwei von den Taliban gekaperte Tanklastzüge. Nachdem die Taliban,
die
angeblich das Benzin an die Zivilbevölkerung verteilen wollten,
die
Fahrer geköpft (!) hatten und die beiden Trucks im Schlamm
festsaßen,
liefen, wie aus dem Life-Video einer F-15 ersichtlich, jede Menge
Menschen
auf der Unfallstelle herum; sie hätten sich mit nur ein wenig
Verstand
ausrechnen können, daß diese beiden Tanklastzüge als
strategisches Objekt angegriffen werden könnten - nicht etwa von
Bodentruppen, sondern, nach guter alter US-Manier, aus der Luft.
Frauen und
Kinder haben ohnehin an einem solchen "Tatort" nichts zu suchen.
Oberst Klein, dessen Lager sich nur wenige
Kilometer entfernt
bei Kunduz befindet, befiehlt nach kurzer Lage-Erwägung (und in
Verantwortung für die ihm anvertrauten Soldaten) den Luftschlag,
bei
dem, wie erst nach der Bundestagswahl durchsickert, auch viele
Zivilisten getötet wurden. Wer aber kann aus
mehreren
tausend Metern Cockpithöhe unterscheiden, wer ein Talib
ist und
wer ein harmloser Zivilist? Und nun rollten die Köpfe. Der
soldatisch
allerseits anerkannte Bundeswehr-Generalinspekteur
Schneiderhan
und ein Staatssekretär des BMVG müssen den Hut nehmen, der sich
als unfähig erwiesene ehemalige Verteidigungs- und spätere
Arbeitsminster Jung ist ebenfalls nicht zu halten, dann korrigiert
sich sein
schneidiger Nachfolger zu Guttenberg dahingehend, der Luftschlag
sei doch
"nicht angemessen" gewesen; Oberst Klein, für den selbst
Ex-Minster
Trittin von den Grünen Verständnis zeigt, muß sich für
sein Handeln im Krieg vor einer zivilen deutschen
Strafkammer
und einem Untersuchungsausschuß verantworten und am 10. Dezember
kommt
ans Tageslicht, daß angeblich auch deutsche Elitesoldaten (auf
Kommando-Ebene)
am Luftschlag beteiligt waren - dies nach der programmatischen
Durchhalte-Rede des US-Präsidenten (der als erster
kriegführender Präsident den
Friedensnobelpreis
erhält!) vom 2. Dezember 2009 und seiner indirekten Forderung nach
weiterer
Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents auf 7.000
ISAF-Soldat/innen. Deutschland
sei ein Land im Krieg, urteilen nun die Medien. Vielleicht weiß
man
jetzt auch, daß es in jedem Kriege nur Verlierer gibt. Am
19.4.2010
schließlich teilt die Bundesanwaltschaft mit, das Verfahren gegen
Oberst
Klein und einen als Fliegerleitoffizier fungierenden
Hauptfeldwebel sei
eingestellt worden: die beiden hätten weder gegen das
Völkerstrafrecht
noch gegen deutsches Recht verstoßen. Klein wird später einen
anderen Dienstposten bekommen und der Kunduz-Luftschlag auch Jungs
Nachfolger
Guttenberg zur Last gelegt werden.
(....) Man stumpft sowieso ab, und das nimmt man mit nach Hause (...). Ich weiß aber definitiv, daß das, was da passiert, kein Friedenseinsatz ist. Wenn ich doch 'nen humanitären Einsatz fahre, wo ich Brunnen bohre und wo alles toll läuft und ich ein Land aufbaue, so wie das hier immer vermarktet wird: warum schicke ich dann nicht das THW? Warum schicke ich dann deutsche Soldaten? (in den ARD-"Tagesthemen" v. 3.12.2k9, 22:30 ein 29-jähriger Stabsgefreiter, der 2008 für vier Monate in Afghanistan war und mehrere Anschläge überstand)
Das Massaker in Kunduz - "Das ist auch die Motivation von Terroristen in Deutschland - Sauerlandgruppe und wie all diese Terroristen heißen, die diese Bilder im Fernsehen sehen und die sagen Ich kann da nicht tatenlos zuschauen, ich kann das auch und ich tue das auch und ich räche meine Freunde in diesen Ländern", so beschreibt der ehemalige CDU-Politiker und profunde Afghanistan-Kenner Jürgen Todenhöfer die Sympathisanten-Mentalität in der Phoenix-Dokumentation "Hilflos in Afghanistan" vom 27.1.2010. "Und deswegen gefährdet dieser Krieg (...) massiv die Sicherheit in Deutschland. Für jeden Zivilisten, den wir dort töten, stehen zehn Terroristen auf, und einige davon auch in Deutschland, und wir werden teuer für die Massaker in Afghanistan bezahlen müssen, wir werden auch für das Massaker in Kunduz bezahlen müssen."
Absurd: während sich einerseits die Klagen und bitteren Vorwürfe über das sogenannte Kunduz-Massaker häufen und man den Deutschen mangelnde Sensibilität, hirnlose Schießwut und planvolle Vertuschung vorwirft, beschwert sich (der in der Wikipedia mit dem gleichnamigen Taliban-Führer verwechselte!) Mohammed Omar, Gouverneur von Kunduz, die "deutschen Freunde" seien nicht in der Lage, die Taliban zu besiegen, also müsse man das nun den "amerikanischen Freunden" überlassen A propos Freunde: "O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden (...)", heißt es im heiligen Koran, Sure 5,51 (ebd.).
Noch absurder ein Blog in Gegenstimme.net: Der "beste Beleg" dafür, daß sein Kommandeur alles richtig gemacht habe, sei für den Feldwebel Jörg K. "der Jubel, mit dem er am Kunduz-Fluss begrüßt worden" sei. Rund hundert afghanische Soldaten und Polizisten hätten "stolz ihre Waffen in die Luft gestreckt, ihre Daumen gezeigt"; einige "uns sogar Geldscheine zugesteckt”, "Hundert-Afghani-Scheine" mit denen "eine Familie Brot und Gemüse für eine Woche kaufen" könne. Der Mullah im benachbarten Dorf habe "sich zum Dank für die getöteten Taliban sogar vor ihnen verneigt und seine rechte Hand auf die Brust gelegt."
Krieg in Absurdistan
"Hier baut die Bundesrepublik Deutschland - eine Autobahn für das afghanische Volk und seine Drogen-Transporte"
(Vorschlagstext für eine noch zu erstellende politische Karikatur)"Die jahrelange Präsenz der Bundeswehr hat weder die Sicherheit noch die politischen Rahmenbedingungen oder den Kampf gegen den Opiumanbau in Afghanistan verbessert."
Michael Wolffsohn, Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr München. In: Die Bundeswehr ist eine Unterschichtenarmee. Welt Online, 21.08.2009
"Ein steigendes Gewaltniveau, eine stagnierende Wirtschaft, eine zunehmend unzufriedene Bevölkerung, eine korrupte Regierung, ein Erstarken der Gegtner - es fällt mir schwer, das als Erfolg zu bezeichnen. - Dieser Gegner erhält von außen eine bleibende Unterstützung, er hat sichere Basen im Ausland, nämlich in West-Pakistan, und unter diesen Bedingungen ist noch nie ein Guerillakrieg gewonnen worden. Ich sage das mit Schmerz, weil ich diesen Einsatz anfangs befürwortet habe, aber jetzt riecht es wirklich sehr nach Vietnam."
Prof. Harald Müller, Hess. Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, in Frontal 21 v. 8.9.2009
Wofür - und für wen - also dieser Krieg? Für Opium-Anbau und Staats-Korruption?6c) Für Warlords, die sich einen Dreck scheren um Humanität und Völkerrecht? Für barttragende Steinzeitmachos, die in einer fragwürdig fundamentalistischen "Kultur" den Frauen jegliche Rechte vorenthalten? Für einen (als Führer der damaligen Nord-Allianz am 5.12.2001 beinahe durch amerikanisches "friendly fire" einer B-52 aus 12 km Höhe umgekommenen6d) und mittlerweile als korrupt, unzuverlässig und opportunistisch angesehenen6e) "Präsidenten" Karzai, dessen Bruder (lt. Dr. Martin Baraki im ARD-Morgenmagazin vom 20.8.2k9) jährlich mit rund 20 Millionen Euro von Drogen-Baronen "geschmiert" wird?
Gab es nicht - vor einigen Jahren - eine Medien-Meldung, wonach es in Afghanistan um eine für die westliche Gas-Versorgung wichtige Pipeline6f) gehe - oder, wie der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, feststellt: "If you look at the deployment of US forces in Afghanistan, as against other NATO country forces in Afghanistan, you'll see that undoubtedly the US forces are positioned to guard the pipeline route. (...) It's about money. It's about oil. It's not about democracy." (in: http://www.youtube.com/watch?v=tGMzfWvpB0E).
"Our job is to drop bombs to change people's way of looking at the world - very frankly and blunty put, that's our purpose." (Offen gesagt: unser Job ist es, Bomben abzuwerfen, damit die Menschen ihre Sichtweise auf die Welt ändern), bekennt Capt. James Symonds, Kommandant des Flugzeugträgers Ronald Reagan (CVN 76) in der ntv-Dokumentation "XXL Machines" vom 7. Januar 2010.
