Dr. Wolfgang Näser: UE "Deutsche Sprache und Literatur im 20.
Jahrhundert" (für Ausländer)
WS 2006 / 07 * Mi 16-18, HG 207
Beginn: 18. 10. 2006
Anmeldung: bis 17.10.2k6 via e-mail (naeser@staff.uni-marburg.de)
Studiengänge / Module: DaF/L
Kurzbeschreibung: Das 20. Jahrhundert wurde geprägt durch einen
vielfältigen, tiefgreifenden Wandel in fast allen Bereichen. Der
Motorflug, die mit
komplizierten navigatorischen Verfahren arbeitende moderne
Seeschiffahrt, die Motorisierung, Flexibilisierung und
Automation in Leben und Arbeit, elektronische
Kommunikationsformen (Funk, Telex, Fax usw.) und Massenmedien wie
Rundfunk und Fernsehen, die bis in alle Feinheiten vordringende
Ton- und Bilddokumentation, eine hochkomplexe apparative
Medizin, die bemannte Raumfahrt, der
Computer, die
Digitalisierung fast aller Lebensbereiche und schließlich das
Internet formten dieses Jahrhundert ebenso wie zwei
Weltkriege, die unsägliches Leid über die gesamte Menschheit
brachten und Abermillionen von Opfern forderten. Dieses seit Beginn unserer
modernen Zeitrechnung wichtigste Jahrhundert äußert sich auch
und gerade vornehmlich in Sprache und Literatur, des Chaos
und Zerstörung überlebenden Ausdrucks einer Kultur, die nach
Vollkommenheit strebt und der Überwindung menschlicher Irrwege in einer
besseren Zukunft.
Auf dieser Basis verfolgt unsere Veranstaltung das Ziel, ausländischen
Studierenden die vielfältigen Formen und den tiefgreifenden Wandel der
deutschen Sprache und Literatur im 20. Jahrhundert nahezubringen; Beispiele
hierfür liefert ein im Frühjahr 2002 begonnenes, bis zur Gegenwart
reichendes Corpus, in dessen Texten
Persönlichkeiten aus Kunst, Musik, Literatur, Wissenschaft, Politik
und anderen Bereichen zu Wort kommen. Ausgewählte Texte werden im Plenum
gelesen und besprochen (und als Aufgabe nachbereitet), andere können
in Arbeitsgruppen behandelt und ggf. in Referaten präsentiert werden.
Fünf Jahre nach den verheerenden Ereignissen vom 11. September 2001
und aufgrund der bedrohlichen Lage im Nahen Osten werden wir uns
schwerpunktmäßig mit solchen Texten befassen, die als aktive
Beiträge zur Friedensarbeit angesehen werden können.
Teilnahmevoraussetzungen: Gute lexikalische und grammatische
Grundkenntnisse der deutschen Gegenwartssprache (kein
Anfängerkurs), Bereitschaft zu produktiver, sprachbewußter
Mitarbeit und Lust an kreativem Schreiben.
Leistungsnachweis: 4 ECTS + Note für qualifizierte
Teilnahme, 2 ECTS (ohne Note) für sonstige
regelmäßige Teilnahme
Regelmäßige Anwesenheit und pünktliches Erscheinen sind
unbedingte Voraussetzung.