Frauenrechte als Null-Option
Wofür, bitteschön, sollen deutsche Soldatinnen in
Afghanistan kämpfen? Und mit welcher Hilfe und welchem Verständnis
dürfen sie dort rechnen? In einer Bevölkerung, wo, wie Dr. Martin
Baraki (dessen Sachlichkeit und Kompetenz allerdings seit einiger
Zeit
angezweifelt werden) in einem Marburger Universitätsforum
(Dezember
2009) behauptet, sich angeblich alle Schichten gegen
den "Aggressor
USA" und seine Verbündeten mit den Taliban
solidarisieren? "Frauenrechte verteidigen ist nicht Sache
der afghanischen
Armee", erfahren wir von der tapferen
Antonia Radost in ihrem RTL-Report vom
29.11.2k9 (22:59);
demnach wäre kaum zu erwarten, daß man von dort aus etwa (von
Bundeswehr-Soldatinnen durchgeführte!) interkulturelle
Projekte
unterstützen würde.
Monate zuvor hatte mich der damalige Noch-Kommandeur des sogenannten Zentrums für Operative Informationsgewinnung (und Spezialist für psychologische Kriegsführung) belehrt, es sei nicht die Aufgabe der NATO-Truppen, sich dort für die Rechte der Frauen einzusetzen, sinngemäß also: nicht für fortschrittliche Werte der westlichen Kultur, das hätte bedeutet: keine Burkas und sonstige Verhüllungszwänge, keine entrechteten, zu Gebärmaschinen degradierten Frauen, volle Religionsfreiheit ohne Todesstrafe für Islam-Austritte, aufgeklärte, selbstbewußte, voll mitbestimmende, religiös und sozial ungebundene Frauen mit uneingeschränktem Wahl- und Bürgerrecht und (auch ohne westliche Kontrolle) Zugang zu hohen öffentlichen und parlamentarischen Ämtern.
Islamische Republik
Man wolle, so der Bundeswehr-Offizier, den Afghanen ermöglichen,
ihre
traditionelle Kultur weiter zu pflegen; eine auf den ersten
Blick
harmlose, unverfängliche Aussage. Doch firmiert, was in deutschen
Medien
bisher fast flächendeckend verschwiegen wurde, Afghanistan bereits
seit
2004 als
Islamische
Republik (so wie
Ahmadinedschads
Iran) also als Gottesstaat, wo das gesamte Leben sowie die
Zivil-
und Strafgerichtsbarkeit von der Religion (und ihrer
Auslegung) bestimmt
werden und nach Art. 3 der (mit
deutscher Expertenhilfe erarbeiteten!)
Verfassung
"kein Gesetz dem Glauben und den Bestimmungen der heiligen
Religion des Islam
widersprechen" darf. Dazu auch Art. 45:
"Der Staat entwickelt und verwirklicht einen einheitlichen, auf den Vorschriften der heiligen Religion des Islam, der nationalen Kultur sowie wissenschaftlichen Methoden beruhenden Lehrplan. (...)"
Viele Punkte wirken sehr fortschrittlich und demokratisch, doch was bedeutet schon Demokratie, wenn es im Koran, Sure 33.36 heißt:
"Ein Gläubiger oder eine Gläubige darf, wenn Gott und sein Gesandter eine Angelegenheit entschieden haben, nicht die Möglichkeit haben, in ihrer Angelegenheit frei zu wählen (...)"
und im Artikel 54 der Verfassung u.a.:
"Der Staat ergreift erforderliche Maßnahmen (...) zur Erziehung der Kinder und zur Beseitigung von Traditionen, die den Bestimmungen der heiligen Religion des Islam widersprechen."
Das bedeutet nichts anderes als jene mentale Gleichschaltung, wie sie Millionen von Menschen im Nationalsozialismus und anderen Diktaturen leidvoll erfahren mußten. Und die im Iran gefürchteten, allmächtigen Religionswächter gibt es auch in Afghanistan, wo es nach den Regeln der auch hier rechtsverbindlichen Scharia keine "enduring freedom" gibt, den Glauben zu wechseln, wo selbst gegen Männer Todesurteile ergehen können wegen des Abfalls vom rechten Glauben, wo also von einem beamteten Richter als Organ der staatlichen Justiz der Koran ebenso interpretiert wird wie bei den Taliban, die ihrerseits eine 34-jährige britisch-südafrikanische UNICEF-Mitarbeiterin ermordeten, am 20. Oktober 2008 auf dem Weg ins Büro, als "Ausländerin, die das Christentum gepredigt" habe. Man habe sie "lange verfolgt und endlich bestraft". Vermutlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die erste Bundeswehr-Soldatin "bestraft" wird, wenn sie, vielleicht sogar innerhalb eines Forschungsprojekts und in bester Absicht, den Fehler begeht, "Humanität" zu "predigen". "Verführen wiegt schwerer als Töten", heißt es in Sure 2.216-217. Ob mit oder ohne Resultat, das spielt keine Rolle. "Und kämpft gegen sie, bis es keine Verführung mehr gibt und bis die Religion gänzlich nur noch Gott gehört." (Sure 8,39)
"Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil Gott die einen vor den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) ausgeben. Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben (...). Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie. Wenn sie euch gehorchen, dann wendet nichts Weiteres gegen sie an. (...)."
Koran, Sure 4,34 (zitiert hier)
Wie sehr Teile der Bevölkerung geneigt sind, sich den Taliban zu unterwerfen, welche Rolle dabei geradezu steinzeitliche Moralvorstellungen spielen und in welcher erniedrigenden Weise dort die Frauen behandelt werden, zeigt ein (allerdings divergierend) von den Medien Mitte April 2009 gemeldeter Fall. Radikalislamische Taliban hätten in der südwestafghanischen Provinz Nimros ein unverheiratetes Liebespaar öffentlich hingerichtet. Provinzgouverneur Gholam Dastagir Asaad habe bericht, die 19-jährige Frau und der etwa 23 Jahre alte Mann seien von zu Hause weggelaufen, als ihre Eltern ihnen die Heirat verweigert hätten. Die Familie der Frau habe die beiden im Distrikt Khosh Rud aufgespürt und an die Taliban ausgeliefert, um über sie zu richten. In ihrem Dorf im Bezirk Chasch Rod hätten nach Aussage des Gouverneurs drei Mullahs (Mullahs = Taliban?) sie dann zur örtlichen Moschee gebracht und mit einer Fatwa, einem islamischen Rechtsgutachten, zum Tode verurteilt". Die Extremisten hätten das Paar durch Schüsse vor einer Ansammlung von Dorfbewohnern getötet.
In Peshawar (an der Grenze zu Afghanistan), so eine Meldung vom 4. Dezember 2010, habe ein pakistanischer Imam (=Geistlicher) ein Kopfgeld von umgerechnet ca. 4.400 Euro auf eine wegen Blasphemie (angeblicher Verhöhnung religiöser Inhalte) zum Tode verurteilte Christin ausgesetzt. Im Anschluß an eine Demonstration habe der Imam gesagt, zuerst sei es Aufgabe des Staates, sie zu töten. Sollte sie begnadigt werden, "dann rufen wir die Mudschaheddin, die Taliban und alle, die den Propheten lieben, auf, diese Frau umzubringen."
Auch die deutsche Bundesregierung übt Kritik an den aufs äußerste beschnittenen Frauenrechten in Afghanistan (s. dazu auch unten Anmerkung 7 f). Lt. dem SPIEGEL v. 2.4.2009 hat Präsident Präsident Hamid Karzai, wohl um sich bei den Taliban vor den Wahlen anzubiedern (das sagt alles über seine Glaubwürdigkeit), "kürzlich ein umstrittenes Familiengesetz für die schiitische Minderheit unterzeichnet (demnach sind nicht alle vor den staatlichen Gesetzen gleich!), das Frauen in Afghanistan nach Ansicht von Menschenrechtlerinnen sogar weniger Rechte einräumt als unter den Taliban." Hier Ausschnitte der zugehörigen Debatte am 24. April 2009 im Europäischen Parlament; daraus Bastiaan Belder:
"Zusammenfassend kann die Stellung der Frau in Afghanistan grob in 12 kurzen Punkten umrissen werden:
- eine durchschnittliche Lebenserwartung von 44 Jahren;
- eine hohe Sterberate bei der Entbindung ( 1.600 auf 100.000 Geburten);
- nur 14 % aller Frauen über 15 können lesen;
- ein geringer Status, weil Frauen Eigentum von Männern sind;
- häufige und zunehmende Drohungen und Einschüchterungen von Frauen im öffentlichen Leben, inklusive Mord;
- kaum Schutz afghanischer Frauenorganisationen seitens lokaler Behörden oder ausländischer Truppen gegen gezielte Angriffe;
- im Grunde entscheidet die Familie, ob Mädchen zur Schule gehen können oder nicht;
- regelmäßige Angriffe auf Mädchenschulen - so wurden im November 2008 acht Schülerinnen und vier Lehrerinnen in Kandahar von den Taliban entstellt, die ihnen Säure ins Gesicht spritzten;
- die dauernde Bedrohung durch sexuelle Gewalt innerhalb und außerhalb der Ehe;
- etwa 57 % aller Mädchen werden vor ihrem 16. Lebensjahr verheiratet;
- an Frauen begangene Verbrechen werden kaum gemeldet, da die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen vonseiten der Familie, des Stammes, des Täters oder selbst der Polizei zu groß ist; sowie
- die Selbstverstümmelung und sogar Selbstmord afghanischer Frauen als Reaktion auf ihre hoffnungslose Situation."
Hierzu siehe auch folgenden Link.
Wenn einem in rund 1300 Jahren erkämpfte Werte von Toleranz, Aufklärung und Humanität nicht egal sind und man sie gegen haßerfüllte Engstirnigkeit und kompromißlosen Fanatismus abwägt, hat das nichts mit "Haßpredigten" und "Islamophobie" zu tun, für die neuerdings verdiente Journalisten wie z.B. Henryk M. Broder verantwortlich gemacht werden. Getroffene Hunde bellen. Institutionen und Entwicklungen welcher Art auch immer müssen sich Kritik gefallen lassen und sich vorbehaltslos und offen einer objektiven Diskussion stellen. Wer nichts zu verbergen hat, hat es nicht nötig, wie in einer Berliner Schule den Raum des Islam-Unterrichts so abzusperren, daß nicht einmal die Schuldirektorin (oh Gott, eine den Männern gleichgestellte und einigen sogar übergeordnete Frau!) als Hausherrin Zutritt hat.
Toleranz hat ihre Grenzen (so H. M. Broder). Toleranz nur gegen den Toleranten, soll Voltaire (s. oben) gefordert haben. Toleranz hat kein Existenzrecht in der politischen Realität einer Islamischen Republik. Die (noch) mehrheitlich aus "Ungläubigen" bestehende westliche Welt stützt und stabilisiert in Afghanistan mit riesigem Aufwand und hohem Blutzoll eine Kultur, die in wesentlichen Punkten inkompatibel ist mit dem heute von Induvidualismus, Demokratie, Gleichberechtigung der Geschlechter geprägten, auch mit dem Recht auf Widerstand bewehrten christlichen Abendland (das uns ja lieb und teuer sein sollte!) und mit von diesem möglicherweise "geerbten" Traditionen (s. oben Artikel 54).
Der in den Medien jüngst bereits als künftiger Bundeskanzler gehandelte Karl Theodor zu Guttenberg, der nach einem weiteren Todesfall am 16.10.2010 die Situation in Afghanistan als "Wahnsinn" bezeichnet, wollte noch vor kurzem mit den sogenannten gemäßigten Taliban verhandeln (und ging darin konform mit SPD-Politikern). Würde er seine Frau Stephanie, mit der er am 13.12.2010 quasi als "Weihnachtsbote" Kunduz und Masar-i-Sharif besuchte, auch nur einen halben Tag schutzlos und ohne den Zwang muslimischer Verhüllung der Gesellschaft "gemäßigter" Taliban anvertrauen? Sie wolle die Gelegenheit nutzen, um "von Frau zu Frau" mit deutschen Soldatinnen zu sprechen, sagte die Gräfin (Screenshot rechts) in die Kameras. "Mich interessieren die Menschen hinter dem Einsatz." Auch "Star-Moderator" Johannes B[aptist] Kerner war dabei, zeichnete dazu eine Talkshow auf im Bundeswehrlager. Politik oder PR? Das Ganze sei nichts als eine Art geschickt inszenierter Selbstdarstellung, so die beißende Kritik von Politikern und Journalisten (seit dem 1.3.2011 ist auch diese Episode eine "Fußnote" der Geschichte - Guttenberg ist zurückgetreten).
Wie noch in der Süddeutschen Zeitung v. 24.1.2010 gemeldet, wollte Außenminister Westerwelle allen Ernstes "Alt-Islamisten dafür bezahlen, dass sie den Kampf gegen den Westen aufgeben". Für das "Aussteiger"-Programm sollten 50 Millionen Euro aufgelegt und ferner die Entwicklungshilfe für das "arme" Afghanistan verdoppelt werden.
Der Dummheit und Naivität sind keine Grenzen gesetzt. Glaubt man allen Ernstes, fanatische Gotteskrieger legen ihren kompromißlosen Glauben und den daraus praktizierten Haß ab wie ein altes Hemd? Und wenn doch? Offenbar weiß niemand von der islamtypischen Taqya (which) "is not equal to telling lie. Taqya means to hide your real belief for the sake of your safety. Some times, to keep oneself from a danger, one might tell a lie to hide one's real belief, although one is not really a sort of person that uses to tell lies." Das paßt genau zu einer ebenfalls am 24.1. von der BBC übertragenen Diskussion, in der eine üppige, kopftuchlose Schönheit auftrat (und vehement Karzai verteidigte) als "Abgeordnete des afghanischen Parlaments"; in ihrer Heimat dürfte sie wohl kaum in diesem Outfit agieren.
Wie lange noch?
"Wenn Gott eine Nation bestrafen will, dann lässt er sie in Afghanistan einfallen."
Alt-asiatische Weisheit, zit. in DER SPIEGEL 4/2010, S. 80"Eine reale Bedrohung der Bundesrepublik Deutschland durch unsere direkten Nachbarn existiert nicht mehr. Und so sind uns die jahrelang gepflegten Feindbilder ausgegangen und unsere Politiker suchen verzweifelt nach einer neuen Bedrohung. Nur so ist es erklärlich, dass die heutige Bundesregierung, frei nach Peter Struck, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nun am Hindukusch verteidigt. Mit dieser Aussage wäre ein normaler Bürger in die Psychiatrie eingewiesen worden."
Rainer KAHNI in "Ironimus online", 5.2.2014
Während, nach acht Jahren Afghanistankrieg, im Dezember 2009 ein NATO-Viersternegeneral zusätzliche Truppen fordert und Barack Obama weitere 30.000 US-Soldaten entsenden will, fragen sich nicht nur hierzulande immer mehr durchaus Gutwillige und Tolerante, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, sich in diesem Lande zu engagieren oder ob es nicht vernünftiger wäre, den Rückzug anzutreten. -Zigtausende unschuldiger Zivilisten fielen bisher dem sogenannten Antiterror-Kampf zum Opfer6g). Ähnlich wie in anderen Kriegen ist auch hier eine unkontrollierbare Eigengesetzlichkeit entstanden. In mehr als acht Jahren haben sich auf beiden Seiten Ressentiments, Haß und Gewalt so akkumuliert, daß es mit jedem weiteren Tag schwerer wird, zu einem erträglichen Miteinander zurückzufinden. So wie sich das (nun auch offiziell) islamische Afghanistan de facto gegen die Normen der Toleranz vergeht und gut gemeinte Bemühungen mit erhöhter Opiumproduktion und skandalöser Korruption "belohnt", macht sich die westliche Welt dort auf Dauer schuldig mit ihren Bomben. Die in dieser Atmosphäre geschehenden Morde an Helfern und Journalisten rücken auch die Forderungen nach mehr zivilem Engagement in ein zweifelhaftes Licht, zumal, wie am 6.8.2010 gemeldet, sechs von Kugeln durchsiebte Leichen deutscher Ärzte gefunden wurden.
Die "Abzugsperspektive" rücke näher, meldet Stefan Koch am 21. Januar 2010 in einer Tageszeitung. Herr zu Guttenberg habe der "Zeit" gegenüber sich dafür ausgesprochen, "den Bundeswehr-Einsatz zwischen den Jahren 2013 bis 2015 zu beenden" (dazu Screenshot re. aus der "Heute-Show" vom 22.1.2010) - und dies mit mindestens 850 weiteren Soldaten, überhaupt sollten, auch dies auf amerikanischen Druck hin, unsere Soldaten "mehr Risikobereitschaft" zeigen und sich mehr "unter das Volk mischen" (das freut die Lobby der Zinksarg-Hersteller). Das bedeutet, aus dieser Perspektive: Jahre weiteren Kämpfens, weiteren Sterbens, mit vielen tausenden ziviler Opfer, wie im Juli 2010 bekannt wurde, mit bislang rund 35 Milliarden Euro Euro für Krieg und Zerstörung aus dem rekordverdächtig geplünderten deutschen Steuersäckel.
Unbeliebte Eindringlinge
Die Stimmung in Afghanistan könnte kippen, heißt es ikn
Zeitungsmeldungen vom 1. Juni 2011. Das Verhältnis zur
"verbündeten afghanischen Regierung" verschlechtere sich
zusehends.
Präsident Karsai warne davor, daß die sich Stimmung des
afghanischen
Volkes gegen die "Schutztruppe" richten könne, und wird
folgendermaßen
zitiert:
"Wenn sie (die ISAF) weiterhin unsere Häuser bombardiert, dann wird ihre Präsenz nicht mehr als Kampf gegen den Terrorismus gesehen, sondern als Einsatz gegen das afghanische Volk. (...) Für einen solchen Fall hat die Geschichte gezeigt, wie die Afghanen mit Eindringlingen umgehen."
Kurz davor hatte es einen angeblich durch einheimische Polizisten ermöglichten tödlichen Anschlag auf ein deutsch-afghanisches Sicherheitstreffen in Talokan gegeben, bei dem u.a. zwei deutsche Soldaten getötet sowie eine Soldatin und eine Dolmetscherin schwer verletzt wurden.
Illusion vs. Realität
Die Zweifel am Sinn und der Effektivität des sogenannten
"Stabilisierungseinsatzes" sind nicht neu. Am 20.10.2k8
beispielsweise wurden
zwei deutsche Soldaten und fünf afghanische Kinder (!) bei einem
Selbstmordanschlag in der Region
Kundus
getötet. Das Gerede vom sicheren Norden, so die
Münchner
Abendzeitung (zit. bei
Info Radio) hierzu, sei ebenso eine Illusion
wie die
Behauptung, dieser "Konflikt" sei militärisch zu gewinnen. Die
radikalislamischen Taliban werden im kriegsentscheidenden Jahr
2010
aufrüsten wie nie zuvor (und zunehmend mit Angriffen aufwarten wie
dem
vom 18.1. auf das
Regierungsviertel
in Kabul); sie konnten längst nicht so niedergerungen
werden
wie
behauptet. Ungehindert und im Angesicht einer
ebenso
eingeschüchterten wie verunsicherten (und gleichgültig gewordenen)
Bevölkerung
brennen sie Schulen nieder und erschießen
Lehrer.