Übungsplan:
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Mi., 18.10.2k6
a) Anmeldung; b) Zielsetzungen und Methodik; c) Vorstellen
des Text-Corpus
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Mi., 25.10.2k6
a) zwei LORIOT-Sketche zum Allgemeinen und Besonderen:
Deutsch für Ausländer / Literaturlesung aus "Pappa ante Portas"
b) Literatur in Opposition zu Spießbürgertum, NS-Ideologie
und Kriegstreiberei:
Erich Kästner (1899-1974):
Drei Gedichte (1927-1930)
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Mi., 1.11.2k6
Fortsetzung der letzten Sitzung (Kästner, Gedichte 2 und 3;
Sprachbetrachtung und Diskussion);
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Mi., 8.11.2k6
Literarische Sprachkunst im Großbürgertum an der Schwelle des
Jahrhunderts:
Thomas
Mann (1875-1955): Aus Tonio
Kröger (1899/1903; =>
Original-Lesung)
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Mi., 15.11.2k6
Kafka,
Franz (1883-1924): Aus Die Aeroplane
in Brescia. In: Bohemia 82 (Nr. 269), 29.9.1909
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Mi., 22.11.2k6
Fortsetzung der Arbeit vom 15.11.; zur thematischen und atmosphärischen
Ergänzung Szenen aus dem (auch hinsichtlich der deutschen Synchronisation
sehr gelungenen) Spielfilm
"Die
tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten" (1965; Regie:
Kenn Annakin)
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Mi., 29.11.2k6
Stimmen Deutschlands im 20. Jahrhundert:
Ausgewählte O-Töne (historische Tondokumente).
Hörverständnis und Diskussion
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Mi., 6.12.2k6
a) Zum Nikolaustag Musik: Johann Sebastian Bach (1685-1750): Weihnachtsoratorium,
Kantate 1, Eingangschor "Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage";
Marburger
Konzertchor, Prager Bachorchester (Konzertmeisterin Zdenka Pelikanová),
Dirigent Siegfried Heinrich; Marburg,
St. Peter und Paul 21.12.1999; Live-Aufn. W. Näser)
b) Texte: Humoristische Conférencen und Verse von
Heinz Erhardt (1909-1979)
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Mi., 13.12.2k6
Stankovski,
Ernst (* 1928): Der Nichtfernseher.
Aus: Wir haben es uns so gemütlich gemacht (1976)
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Mi., 20.12.2k6
a) Proben aus: Heinrich Heine im
Kunstlied
des 19. Jahrhunderts. Marburg, Konzertsaal des
Ernst-von-Hülsen-Hauses, 18. Dezember 2006
(Therese Glaubitz, Sopran; Angela vom Hoff, Alt; Michael
Brauer, Tenor; Andreas Stiel, Bariton, Wolfgang Schult, Klavier und musikal.
Leitung; Rezitation: Friederike Beckmann, Peter Paul Groß, Susanne
Seifert und Denise Sniehotta; sprecherische Leitung:
Christa
Heilmann; Tonaufn. und Bearbeitung: W. Näser).
Heinrich
Heine (1797-1856), dessen 150. Todestag wir in diesem Jahr begingen,
beeinflußte mit seiner geistreichen, geschliffenen Sprache wie kaum
ein anderer auch Sprache und Kultur des 20. Jahrhunderts. Die gemeinsam vom
Dillenburger Musiker
Wolfgang
Schult, Mitwirkenden der
Bachwochen Dill und der Abteilung für
Sprechwissenschaft des Fachbereichs 09 Germanistik und Kunstwissenschaften
durchgeführte Veranstaltung darf zu den Kleinodien des Marburger
Kulturschaffens gezählt werden.
b) Jahresabschlußbetrachtung
Meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wünsche ich von ganzem Herzen
ein glückliches und erfolgreiches neues Jahr
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Mi., 10.1.2k7
"Wer hat auf wessen Weisung in welcher dienstlichen Zuständigkeit auf
welcher Rechtsgrundlage und auf welche Weise erstmalig und damit entscheidend
von den spanischen Behörden die Festnahme des deutschen Staatsbürgers
Ahlers erbeten?" (MdB
Fritz
Erler, SPD, 1913-1967, in der Fragestunde)
Aus Anlaß des
60-jährigen
Bestehens des Magazins DER
SPIEGEL hören wir Auszüge aus meiner damaligen Tonbandaufnahme
der im 2. Programm des Hessischen Rundfunks gesendeten Fragestunde des Deutschen
Bundestages vom 8. November 1962 zur sogenannten
Spiegel-Affäre: Mitten in der sog.