Rührend, (und sehr werbewirksam), daß OpInfo bereits am 14.09.2004 in Kunduz eine Notrufnummer-Hotline ins Leben gerufen hat ("Melden Sie Gewalt und Terror") und daß die Bevölkerung dort jetzt rund um die Uhr in der Lage sei, "die lokale Polizei anzurufen, um Straftaten zu melden". Doch sind nach jüngsten Berichten viele Polizisten korrupt und hatten nichts Besseres zu tun, als, wie jüngst (Okt. 2009) bekannt wurde, nach Dienst-Ende oder Entlassung ihre aus deutschen Bundeswehrbeständen geschenkt erhaltenen Handfeuerwaffen tausendfach für viel Geld an dubiose Waffenhändler zu verscherbeln.
Soldatinnen, die ostentativ mit dem ISAF-Emblem herumlaufen, sind in höchster Gefahr - das läßt sich auch dann nicht völlig ausschließen, wenn sie von bis an die Zähne bewaffneten männlichen "Kollegen" begleitet werden und / oder in bester Absicht kleine "Liebesgaben" an Kinder verteilen. Angesichts einer mittelalterlich-fanatischen Religionsausübung7) wäre es ein krimineller Leichtsinn, jungen Frauen einzureden, sie könnten als Dolmetscherin, Mediatorin oder Propagandistin in der "Zielgruppe Taliban" etwas ausrichten, und sie so einem Schicksal zu überlassen, das in Folter und Vergewaltigung enden oder gar das Leben kosten kann - denn entgegen aller gezielter Verharmlosung ist ungeschminkte Realität, daß bei den radikalen Taliban eine Frau etwa denselben Stellenwert hat wie ein beliebig mißhandelbares Nutztier.
Wo die stolze, schöne, souverän wirkende ISAF-Soldatin rechts fotografiert wurde, wissen wir nicht. Zuletzt entdecke ich das Foto im Bericht zu einer Studie "Afghanistan ist sicherer geworden", publiziert im Bundeswehr-Portal am 8.2.2008 (mit Quellenangabe "Die Bundeswehr hilft Kindern in der Dritten Welt e.V.") Mehr als 2.000 Haushalte in 77 (afghanischen) Gemeinden seien von Wissenschaftler/innen der FU Berlin im ersten Halbjahr 2007 befragt worden, wie das Engagement internationaler Helfer und Truppen in ihrem Land erlebt und gesehen werde. Eine "überwältigende Mehrheit" meine, das Land sei "sicherer geworden".
Unklar bleibt, was hier unter "Haushalten" verstanden wird und was unter "Gemeinden"; in einer fast steinzeitlichen Männergesellschaft, wo (wie vor Jahren noch in Albanien) Waffen die Hauptrolle spielen, wo - zumindest in den abgelegenen Regionen - Frauen nicht selten als unmündig angesehen, als Kinderbräute verkuppelt oder wie Haustiere gehalten werden, wirkt eine solche Soldatin wie ein Wesen von einem anderen Stern und begibt sich außerdem in höchste Gefahr.Wenn eine HUMINT- oder Sanitäts-Soldatin so einfach ein Kind aus dem Familienverbund heraus und auf den Arm nimmt, muß das wie eine Demütigung wirken. Das Bild setzt auch andere Assoziationen frei. Wie verträgt sich die Rolle der Frau und Mutter mit einem Einsatz und Kampfauftrag, der potentielles Töten einschließt? Kann - so wandte eine meiner Studentinnen ein - eine Frau hernach ihrem Kind noch Liebe und Zärtlichkeit schenken?
Passend zu obigem Soldatinnen-Image wird im geradezu absurd anmutend mit Soldatenglück.de titulierten "Streitkräfte-Blog" ein von einem gewissen Dirk am 15. Juni 2010 eingestelltes Bild publiziert mit der Unterschrift "Diese Frau Hauptgefreite (Lw) im Auslandseinsatz der Bundeswehr bei ISAF in Afghanistan, abgesessen vom DINGO, zeigt mit Ihrer Geste im Spiel mit den afghanischen Kindern mehr als tausend Wort sagen können - die Zukunft Afghanistans haben auch wir in der Hand."
Doch: was ist - in solchen Kriegen - das Leben eines Kindes wert? Diese rhetorische Frage stellte sich die "aspekte"-Moderatorin spät abends am 11. Januar 2008 in ihrem Bericht zu einem wahrhaft alarmierenden Buch. Achim Wohlgethan, wie unser neuer Verteidigungsminister ehemaliger Stabsunteroffizier, und sein Co-Autor, Hauptmann der Reserve und Ex-Presseoffizier Dirk Schulze schildern in dem bei Econ erschienenen, zum Bestseller gewordenen Insider-Bericht "Endstation Kabul"8), wie im Rahmen einer Schieß-Übung von (vermutlich niederländischen) ISAF-Soldaten Kinder als "Minensucher" mißbraucht wurden. Hier heißt es auf Seite 78:
"Ich wurde nun Augenzeuge, wie ISAF-Soldaten sehr unkonventionell testeten, ob das Gelände an dieser Stelle vermint war - und zwar mit Äpfeln! Dazu winkten die Soldaten die vielen Kinder heran, die auf dem Schießplatz leere Messinghülsen sammelten, weil diese bares Geld wert waren. Dann griffen die Soldaten hinter sich in eine Kiste mit Äpfeln, hielten sie den Kindern vor die Nase und schmissen sie ins Gelände. Dann warteten sie ab, was passierte. Wenn die Kinder losliefen, um die Äpfel zu holen, und es keinen Knall gab, wurde dieses Feld als geklärt und unvermint betrachtet. (...) Ich sah mir dieses Treiben, abgestumpft, wie ich bereits war, recht unbeteiligt an."
Der Einsatz von Minensuchgeräten sei in einem so großen Areal zu aufwendig, heißt es sinngemäß im "aspekte"-Interview vom 11.1.2008; und man habe schließlich unversehrt nach Hause kommen wollen - kein Wort des Bedauerns. Mir ist übrigens kein einziges derartiges Vorkommnis bekannt aus der Geschichte der neuerdings so herabgewürdigten Deutschen Wehrmacht. Inzwischen (Anfang 2010) sind dieser Vorfall und das Interview völlig vergessen. Die von einer zynischen Soldateska mißbrauchten Kinder von Kabul haben keine Lobby, die mediale Aktionen "Gegen das Vergessen" fordert und fördert.
Hauptmann Ulrike Steiger - Fiktion trifft
Realität
Uli Steiger, eine fiktive, aber sehr real wirkende Gestalt, ist Hauptmann der Feldjäger, die in Afghanistan Polizisten ausbilden; irgendwann will sie auch selbst dort ihren Beitrag leisten. Ihr Vater, Oberst Horst Steiger, kommandiert die Einheit (Feldjägerdienstkommando in München) und sendet Soldaten zum Hindukusch, wo die Lage immer bedrohlicher geworden ist.
"Jeder Soldat ist hervorragend ausgebildet und vorbereitet auf seinen Einsatz."
"Auch auf den Tod? Und ich meine nicht auf seinen eigenen."
"Ja, manchmal ist das auch ein schmutziges Geschäft. Aber was wäre diese Republik, ja die ganze westliche Welt, wenn es nicht Männer und Frauen geben würde - wir schaffen dort eine funktionierende Polizei. Das ist die Aufgabe der Feldjäger!"
Verkörpert wird Uli Steiger von Stefanie Stappenbeck in einem "Polizeiruf 110" (Drehbeginn 21.10.2008), der am 17.9.2009 (also kurz nach dem Luftangriff auf die Tanklastzüge) auf dem Oldenburg International Film Festival vorgestellt und am 29.11.2009 in der ARD gesendet (und jüngst am 26.7.2012 vom WDR wiederholt) wurde unter dem Titel "Klick gemacht" (die obigen Screenshots habe ich vom Bildschirm abfotografiert). Eindrucksvoll erleben wir die Wandlung einer jungen, forschen, zutiefst überzeugten (und dabei ebenso naiven) Soldatin zur nachdenklichen, letztendlich befreiten, lebensfrohen jungen Frau.
Am 23. April 2008 kehrt eine aus drei Mercedes-Jeeps bestehende Patrouille von einer Erkundungsfahrt (am Chaiber-Paß, bei Kunduz) zurück; der US-Song "Mister Sandman - bring me a dream" tönt aus dem Radio und die Männer sind guter Dinge. "Drei Tage noch mit euch, Mädels, dann ab in die Heimat". Auf wiederholte Frage bestätigt ein Oberleutnant am Funkstützpunkt, die Route sei sicher; das sei ein Befehl. Sekunden später wird von (nach Gebetsvorschrift fünfmal) "Allahu akbar" (Allah ist groß) skandierenden Taliban eine Mine gezündet, das mittlere Fahrzeug, ein Sechssitzer, wird zerfetzt. Drei der Männer an Bord finden den Tod - unter ihnen Robert; später werden wir erfahren, daß er entsetzlich zugerichtet (Bild 4) wurde und von seinem später aufs höchste traumatisierten Kameraden und besten Freund den Gnadenschuß erhielt.
Zwei Soldaten überbringen einer Familie die Todesnachricht; draußen spielen Kinder, der Hund einer jungen Frau reißt sich los. Entsetztes Schreien. Dann die Beisetzung. Die Särge in der Halle sind mit Fahnen bedeckt. Beflorte Bilder junger Soldaten. Eine junge blonde Frau durchquert die Halle, eine Mutter steht teilnahmslos da mit leerem Blick. Ein Oberst kondoliert, erwidert den Gruß eines älteren Hauptfeldwebels mit Trauerflor.
(...) Ihr Sohn und seine Kameraden haben durch ihren Dienst zum Frieden in der Welt beigetragen. Sie haben es für die Sicherheit und eine friedliche Entwicklung des afghanischen Volkes - und für unsere eigene Sicherheit getan."
"Was war denn mit der Sicherheit von Klaus, hm? Sie reden eine Scheiße hier, so eine verlogene Scheiße! (...) Sie sind tot - für wen? für was? für unsere Sicherheit, für unsere Freiheit, natürlich (...) Sie kotzen mich an, sie kotzen mich so an!"
Die blonde Frau wird weggeführt. "Werden Sie sich jetzt angemessen verhalten?" fragt eine junge Soldatin in Hauptmannsuniform. "Das ist ihr Mann da im Sarg." "Genau. Mein Mann. Jetzt ist er tot. Wofür? Das ist der Anfang." Drei Wochen war sie verheiratet, die junge Witwe, erfahren wir später:
"Immerhin. Drei Wochen. Ist doch großartig, nicht wahr? Zweieinhalb Wochen davon war der Klaus in Kunduz. Und dann kam dieser - Oberscheißoffizier ... Zwei Meter war der groß, der Klaus, aber - es war nicht mehr so viel übrig, daß ich ihn hätte begraben können ... aber 'n schönen Sarg haben sie ihm spendiert, das ist doch was, oder? 's ist der Anfang, ich hab's Ihnen gesagt, es ist der Anfang."
Inzwischen ist die Ermittelung angelaufen. Hauptkommissar Friedl Papen (Jörg Hube +) trifft in Darkows Wohnung auf eine zierliche, junge Soldatin:
"Wo ist dieser Hauptmann? Ich dachte, hier kümmert sich jemand. Steiger! Steiger! Wie können Sie das zulassen, daß das Kind hier alles mitbekommt?"
"Wer sind Sie?"
"Hauptkommissar Papen. Das ist mein Fall hier."
"Rückkehr des Ehepaars von einer Feierlichkeit gegen 0 Uhr 55. Sofortige Entführung von Oberleutnant Darkow. Der Täter hatte offensichtlich gewartet vor dem Haus. Niederschlagen und Einsperren der Ehefrau. Danach Flucht im Wagen des Opfers. Grobe Täterbeschreibung, gibt nicht viel her. Ich bin Ihr Verbindungsglied zur Truppe in diesem Fall, in allen Fragen. Und bitte machen Sie sich nicht lustig über Verbindungs-"Glied" oder Haupt-"Mann". Das ist nicht komisch."
"Hm-hm."
Im dunklen Wald dirigiert der Entführer den Oberleutnant, plaziert
ihn
auf einer
Landmine (Bild oben links) - mit
Entlastungszünder,
wie Darkow entsetzt bemerkt. "Die Sprengleistung einer solchen
Mine kann
sogar gepanzerte Fahrzeuge außer Gefecht setzen. (...)
Entlastungszünder werden vornehmlich dafür eingesetzt, um die
Bergung
der Mine zu verhindern", wird Oberst Steiger später an genau
demselben
Minen-Typ (Bild oben rechts;: den "DM 49" gibt es
tatsächlich) erläutern. "Ja, so ist die
Welt."
Nun wieder die rauhe, erbarmungslose Stimme:
"Warum die gefährliche Südroute? Was ist da passiert?"
"Ich kann nichts dafür."
"Du hast sie doch dahingeschickt!"
"Ich hab keine Schuld. Das - ergab eine Untersuchung."
"Ich will die Wahrheit wissen! Warum die gefährliche Südroute?"
"Warum machen Sie das?"
"Von jetzt an kannst du gestehen, wann immer du willst."
Ein kurzer Piepton. Der Wagen entfernt sich. Zwei rote Lichter; wenig später entfernt sich ein Motorrad von einer Hütte im Wald. "Ein Männlein steht im Walde" tönt es kurz nach 6 Uhr aus einem Computer im Verteidigungsministerium: auf dem Monitor ein Kurzvideo der Entführung.
In der Münchner Feldjäger-Kaserne studiert Papen Darkows Personalakte.
"Hat 'ne Menge Auszeichnungen, der Herr Oberleutnant. Blitzkarriere trotz Beförderungsstau."
"Die Auslandseinsätze."
"Horn von Afrika, Kosovo, Afghanistan. War er da überall für die Sicherheit der Soldaten zuständig?"
"Jedenfalls zuletzt in Kunduz."
"Gab es irgendeinen Vorfall unter seiner Verantwortung dort? Da könnte ein Motiv zu finden sein."
"Am 23. April. Drei tote Kameraden."
"Hmm. Ich erinnere mich. Sie haben unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt."
"Ich glaube nicht, daß Zivilisten beurteilen können, was die Kameraden da leisten, für die Menschen dort und für das Ansehen unserer Republik."
"Ist mir schon klar. Sie sind ein überzeugter Soldat."
"Steht das zur Debatte? Ich denke, nicht."
"Hmmm."
"Was?"
"Ich denke nicht."
"Und das reicht aus, Sie zu belustigen."
"Nicht denken und Bundeswehr?!"
"Lassen Sie's - es wird nicht besser. Außerdem hatte Struck gesagt, daß unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt wird. Sie kamen alle drei hier aus der Kaserne, sie waren meine Kameraden. In Afghanistan hatten sie Polizisten ausgebildet; das ist und bleibt eine sinnvolle Mission, da können Sie und all die anderen Besserwisser noch so zynische Witze machen."
Ulrike Steiger konsultiert ihren Vater:
"Ein tragisches Mißverständnis?"
"Aufgrund der schlechten Funkverbindungen. Ja."
"Und das ist alles? Der ganze Untersuchungsbericht über den Anschlag?"
"Für die Öffentlichkeit reicht es."
"Ja. Wir müssen aber wissen, wer was ausgesagt hat."
"Die einzelnen Aussagen fallen unter Geheimhaltung."
"Was ist so geheim daran? Wir müssen wissen, warum man Darkow entführt hat. Nur so können wir den Täter finden."
"Wir? Uli, du bist Soldat. Nicht Polizist."
"Es geht darum, ein Leben zu retten. Das Leben eines Kameraden."
"Ich kann die Geheimhaltung nicht aufheben. Das liegt nicht in meinem Ermessen."
"Papa! Rolf Darkow steht da irgendwo draußen allein auf einer Mine - wir müssen doch alles tun, um ihn zu retten!"
"Das hat einen Sinn, die Geheimhaltung. Und das solltest du wissen. Wenn sensible Daten oder Informationen an die Öffentlichkeit kommen - was glaubst du, wie viel Kameraden das das Leben kosten kann."
"Und wenn Darkow stirbt?"
"Ich kann die Geheimhaltung nicht aufheben. Ende der Diskussion. Ich suche alles zusammen, was dieser Kommissar über den Entführer wissen muß."
"Über den Entführer: was kann er denn so Geheimes von Darkow erfahren? Du weißt es, Papa. Du hast den Anschlag mit untersucht, du bist sein Vorgesetzter."
"Ja ja, und sage: keine Diskussion."
"Du mußt doch nur irgendwo anrufen, dann heben sie die Geheimhaltung auf für die Polizei."
"Und die Suche nach Oberleutnant Darkow steht doch jetzt voll absolut im Vordergrund. Ihn zu finden, unversehrt, da ist die Polizei gefragt. Das ist deren Job. Und ich hoffe, sie machen ihn gut. - Was vermutet er denn, dieser Kommissar?"
"Wär' gut, wenn du dich mit deinem Material wahr hältst."
"Was ist das denn für ein Ton?"
"Melde mich ab!"
"Und ich habe geglaubt, du besuchst mich wegen deinem Auslandseinsatz!"
In der Familie des gefallenen Robert Wegener werden die Eltern befragt; Swenja Wegener, Roberts Frau und Mutter zweier kleiner Jungen, zeigt sein Zimmer:
"So ist Robert aufgewachsen (...) Ich habe nicht gewußt, daß sein Vater, sein Großvater - daß eine Familie seinen Weg so bestimmt hat. Vielleicht habe ich ihn ja auch gar nicht wirklich gekannt."
"Vielleicht war er einfach ein überzeugter Soldat."
"Wollen Sie seine Briefe lesen? Wie sinnlos das alles ist da in Afghanistan?"
"Er hat einige Zusammenhänge nicht begriffen."
"Durchhalteparolen. Wie er die gehaßt hat! Wie er gehaßt hat, was hier drüber berichtet wird. Nichts über Tod, Frust, Drogen - es paßt ja nicht in das Bild, das die da alle wollen."
"Wer nach Kunduz geht, weiß ganz genau, worauf er sich einläßt."
"Nein - keiner hat Robert vorher über all das Schmutzige erzählt, über die Langeweile, die Angst in jedem Moment, die Selbstmorde im Lager. Mein Robert war kein überzeugter Soldat. Vielleicht sind Sie das - er war das nicht."