Kuba-Krise (s. auch
hier)
hatte Spiegel-Redakteur
Conrad Ahlers (1922-1980), früher Mitarbeiter der
sog.
Dienststelle
Blank, am 10.10.1962 den Artikel "Bedingt abwehrbereit" publiziert zum
NATO-Manöver "Fallex 62", das im September im Rahmen der Notstandsplanung
und angestrebten Bundeswehr-Atombewaffnung stattgefunden hatte); am
26. Oktober wurden aufgrund ebenso vager wie unbegründeter Verdachtsmomente
und unter Verletzung der Pressefreiheit die Spiegel-Redaktionsräume
in Hamburg, später auch in Bonn, von der Polizei besetzt und durchsucht.
Am selben Tag wurde, auf Veranlassung von Bundesverteidigungsminister
Franz Josef Strauß (1915-1988), Conrad Ahlers zusammen
mit seiner Frau während seines Urlaubs in Malaga durch die spanische
Polizei verhaftet. Chefredakteur
Rudolf
Augstein (1923-2002) stellte sich am 27.10. der Polizei und saß
103 Tage in U-Haft.
Am Tag vor der Fragestunde hatte der schon 86-jährige Bundeskanzler
Konrad
Adenauer (1876-1967) von einem "Abgrund von Landesverrat" gesprochen.
Haupt-Akteure dieser teilweise sehr turbulenten Veranstaltung sind der
(später im Kabarett
"Münchner
Lach- und Schießgesellschaft" von
Dieter Hildebrandt
als "Heucherl" bezeichnete) damalige Bundesinnenminister
Hermann Höcherl (1912-1989) und der auch durch andere
Affären (->
Erich Kubys Buch "Im Fibag-Wahn. Oder: Sein Freund, der
Herr Minister", Reinbek 1962) bekannt gewordene Franz-Josef Strauß;
dieser tritt wenig später vom Ministeramt zurück, gestaltet jedoch
bis zu seinem Tode weiterhin maßgeblich die deutsche Politik mit als
späterer Finanzminister, Kanzlerkandidat, bayrischer
Ministerpräsident und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen
Airbus GmbH.
Links zur Affäre:
Wikipedia,
Planet Wissen,
Dt. Histor. Museum (mit abrufbarer Kurz-Dokumentation);
Land NRW,
Museumsmagazin;
SPIEGEL-Leseprobe
zum Verlauf der Affäre (ausführliche, auch idiomatisch
interessante Darstellung);
Landeskunde-Übung
des Goethe-Instituts zum Thema Meinungsfreiheit, Theo Sommer:
"Augstein
raus und Strauß hinein" (dieser
Text eignet sich für
eine "häusliche Nachbereitung").
------------- Bitte besuchen Sie meine Sprechstunden -----------
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Mi., 17.1.2k7
Ausschnitte aus
"Weizenbaum.
Rebel at Work" von Peter Haas und Silvia Holzinger (DVD, 2006). Der 1923
in Berlin geborene und 1996 dorthin zurückgekehrte Computerwissenschaftler
Joseph Weizenbaum (-> provokatorische
Texte 1996-99) erzählt hier aus seinem reichen Leben: sprachlich
und vom Bildmaterial her ein Leckerbissen!
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Mi., 24.1.2k7
Brecht,
Bertolt (1898-1956): Textproben
(1920-1940)
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Mi., 31.1.2k7
Remarque, Erich
Maria (1898-1970): Aus Im Westen
nichts Neues (1928)
------------------- mündliche Prüfungen ------------------
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Mi., 7.2.2k7
a) Resümee: Merkmale deutscher Sprache und Literatur im 20. Jahrhundert
("Brainstorming")
b) Ausgabe der bereits ausgestellten Übungsscheine
Hinweis: Heute abend um 20 Uhr singt der UniChor in der Universitätskirche
(Leitung: Wolfgang Schult)
wird ergänzt. Stand: 5.2.2k7 gez. W. Näser