Hauptfeldwebel Peter Jünnemann, Fahrer des von der Mine getroffenen Jeeps, wird als Komplize ermittelt. Er hat immer wieder Eingaben gemacht, dann Drohbriefe verschickt und schließlich das Darkow-Video ins Netz gestellt. Jünnemann wurde schwer verwundet und sitzt im Rollstuhl:
"Wenn Sie Monate lang immer nur gegen die Wand rennen, dann suchen Sie immer einen anderen Weg. Es war kein tragisches Mißverständnis am 23. April. Die haben mir leider nicht das Gehirn weggepustet, ich erinnere mich doch. Sicher, Südroute, Befehl, ja, Befehl ist Befehl. Den hat Darkow gefunkt. Aber er ist Oberleutnant, meine Zeugen sind tot."
"Deshalb haben Sie ihn entführt?"
"Um Ihre Wahrheit zu erzwingen?"
"Das ist jedenfalls nicht Papas Wahrheit, was? Dem geht ganz schön die Muffe jetzt, oder? Den allen?"
"Sie können nicht mit Ihrer Schuld umgehen, das ist alles. "
"Ich hab keine."
"Und wenn Darkow stirbt?"
"Daran werd' ich auch nicht schuld sein, ganz sicher."
"Wo ist er?"
"Wissen Sie was: die Truppe hat versucht, den Anschlag als Unfall zu deklarieren, damit meine Haftpflicht die Folgekosten übernimmt. Meine Haftpflichtversicherung! Das ist genial, oder? - Ja, was ich sage, das paßt einfach nicht in das Bild von der Operation Enduring Freedom."
"Weil es nun mal größer ist als ein einzelnes Schicksal. Sie wußten, worauf Sie sich einlassen."
"Ja, und ich hab daran geglaubt. Weil ich den Berichten geglaubt hab. Aber wenn hier 'ne Umfrage mal wieder zeigte, daß die Deutschen die Schnauze von dem Krieg da voll haben, dann tauchten in Kunduz plötzlich die Hof-Photographen der Regierungen auf, wir sind mit denen zu irgend 'ner Schule gefahren, am besten: Mädchenschule, lachende Mädchen, lachende Mädchen haben die dann fotografiert, aber bitte nur in kleinen, in angenehmen Bildausschnitten eben - ja, und wer das nicht mitgemacht hat, der darf am nächsten Mal eben nicht mehr mit dem Minister mitfliegen - so einfach ist das. Kriege gewinnen Sie heute nicht mehr ohne die Medien. Embedded journalism - das ist genial, und dabei immer schön vom Frieden reden, keine schmutzigen Wörter wie Kriegseinsatz oder Todesopfer." (...)
Unbemerkt hat er eine Tellermine hervorgeholt und sich dann auf sie heruntergelassen.
"Hauptfeldwebel Jünnemann - meldet sich ab!"
Die Mine reißt ihn in Fetzen, der Rollstuhl wird wie ein Spielzeug emporgeschleudert, Hauptmann Steiger ist zum ersten Male tief betroffen (Bild 3).
Im Waldstück gesteht der von endlosem Ausharren zermürbte Darkow in die Kamera:
"Es ist Krieg - ich war im Krieg - es war ein Befehl - hatte 'n Befehl. Das's Krieg. Ich war im Krieg. Die wollten - doch nur beweisen, daß sie Fortschritte machen. Den Menschen in - der Welt wollten die beweisen, daß es so alles richtig ist. Weil die sonst niemand mehr - wählt - unterstützt. Deshalb sollten die Reporter kommen, berichten, daß das so alles gut ist - alles ist gut! Es ist gut, es ist gut, es ist guuut!"
Auch Nicole Seiffert, die während der Beisetzung die Contenance verlor, ist involviert. Ein Reifenabdruck aus dem Wald paßt zu ihrem Motorrad. Sie hat Jünnemann geholfen und verrät nun, daß es Hauptfeldwebel Wegener war, der den Oberleutnant zum Wald brachte; er hatte seinen Sohn gezwungen, sich freiwillig zu melden, und Robert hatte nicht als Feigling vor seinem Vater dastehen wollen.
Wegener, den Darkow, noch auf der Mine stehend, bei einem Handgemenge demaskieren konnte, wird festgenommen und verhört; auf seinem Handy hat man ein Video aus dem Wald gefunden. Doch weigert er sich, Darkows Standort zu verraten. Während Tom Brauer aus der Zelle geholt wird, informiert Uli Steiger ihren Vater, im Wald sei eine Videokamera postiert; sie meldet sich ab, der Oberst greift zum Hörer. Uli kommen Tränen, als sie hinausgeht.
Im Verhör-Raum der Kripo ertönt "Mister Sandman...". Aus dem nach einem Fluchtversuch inhaftierten, schwer traumatisierten und medikamentenabhängig gewordenen Tom Brauer, der seinen Kameraden (Bild 4) erlöste, bricht es hervor:
"Ihr wißt gar nichts. Gar nichts wißt ihr!!! Er hatte kein Bein mehr - einfach abgefetzt, sein Oberkörper aufgerissen - "Hilf mir!" hat er gerufen, immer wieder, "Hilf mir!" - er hat auf meine Waffe gezeigt, immer wieder, immer wieder, immer wieder. Dieser Geruch, Gestank, und sein Flehen. Da habe ich geschossen. Jede Nacht seitdem schieße ich, jede Nacht muß ich meinen besten Freund erschießen, ich bin der Hölle nicht entkommen."
Wegener führt die Kripo in den Wald, Oberleutnant Darkow wird befreit, die Tellermine war nicht scharf gewesen. Auf dem Dienstcomputer ihres Vaters entdeckt Uli den vollständigen Bericht (Screenshot rechts, siehe auch unten)10)
"Was machst du da? Hintergehst du mich?"
"Wenn, dann hab ich das von dir. - Die Kamera - war weg, als wir zu Darkow kamen. Wo ist sie?"
"Und du glaubst, ich hab sie hier."
"Du hast davon gewußt."
"Du auch! Und die Polizei - wer weiß, was sonst noch; ich bin dein Vater, Uli!"
"Ich hab gelesen, was da steht. Darkows Aussage nach dem Anschlag."
"Na und?"
"Er zitiert dich. Daß du Erfolge verlangt hast. Positive Meldungen. Der Anschlag - das war kein Mißverständnis, kein Problem im Funkverkehr. Stimmts? - Scheiße! Das ist doch nichts wert! Wenn man nicht zu seiner Verantwortung steht, nach so einem Anschlag!"
"Begreifst du das denn nicht? Wir sind im Krieg, Uli! Vor den Augen der gesamten Öffentlichkeit, was glaubst du, passiert hier, wenn wir Fehlleistungen Einzelner aufbauschen? - Es war ein Fehler im Funkverkehr, ein tragisches Mißverständnis. Oberleutnant Darkow hat die Verantwortung vorgeschlagen. Es ist vorbei, hm?"
Noch einmal fährt Uli zu ihrem Vater, appelliert an ihn:
"Wenn du was mit vertuschst, Papa, das wird rauskommen - da muß es irgendwo eine Kamera geben, die Darkow filmt. Sag mir, was du weißt, bitte! Es ist noch Zeit."
"Wir sind zur Friedenssicherung in Afghanistan. Zum Aufbau einer funktionierenden Demokratie."
"Und hier haben wir vergessen, wie sie funktioniert? - Aber jetzt ist der Krieg hier; unsere Kameraden haben ihn hergebracht."
"So leicht läßt du dich beeinflussen von diesem Kommissar, Uli? Du warst immer auf meiner Seite."
Marschschritte. Die Kompanie tritt an, im Flecktarn.
"Kameraden! In exakt siebzehn Stunden geht es los. Das sind die letzten Stunden für Sie auf deutschem Boden auf längere Zeit. Ich versichere Ihnen: Sie sind auf alles gut vorbereitet."
"Reeechts um! Nach links auf die Unterkünfte - wegtreten!"
Der Camcorder erscheint im Bild, das Band wird mit einer Wechselstromdrossel gelöscht. Am Abend fährt Uli Steiger zurück, erhält am Kasernentor eine Kamera, die angeblich gefunden wurde.
"Ich glaub, das ist Jünnemanns Kamera. Mit Band drin." Ihre Augen leuchten, von letzter Hoffnung. Ein paar Sekunden Darkow, dann zerfetztes Bild. "Ich hatte meinem Vater von der Kamera erzählt. Es tut mir leid. Ich hab wirklich gedacht, er würde uns helfen."
"Ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedanken. Das war sehr gute Arbeit. Ich habe das Gefühl, ich verdanke Ihnen mein Leben."
"Sie wissen ja, wie das ist mit der Verantwortung für das Leben anderer."
Mit dem Video auf Jünnemanns kleinem Player konfrontiert, streitet Darkow alles ab, doch Hauptkommissar Papen hält ihm vor:
"Das ist die Tageszeitung vom 21.4.; hier steht: "keine vierzig Prozent der Deutschen befürworten den Einsatz am Hindukusch. Am 25. April war ein Besuch des Ministers in Kunduz geplant. Da brauchte man im Vorfeld gute Nachrichten. Richtig? Und da wollten Sie für die ersehnte gute Nachrichten sorgen."
"Ich werde mich auf so eine unsinnige Diskussion nicht mit Ihnen einlassen."
"Drei Kameraden sind damals gestorben, weil Sie den Ehrgeiz hatten, die gute Nachricht zu liefern: "Die Südroute ist sicher. Es geht voran, endlich."
"Das ist absurd. Der Untersuchungsbericht über den 23. April, der widerlegt Sie in allen Punkten."
"Ein Bericht, den Kameraden verfaßt haben - und von dem nur eine Zusammenfassung an die Öffentlichkeit kam. Wußten Sie, daß diese Kameraden bereit waren, Sie zu opfern? Und daß sie uns falsche Fährten gelegt haben? Das hier ist der vollständige Bericht."
"Keine konkreten Namen. - Hört da eigentlich jemand mit?"
"Das hier ist ein Gespräch, kein Verhör."
Hauptmann Steiger hat alles mitgehört. Darkow flüstert nun:
"Ich lebe noch. Wenn Sie recht haben sollten damit, dann würde mich diese Schuld der Kameraden sicher nicht gerade behindern auf meinem weiteren Weg nach oben."
KHK Papen wird ins Büro des Chefs gerufen; es sei dringend.
"Damit ist der Fall Darkow beendet, Hauptkommissar Papen, das ist eine Bitte von oben, von ganz ... Mit denen werde ich mich nicht anlegen."
"Aber ich hab Darkow so weit."
"Ja - und als Beweis ein Videoband ohne Geständnis. Und selbst wenn - es wäre unter Druck und damit - Papen, Sie haben keinen Karriere-Ehrgeiz, das verstehe ich, aber ich, ich möcht schön ein Bissl weiter kommen - wir verstehn uns, das freut mich. Lohnt sich doch nicht, für was zu kämpfen, das eh schon - oder?"
Papen durchquert den Flur. "Unser Erfolg beruht auf 384.496 Beinen", steht auf der Rückseite eines Monitors.
Die Verlogenheit wird offenbar. Uli Steiger erkennt, welche Rolle ihr Vater gespielt hat: er hat das Nummernschild des Mercedes austauschen lassen (und damit die Suche nach Darkow verzögert), die Kamera verschwand, das Video-Geständnis wurde unbrauchbar.
Die Kompanie ist angetreten..
"Morgen, Soldaten!"
"Morgen, Herr Oberst!"
"Augen gerade - aus!"
"Kompanie - rührt euch!"
"Kameraden! Ich freue mich, heute jemanden aus Ihren Reihen mit der Ehrenmedaille auszuzeichnen. Hauptmann Steiger - vortreten! Hauptmann Steiger!!! Vortreten!!!"
Machtlos verhallt das Kommando. In ihrer Dienstuniform mit dem weinroten Barett und ohne zurückzuschauen verläßt Uli Steiger das Kasernengelände, die Schranke schließt sich hinter ihr. Kurz darauf steht sie wartend vor dem Kommissariat.
"Da bin ich."
"Zivil?"
"Ja. Sie haben doch gesagt, Sie könnten so jemand wie mich, so eine - könnten Sie brauchen."
"Hmmm. Na ja."
Ein Lächeln umspannt ihre Züge. Welch eine schöne, sympathische
junge Frau. Beide gehen hinauf zu Papens Arbeitsstelle.
(Text und Transkriptionen: Wolfgang Näser)
Demaskierung statt Heuchelei
Bei
einem
"feigen Taliban-Angriff" fanden am 7.4.2010, dem "schwarzen
Karfreitag"
(Bild) drei Bundeswehr-Fallschirmjäger
westlich des
Feldlagers Kunduz den Tod. In einer großangelegten
Trauerfeier wurde ihnen im niedersächsischen
Selsingen
die letzte Ehre erwiesen. "Deutschland verneigt sich vor den
Soldaten", so
Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Kabarettist Georg Schramm demaskiert als "Oberstleutnant Sanftleben" das naßforsche Haudegen-Image kriegslüsterner Salon-Strategen, Politiker und Offiziere; von salbungsvollen Worten und profilneurotischen Auftritten hält er nichts. In der außerordentlich scharf und provokant gestalteten Folge "Neues aus der Anstalt" vom 13. April 2010 (mein Screenshot rechts) geißelt er die Verlogenheit der Berichterstattung und die in solchen Feierlichkeiten zutagetretende Heuchelei.
"Wir Deutsche, wir haben den ehrenvollen Tod für's Vaterland zu überstrapaziert. Zwei Weltkriege hintereinander in den Sand gesetzt (...). Und dann so 'n Pathos, à la Guttenberg, wie da letzte Woche, bei der Totenfeier, (...) das ist doch Trauerkitsch. (...) Der Guttenberg, der soll weder seiner Tochter noch den Kindern der toten Kameraden erzählen, daß sie stolz sein sollen auf die Toten; die sollen nicht stolz sein, die sollen traurig sein, und ihr Weinen soll auch nicht übertönt werden von Politikern, die sich vorm Sarg ihr Image aufpolieren (...); die sollen einfach dabei sein und ruhig - schweigen. (...) Reden können sie vorm Untersuchungsausschuß zu den hundertvierzig Toten in Kundus - ein militärstrategisches Disaster (...). Ich würde bei solchen Beerdigungen auch mal kürzer treten. Es wird doch heute keiner mehr Soldat, weil er die Freiheit verteidigen will oder weil 's Vaterland ruft (..). Wissen Sie, was unsere Jugendoffiziere dabei haben, wenn sie die Schulen nach Freiwilligen abgrasen? Lehrstellenangebot, kostenloser Führerschein, Abenteuerspielplatz, Panzerfahren und Piratenschiffchen versenken. In der amerikanischen Armee, die werben Sechzehnjährige im Supermarkt mit 'm Einkaufsgutschein für 'ne Spielkonsole. Und wenn die dann im Irak um sich ballern wie beim Moorhuhnschießen, da verteidigen die doch nicht die moralischen, überlegenen Werte des Westens, es sei denn, unsere Werte sind auf dem Moorhuhn-Level gelandet. (...)
"Wissen Sie, was ich bei so einer Trauerrede vortragen würde? ich würde es völlig anders machen (...) kurz und schmerzvoll. Ich würde sagen: Liebe Angehörige, Kameraden (...), wir alle kennen den Satz Das erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit. Lassen Sie uns deshalb hier den Krieg draußen halten, und bleiben wir für einen Augenblick bei der Wahrheit. Der Tod ist der denkbare Abschluß eines soldatischen Arbeitstages. Diese Männer sind in Ausübung ihres Berufes gestorben, und der Tod ist die logische Konsequenz soldatischen Handelns - auch wenn wir das gerne verdrängen und zur Tarnung merkwürdige Namen erfinden, wie gefallen, verloren, im Feld geblieben. Letztlich wird in der Fachliteratur alles gleich behandelt, nämlich unter der Rubrik Weichzielverlust. Wir hier versuchen, dem Tod des Einzelnen einen Sinn zu geben. Aber: geben wir der Wahrheit die Ehre, liebe Trauergemeinde. Ein sterbenswerter Sinn für das, was wir in Afghanistan tun, ist nicht mehr erkennbar. Die Kinder winken nicht mehr, wenn wir auf Patrouille gehn, die von uns gebauten Schulen sind geschlossen, für jeden von uns erschossenen Zivilisten melden sich zehn Freiwillige von den Taliban, die mittlerweile vielen schon als das kleinere Übel gelten, und selbst der von uns gekaufte Präsident Karzai sieht unseren Abzug lieber heute als morgen. Wir sind nur noch dort und kämpfen, weil wir nicht den Mut haben zuzugeben, daß wir gescheitert sind. Eine Kultur des Scheiterns ist in unserem westlichen moralischen Werte-Katalog nicht mehr vorgesehen. Vielleicht hat Clausewitz deshalb geschrieben: Nichts ist schwerer als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position. Deshalb: lassen Sie uns mutig sein und das Schwere tun. Lassen Sie uns das Kühne wagen. Lassen Sie uns das Scheitern eingestehen. Denn nur, wer das Scheitern eingesteht, ist der wirklich Starke. Und wenn wir dann nach draußen gehen, in diesem Gedanken, dann hat der Tod dieser Männer vielleicht doch noch einen Sinn gehabt."
Der Krieg hat kein weibliches Gesicht
So betitelt
Swetlana
Alexijewitsch ihr
in
Hamburg 1989 erschienenes Buch. Am 10. Oktober 1941 hatten
sich im ZK
des
Komsomol
Frauen dazu gemeldet, an die Front zu gehen. "Einzigartig für eine
Armee
zu der damaligen Zeit: die Frauen kämpften mit der Waffe, sie
kämpften
in vorderster Frontlinie gemeinsam mit den männlichen Soldaten
gegen
den Feind. (...) Nicht alle kamen mit der Disziplin zurecht, die Frauennatur
widersetzt
sich der militärischen Straffheit. Mal hatte eine vergessen,
was ihr aufgetragen wurde, mal hatte die andere einen Brief von
zuhause bekommen
und heulte den ganzen Morgen. Dann verhängt man eine
Strafe -
und nimmt sie mitunter auch wieder zurück, weil sie einem leid
tun,"
so der männliche Abteilungskommandeur eines Frauen-Flakregiments.
(...)
1942 wurden Spezialeinrichtungen gegründet, in denen Frauen zu
Scharfschützinnen,
Fliegerinnen oder militärischen Kadern ausgebildet
wurden."
(Hervorhebungen von mir). Heute, nach dem
Gemetzel
in Grozny, kämpfen in Rußland "Frauen gegen den Krieg,
gegen die Pflichteinberufung zum Militärdienst und fordern den
Abzug
der Truppen aus Tschetschenien", heißt es anläßlich der
Verleihung
des Georg-Elser-Preises 2005 an das Komitee der Russischen
Soldatenmütter in der Oberen Halle des Bremer Alten Rathauses.
"Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!", schrieb der als junger Soldat vom Zweiten Weltkrieg traumatisierte Wolfgang Borchert 1947 in seinem (auch im Internet vielzitierten) Gedicht "Dann gibt es nur eins".
Emanzipation für den Krieg
Menschen, die ausgebombt oder verletzt wurden, die Angehörige
verloren
oder fliehen mußten, die also den Krieg nicht nur aus dem Film
oder
der Literatur kennen, sehen es ganz anders als naßforsche
Politiker,
die sich profilieren, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben, oder
ein noch
unreifes junges Mädchen, das seinen persönlichen Willen
instrumentalisieren läßt, sich im plötzlichen Ruhm sonnt
und sich dann der neuen Verantwortung und ihren Konsequenzen
entzieht.
Es wäre ein leichtes (und dazu höchst opportun) gewesen, der von Tanja Kreil initiierten neuen Entwicklung ein Loblied zu singen und die vielversprechenden Möglichkeiten aufzuzeigen, mit denen sich begabte und tüchtige junge Frauen wie die oben erwähnte Referentin oder interkulturell agierende Wissenschaftlerinnen in unseren Streitkräften einbringen und deren Ansehen mehren können. Doch leben wir nicht (mehr) in einem isolierten Deutschland mit einer von den Weltkonflikten abgeschotteten Sicherheit. Die zur Besatzungs- und Interventionsarmee ("Armee im Einsatz") umstrukturierte Bundeswehr ist heute konfrontiert mit dem eigentlichen Endzweck des Soldatischen, dem Krieg - so auch alle Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, sich freiwillig zum Militär melden und "im Feld" alle Konsequenzen des Kriegs-"Feelings" erleben - nicht immer mit dem erwünschten Erfolg: so erfahren wir im Internet, daß Unteroffizier Corinna Dittrich (21) am 11. November 2002 als SFOR-Soldatin in Rajlovac bei Sarajevo durch Suizid ums Leben kam
Die Frau als Kriegerin?
"„Ich hatte erwartet, dass da mehr Teile dran sind“", sagt Anne-Marie Schwenkhoff und schaut auf die Einzelteile ihres G 36. Sie hat gerade die erste Ausbildungsstunde an der Waffe absolviert und gelernt, wie man ein Gewehr vom Typ G 36 zerlegt und zusammensetzt. Acht Mann, oder besser: vier Frauen und vier Männer liegen dazu in einer Reihe, im Feldanzug mit Stiefeln und Kopfbedeckung, auf Sisalmatten im Gras und hören auf das Kommando des Ausbilders."
zitiert aus: Schlimmer vorgestellt – Die erste Woche freiwilliger Wehrdienst (im Bundeswehr-Portal; Links: W. Näser)
Es geht hier nicht darum, sich im Notfall wehren zu können (wie
auch
die hervorragend qualifizierten Soldatinnen im Sanitätsdienst,
wenn
sie angegriffen werden), sondern generell um Geschlechterrollen
und
ein offenbar neues Selbstverständnis der Frauen. Regulär
mit der Waffe kämpfende Soldatinnen sind ein Novum in der
deutschen
Geschichte. Wer den Krieg ablehnt und zudem noch in den Frauen
eine Rettung
für die Zukunft sieht, könnte argumentieren, nun hätten
diese generell das zweifelhafte "Recht" erlangt, alle Fehler
der Männer
zu kopieren, mit einer Knarre in der Hand herumzulaufen und
auf Befehl
durchgeknallter Politiker, die aus diplomatischer Unfähigkeit oder
aus
Machtgier heraus einen sinnlosen Krieg anzetteln, Menschen
totzuschießen.
Als Kampfpilotinnen (die Luftwaffe hat schon
die erste Tornado-Pilotin) haben auch sie die
Option,
im Feindesland aus großer Höhe mit Bomben und Raketen den
Terror
zu bekämpfen und vielleicht mal aus Versehen
("friendly
fire") eine Gesellschaft auszulöschen, in der gerade
geheiratet
oder ein Kind getauft wird. Wenn der Krieg seine
häßlichste
Fratze zeigt, geraten auch sie in Gefahr, "auf höheren Befehl" und
in
fehlgeleitetem Haß Menschen zu foltern wie
Lynndie
England in
Abu Ghreib. Oder es kommt, wie Swetlana
Alexijewitsch
aus dem "Großen Vaterländischen Krieg" berichtet, in extremen
Situationen von Leid und Gewalt zu Auswüchsen:
.
"„Wenn wir Gefangene machten, brachten wir sie in unsere Einheit ... Sie wurden nicht erschossen, ein solcher Tod wäre für sie viel zu angenehm gewesen. Wir stachen sie ab, wie Schweine, mit Spießen, wir zerschnitten sie in Stücke. Ich kam jedes Mal, um mir das anzuschauen... Ich wartete! Ich wartete, bis der Moment kommt, wo ihnen vor Schmerz die Augen zerplatzen ... die Pupillen ... Was wissen Sie schon davon?! Sie haben meine Mama und meine Schwestern auf einem Scheiterhaufen mitten im Dorf verbrannt ...“ (http://www.privet-minsk.de/Swetlana-Alexijewitsch.html)
.
Militante und angeblich sehr moderne und emanzipierte Frauen
werden nicht
müde zu argumentieren, die Zeit sei vorbei, wo man vom "schwachen
Geschlecht" spreche und den Frauen verstaubte Rollen wie etwa die
der liebenden
Mutter und Hausfrau zuweise, wo man ihnen die Fähigkeit abspreche,
ihren
"Mann" auch im Militär zu "stehen". Auf den Kriegsschauplätzen
unserer Tage, wo unter fadenscheinigen Argumenten die Interessen
profitsüchtiger Lobbyisten mit hohem Blutzoll ausgefochten werden,
haben
sie nun Gelegenheit, den ihrer Meinung nach längst fälligen Beweis
anzutreten.
Seien Sie doch froh, wenn im Ernstfall Sie jemand mit der Waffe
verteidigt,
und sei es auch eine Frau ...
Damit wären wir wieder am Anfang und scheinen die warnenden
Stimmen
im schalltoten Raum erstorben. Doch müssen wir weiter diskutieren
-
die Sinnfrage bleibt uns nicht erspart. Gottseidank leben wir in
einer
Demokratie, die eine solch kontroverse Diskussion nicht als
Wehrkraftzersetzung verteufelt, die im Gegenteil das
Gedenken an die
Geschwister Scholl und die Widerstandskämpfer des 20.
Juli
1944 hochhält und die das Soldatische im
ehrenvollen Sinne
nicht mit kopflosem Rambo-Gehabe gleichsetzt.
In vielen Armeen dienen heutzutage Frauen unter Waffen. Ist das ein humaner Fortschritt und auch für die Zukunft akzeptabel? Können kämpfende Soldatinnen die Menschheit weiterbringen am Beginn eines Jahrhunderts, das aus den Schrecken des vergangenen gelernt haben sollte?. Ist - mit Frauen unter Waffen - eine drohende Apokalypse abzuwenden? Können - oder sollen - Kämpferinnen, wie sie oben geschildert wurden, ein neues Leitbild abgeben? Gehört es zu den unabdingbaren Prinzipien weiblicher Emanzipation, für welches "Recht" auch immer mit Waffen zu kämpfen? Ist damit die traditionelle Idee einer Frau und Mutter abzulösen, die Leben schenkt und bewahrt und die aus ihrer weiblichen Vernunft heraus jeden Krieg als lebensfeindlich ablehnt? Oder die einer Lysistrata, die als energische Pazifistin die Männer zur Räson bringt?
Es bleibt die Frage, ob und wie gegengesteuert werden soll bzw. kann, ob Frauen (noch) willens und in der Lage sind, mittels eines spezifischen Doing Gender künftige Kriege zu verhindern, oder ob wir, aus der Geschichte lernend, durch geschlechtsübergreifendes "Practicing Humanity" künftige Konflikte in den Griff bekommen und in positive Werte umsetzen.
Ein Nachwort
Inzwischen (April 2020) sind rund achtzehn Jahre vergangen,
seitdem
sich die Bundeswehr mit Soldatinnen und Soldaten in den
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Afghanistan eingemischt hat.
Was,
hätte man schon längst fragen müssen, ist letztlich dabei
herausgekommen? Ich wage zu antworten: n i c h t s außer
einer
großen Zahl von Opfern, vielen Toten und Schwer(st)verwundeten,
unheilbar
Traumatisierten, sinnloser Zerstörung und politischem Chaos in
diesem,
wie die Geschichte zeigen dürfte, zumindest unter den Taliban und
ihrer
erbarmungslosen Schreckensherrschaft unregierbaren Staat. Nichts.
Und was
lesen wir jetzt (9.4.2020) gerade: 100 Taliban werden freigelassen
aufgrund
eines zweifelhaften politischen Kuhhandels jenseits jeder
Erfolgsaussicht.
Man hat also nichts gelernt. Allen, die diesen Wahnsinn
mitgetragen haben
und weiter mittragen werden, sollten sich in Grund und Boden
schämen
und für immer ein ungutes Gefühl in der Magengrube haben.
Links und Zitate
Anmerkung: es könnte sein, daß viele der von mir seit Beginn (Ende
2007) hier gesetzten, damals funktionierenden Links mittlerweile
ungültig
geworden sind: das ist ein gravierender Nachteil des schnellebigen
Internets.
Wenn ich dazu komme, werde ich dieses Manko Schritt für Schritt
korrigieren.
Andererseits führen diese Links lediglich zu weiter gehenden
Informationen;
wichtig hingegen sind die eigentlichen Aussagen, Fakten und Zitate
dieses
Artikels. W.N.
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Anmerkungen:
Weitere Angaben: