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Digitalisierung von Audio-Archiven: Aspekte, Probleme,
Verfahrensweisen
Wolfgang Näser, Marburg 2003 ff.
VORBEMERKUNG. Tonarchive begegnen uns häufig und
überall. Öffentliche und private Bibliotheken, Theater und
Opernhäuser, Museen, Schulen und Universitäten, vor allem aber
Rundfunk und Fernsehen sammeln und verwalten ihre zahlreichen Tondokumente
in bedarfsgerecht angelegten Archiven. Im Zeitalter der Digitalisierung stellt
sich immer häufiger die Frage oder, eher gesagt, wird es nötig,
vom mechanischen und inhaltlichen Verfall bedrohte, bes. ältere
Bestände auf digitale Träger "umzuschneiden". Der in Leitungsgremien
gefaßte Beschluß, die Bestände zu "digitalisieren", verbirgt
in seiner Simplizität und Nüchternheit viele Aspekte, aber auch
Probleme und Risiken, die - innerhalb dieses rein
technischen1)
Arbeitsfeldes - nur den Praktikern bekannt sind, so daß das jeweilige
Procedere komplizierter und langwieriger ausfällt als am grünen
Tisch geplant. Die folgenden Ausführungen sollen dies ein wenig erhellen,
auch wenn hier keine absolute Vollständigkeit erreicht werden kann.
Sofern neuere Erkenntnisse vorliegen, werden diese an den passen Stellen
eingearbeitet.
Marburg, im April / Mai 2003 W.N.
1. Generelles zu Digitalisierung und Archiv-Medien
Die wissenschaftliche Tonaufnahme ist mittlerweile über 100 Jahre alt; bis ca. 1930 wurde rein mechanisch (also über Schalltrichter) aufgezeichnet und wiedergegeben; mit Georg Neumanns Kondensatormikrofon (1928), der elektrischen Verstärker-Technik und vor allem der Hochfrequenz-Vormagnetisierung im Tonbandverfahren erschloß die Tonaufnahme den gesamten menschlichen Hörbereich.
Zunächst arbeitete die Tonaufnahme rein mechanisch und analog; als revolutionär empfunden wurde das aus der Computer-Technik abgeleitete digitale Verfahren.
Erste rein mechanisch-gravierend erstellte Ton-Träger waren (1) Ton-Walze, (2) Schall-Platte und (3) Tefifon-Band; magnetisch erstellt wurden / werden (analog) (4) Stahldraht sowie das (5) Spulen- und (6) Cassetten-Tonband, (digital) das (7) DCC- und (8) DAT-Band, die thermomagnetisch-optische (9) Minidisk und die (10) Festplatte, optisch-analog der (11) Lichtton-Film, digital die (12) CD, (13) CD-R(W), (14) DVD und (15) DVD-R(W), elektrisch-digital (per Datenstrom) der (16) Festkörperspeicher (RAM, Flashcard). Friktionslos und daher verschleißminimiert arbeiten nur (12) bis (16).
Während die Schallplatte seit ihrer Erfindung (Emile Berliner, 1888) aufgrund ihrer strukturellen Konsistenz und optisch-elektromagnetischen Unempfindlichkeit bei entsprechend schonender Behandlung eine hohe Lagerkonstanz und große Archivfestigkeit besitzt, hat die Aufzeichnung auf magnetische Tonträger gewichtige Schwachpunkte: 1. mögliche Schichtablösung, 2. schleichender Rückgang der Magnetisierung, 3. Kopiereffekte, 4. mögliche Azimuth-Abweichung (Höhenverluste). Raumklimatische Einflüsse (Luftfeuchte, Temperatur) können (1) bis (3) entgegensteuern oder sie beschleunigen, andererseits hängen sie nicht unwesentlich ab vom verwendeten Material (z.B. Luvitherm, Polyester) und Verfahren (stärkere Kopiereffekte bei größerer Spurbreite und höherer Geschwindigkeit). Magnetische Tonträger sind also keine Medien für die Ewigkeit (was im übrigen auch für die übrigen Medien gilt). Zu den anderen (weniger für uns in Frage kommenden) Verfahren s. weiter unten.
Archivstücke und Abspielgeräte
Bezogen auf ein wissenschaftliches Großprojekt (den Digitalen Wenker-Atlas) und in Verwertung eigener Erfahrung, gelten meine folgenden Überlegungen der Digitalisierung von historischen Tonaufnahmen auf (meist ebenso historischen) Archivträgern. Die mit dem technischen Fortschritt ermöglichte Erfassung und Dokumentation des gesamten menschlichen Hörbereichs, also von etwa 20 bis 16.000 Hertz, gilt nur eingeschränkt für unsere Archivalien, ebenso wie der zum ästhetisch ungetrübten Hören, erst recht aber für wissenschaftliche Analysen nötige Stör(signal)abstand (SNR, min. 60 dB) und Klirrfaktor (unterhalb von 1 %). Auch sind viele Tonaufnahmen zu dumpf, wofür schlechte Bänder, zu geringe Bandgeschwindigkeit, mangelhaftes Equipment (Recorder, Mikrofon) und Wissensdefizite der Interviewer verantwortlich sein können. In über längere Zeitspannen hinweg angelegten Tonarchiven widerspiegelt sich zudem die einerseits faszinierende, andererseits zu großer Heterogenität führende Geschichte der Tonaufnahme- und -archivierungstechnik. Während in den späten 40er und 50er Jahren noch mit Vollspur und 38 cm/s in freitragenden Wickeln auf sog. Bobbys (Bild re.) "geschnitten" wurde, erreichte man 30 Jahre später nahezu dieselbe Tonqualität bei einem Viertel der Spurbreite und Geschwindigkeit, also 16fach höherem Wirkungsgrad und zudem drastischer Reduktion der Kopiereffekte. Daraus folgt, daß gerade ältere Archivstücke weitaus höhere Anforderungen stellen als in der Hoch-Zeit der Spulengeräte, also den 70er und 80er Jahren, erstellte Bandaufnahmen, ganz abgesehen davon, daß inzwischen die für solche älteren Verfahren geeigneten Abspielgeräte und deren Ersatzteile immer rarer werden, so daß alle Archive gut beraten sind, solche "Oldtimer" sorgsam aufzubewahren und zu pflegen. Andererseits lassen sich mit 38 (für Musik) oder 19 cm/s (für Sprache) erstellte konventionelle Vollspur-Aufnahmen sehr gut auch mit modernen Spulen-Tonbandgeräten abspielen wie (bei 19 cm/s) dem REVOX B 77 Mk II und (bei 38 cm/s) dem semiprofessionellen PR 99, die mit max. Spulengrößen von 26 cm auch die für "Bobbys" konzipierten Studio-Bandteller mit Dreizack-Adaptern verwenden; die Halbspur-Stereo-Köpfe liefern im Verbund nicht nur genug Energie, sondern reproduzieren durch ihre kleinere Wiedergabe-Spaltbreite bei korrektem Azimuth die alten Originale möglicherweise noch brillanter (und damit sauberer, "analytischer") als die damaligen Aufnahmegeräte (was auch einer späteren phonetischen Analyse der Digitalisate zugutekommt). Vollspurbänder werden im Stereo-Modus abgespielt, wobei sich mit den weiterentwickelten Köpfen eine mindestens dem Original adäquate Ausgangsspannung (MOL) erzielen läßt, wodurch die schweren, unhandlichen Studio-Maschinen (z.B. M 5, M 10 usw., sie Abb. unten) überflüssig werden.
Für mit 9,5 cm/s erstellte Archivstücke genügen u.U. einfache, unkomplizierte Maschinen wie z.B. das Telefunken Magnetophon 203, das mit exakt eingestelltem neuem AW-Kopf das komplette Frequenzspektrum bis hin zu den höchsten Brillanzen aus den Bändern herausholt. Solche preiswerten Maschinen lassen sich heute (2008) für nur wenige Euro (z.B. via eBay) gebraucht erwerben und leisten, wenn durchgesehen und regelmäßig gewartet, noch lange gute Dienste.
Nach fast 60 Jahren Heimtonbandgeräte-Technologie bereiten die aus Gummi
bestehenden Antriebsriemen die größten Probleme. Wird ein
Gerät längere Zeit nicht gebraucht, lösen sich die Riemen
auf und hinterlassen auf den Antriebsrollen einen schmierigen Belag. Dasselbe
geschieht, wenn nicht mit Talcum eingepuderte Riemen länger gelagert
werden und / oder sich an einigen Stellen berühren. Das tropfende
Flüssig-Gummi hinterläßt hartnäckige Flecke, die nur
schwer zu entfernen sind. Ein Gerät, für das keine Riemen mehr
zu bekommen sind, wird praktisch wertlos (vor dem Aussondern sollten jedoch
wertvolle, noch verwendbare Komponenten wie Verstärker- und
Anzeigeröhren ausgebaut werden). Ideal sind Abspielgeräte mit
Direktantrieb der Tonwelle (Capstan) und des Ab- und Aufwickeltellers (wie
das über 40 Jahre alte REVOX G 36); bis auf den
Zählwerksantrieb kommen sie ohne Treibriemen aus.
Bild 1: Ohne saubere Köpfe und Bandführungen kein sauberer Ton (Foto: WN 14.11.2k3)
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Digitalisierung als Innovation
Die in den 70er Jahren zur Serienreife entwickelte
digitale Tonaufnahme zerlegt in einem
speziellen Analog-Digitalwandler jedes Audio-Signal in mathematische
Werte und ermöglicht so je nach dem Grad der Quantisierung und
damit den sog. Abtast-Parametern (Bit-Rate und Samplingfrequzenz)
Störabstände und Frequenzgänge, von denen die traditionelle
analoge Tonaufnahmetechnik bislang nur träumen konnte. Schon als die
ersten CD-Spieler in den Markt eingeführt wurden (1982/83), galten eine
Dynmik von 90 dB und praktisch nicht mehr meßbare
Klirrgrade und Tonhöhenschwankungen als "normal"; heute,
20 Jahre später, liegen diese Werte im schon jenseits des mit menschlichen
Ohren Wahrnehmbaren. Mit optimalen Parametern liefern Digitalaufnahmen stets
ein nahezu originales Abbild der akustischen Situation, so z.B. als
dokumentarische "Meßaufnahmen" kritischer Instrumente (Cembalo, Violine,
Sakralorgel usw.).
"Puristisches" und bearbeitendes Umspielen
Grundsätzlich ist eine 1:1-Digitalisierung nichts anderes als
(mit erhöhtem Risiko behaftetes) kopierendes Umspielen
von einer analogen Tonquelle auf eine digitale
Tochter; analoge Tondokumente gewinnen bei einer
Digitalisierung nichts hinzu außer möglicherweise höherer
Archivfestigkeit. Zudem gibt es, wie Künzli (s.u.) und andere
überzeugend ausführen, keine Garantie für eine vergleichsweise
höhere Haltbarkeit und damit Lagerfestigkeit bei digitalen
Datenträgern.
Wird in den Kopierweg ein sog. Prozessor eingeschleift, um das Tonspektrum zu manipulieren (equalizing) oder Signalstörabstand bzw. Dynamik zu "korrigieren", so ist die Schwelle zum Mastering überschritten und verliert das Ausgangsmaterial seine akustische (=perzeptive) und physikalische (=meßtechnische) Originalität bzw. Authentizität. Beim entrauschenden, "de-emphatischen" Abtasten mit Systemen wie dem Dolby Stretcher, Telcom oder DNL (Philips) gehen nicht selten feine, nichtsdestoweniger sprachlich relevante Signalanteile verloren, die im Rauschpegel oder nur wenig darüber angesiedelt sind. In jedem Falle sollte ein guter, verzerrungsfrei arbeitender Dynamik-Kompressor bzw. Limiter bereit stehen, um unerwartete Lautstärke-Schwankungen (und damit sehr hohe Aussteuerungs-Spitzen) zu kompensieren; hierzu könnte z.B. ein auf Aufnahme geschalteter Sony-Cassettenrecorder TCD-5 M (Bild links) in den analogen Kopier-Weg "eingeschleift" werden. Wird allerdings die Spitzen-Aussteuerung auf etwa -12 dB reduziert und verbleibt somit (bis 0 dB) ein entsprechender Headroom, so wird der Limiter überflüssig.
Technische Fortschritte bei der Digitalisierung
Apparativ wie auf das gerade archivalisch so wichtige
Trägermaterial bezogen erlebte auch die
Digital-Aufzeichnung technologische und performative
Verbesserungen.
a) Von der Spule zur Cassette: Am Anfang stand die vielspurige Längs-Aufzeichnung mit konventionellen Offenspulen-Laufwerken, 2"-Band und feststehendem Vielspur-Tonkopf (DASH = digital audio, stationary head), alternativ verwendete man Schrägspur-Aufzeichnung (helical scan) mit rotierendem Kopf auf 1/2-Zoll-VHS-Videocassetten. In Prototypen und dem serienreifen DCC-Verfahren (das sich nicht durchsetzte) folgte die sehr diffizile, weil vielspurige DASH-Längsaufzeichnung auf nur 3,81 mm breites Cassetten-Tonband, es folgte 1987 das DAT-Verfahren mit Schrägspur-Rotationskopf-Aufzeichnung auf ebenfalls nur 3,81 mm "breitem", hauchdünnem Reineisen-Cassetten-Band.
b) Vom Band zur Scheibe: hier konkurrier(t)en die vom PC abgeleitete,
mit 5-facher Datenreduktion thermo-magnetisch beschriebene und optisch
abgetastete Mini-Disk und die rein optisch geschriebene und gelesene
(wieder)aufnehmbare CD; mit einer angenommen Lebensdauer von max.
100 Jahren gelten CD-Rohlinge bislang als erste Wahl. Bislang unerwähnt
blieb der sog. Festkörper-Speicher, wie er uns z.B. in den sog.
C[ompact]F[lash]-Karten der Digital-Fotokameras begegnet: bei moderater
Datenreduktion passen rund 60 Minuten HiFi-Stereo auf eine 256 MB-Karte.
Die 1982 im PC-Sektor eingeführte, aufgrund des
Bernoulli-Effekts
mittels eines im Mikron-Abstand über ihr schwebenden Kopfes beschriebene
und gelesene Festplatte kann aufgrund mechanischer Gegebenheiten (Drehzahl
bis 10.000/min, dadurch verschleißanfällige Lager), des trotz
hoher Stoßfestigkeit (> 100 G) niemals ausschließbaren
Headcrash-Risikos
und (je nach Nutzungsart) generell begrenzter Lebensdauer (5-10 Jahre) als
nicht 100%ig sicher und als nur relativ kurzlebiger
Daten-Zwischenträger gelten. Quasi als Bindeglied zwischen
analoger und opto-digitaler Technik fungiert(e) die (noch immer
zukunftssichere) Aufnahme mit
Licht-Ton
auf Zellophanträger, die im Tonfilm üblich und in den 30er
Jahren experimentell auch für Hörspiele genutzt wurde.
Digital ist nicht immer optimal: Probleme bei DAT
und CD
Reichlich naiv wurde das DAT-Verfahren bislang wegen seiner uneingeschränkten CD-Kompatibilität als absolut professionell gehandelt, während seine zwei gravierenden Nachteile, nämlich eine mögliche schleichende Tracking-Verschiebung im Aufnahmegerät und die Zartheit der Bänder, kaum ins Gewicht fielen, jedoch nicht selten für böses Erwachen sorgten, wenn bei wichtigen Mitschnitten nicht vorsorglich eine parallele Maschine (analog oder digital) mitgelaufen war.
DAT-Aufnahme und -Wiedergabe geraten möglicherweise zum Abenteuer; wer z.B. in mehr als anderthalb Jahrzehnten rund 800 hochwertige Live-Mitschnitte auf DAT-Cassetten angefertigt und archiviert hat, kennt unangenehme Überraschungen wie die folgenden:
Wird ein lang nicht benutztes DAT-Band vor der Überspielung mindestens einmal schnell vor- und zurückgespult, lassen sich dadurch partielle Tracking-Störungen reduzieren oder gar eliminieren. In schlimmeren Fällen muß mit anderen Geräten abgespielt werden. Eine 60 Minuten fassende DAT-Archivcassette mit wertvollen Dialekt-Aufnahmen produzierte teilweises Spratzen auf dem Sony DTC-690; ein wenig besser war es mit dem alten TCD-D10, während mein umgebautes TCD-D3 mit nunmehr zur Justage zugänglicher Bandführung (Bild rechts) das Band einwandfrei abspielte. In einem anderen Fall (26.7.2k4) erzeugte ein nach Service-Angaben "frisch gereinigtes" DTC-690 ausschließlich Spratzen; mit dem D-10 konnten durch (u.U. wiederholtes) Review + Replay gelegentliche Fehler beseitigt werden, das D-3 produzierte fast keine Fehler, allerdings mußte zuvor eine locker gewordene hintere Bandführung wieder "eingeklinkt" und hernach an beiden hinteren Schwenkführungen re-justiert werden; deren Gewinde sitzen sehr locker und dejustieren sich möglicherweise im laufenden Betrieb.
Ältere DAT-Cassetten, die in bestimmten Geräten Schwierigkeiten machen, sollten mit entsprechend alten, robusten und spurtreuen DAT-Recordern abgetastet werden, so dem im Foto unten gezeigten, Anfang der 90er Jahre gebauten "Boliden" AIWA XD-S1100, der - im November 2k4 - 14 Jahre alte Live-Aufnahmen problemlos reproduzierte; das Signal durchlief dann eine Kette aus ROTEL-Zwischenverstärker, Klangfeld-Prozessor YAMAHA DSP100 und 2x 12fach-Equalizer Monacor, bevor es zum Mastering in den damals schon 6 Jahre alten Audio-CD-Recorder PIONEER PDR-555RW gelangte.
DAT-Cassetten sind kein zuverlässiges Archiv-Medium
Aus seit Ostern 1990 gewonnener praktischer Erfahrung sehe ich beim DAT-Verfahren
immer mehr Nachteile, zumal inzwischen auf dem Markt weder stationäre
noch portable Geräte mehr angeboten werden und auch Gebrauchtgeräte
kaum noch verfügbar sind. Achillesferse der DAT-Maschinen ist das
Laufwerk (Foto rechts: WN 18.4.2k7).
Trügerisch wäre es, etwa
von der Größe und dem technischen Layout des
Gerätes auf die Güte seiner Mechanik zu schließen.
Selbst äußerst professionell anmutende stationäre Geräte
besitzen oft innerhalb des nicht einmal verwindungssteifen Gehäuses
nur ein zerbrechlich wirkendes Laufwerk mit dünnen Alu-Blechen und
verschleißanfälligen Plastik-Teilen. Zum einen können die
Lager der gummierten Zwischenräder nach längerer Betriebspause
verharzen und den Bandtransport boykottieren; zum anderen verstellen sich
die Bandführungen - mit zwei verheerenden Auswirkungen: a) ältere
Bänder lassen sich nur noch fehlerhaft oder gar nicht mehr abspielen,
b) Neuaufnahmen sind fehljustiert und daher archivalisch ungeeignet. Aus
solchen und anderen vorgenannten Gründen ist es zwingend nötig,
langfristig alle DAT-Aufnahmen entweder zu digitalisieren oder auf andere,
weniger problematische Tonträger umzuspielen.
Im Unterschied zur (in ein "Jacket" eingepaßten)
Minidisc
(s. auch unten) dreht sich die (von innen nach außen beschriebene)
CD frei, ist beliebig oft berührungslos (und damit
verschleißfrei) abtastbar und kann in vielfacher
Geschwindigkeit eingelesen und kopiert werden. Mechanische Schäden durch
langzeitige Lagerung wie das "Verkleben" analoger wie digitaler Bandwickel
sind per se ausgeschlossen. Deshalb und auch aus Kostengründen gilt
sie derzeit als ideales Daten-Medium und deshalb auch als zukunftssicherer
Selbstaufnahme-Tonträger; vergessen wird hierbei, daß sie
(mit Ausnahme der bislang noch immer "exotischen" CD-RW) im Vergleich
zu allen anderen digitalen Medien nur einmal beschrieben werden
kann und sich hierbei jeder auch nur kleinste Fehler darin auswirkt, daß
der CD-Rohling nur noch als Tee-Untersetzer von Wert ist. Der konventionelle
CD-Rohling besteht aus einer lichtdurchlässigen Kunststoffscheibe mit
aufgedampfter oder -geklebter, nur wenige tausendstel Millimeter "dicken"
Datenschicht, in die vom Schreib-Laser digitale Informationen als
sog. Pits einge"brannt" werden. Während in der Einführungsphase
(1996/97) dieser Brenn-Prozeß hardwarebedingt noch in einfacher
Geschwindigkeit (= entsprechend der Audio-CD-Abspielzeit) erfolgen
mußte, ist er im Jahre 2003 bis 52-fach schneller geworden, was jedoch
höhere Brenn-Leistungen und modifizierte Daten-Schichten
erfordert; Audio-Direktaufnahmen verlangen Medien, die (was nicht
selbstverständlich ist) sich auch und gerade bei einfacher
Geschwindigkeit absolut fehlerlos beschreiben lassen.
Verbesserten Datenschichten, höheren Geschwindigkeiten und Kapazitäten
bis 99 Minuten standen - analog der (1963 in den Markt eingeführten)
Audio-Kompaktcassette (System Philips) - schon bald profitorientierte
Strategien und damit auch gewisse Qualitätseinbußen
gegenüber. Das Ziel, die 1997 noch rund 5 DM teuren Daten-Rohlinge im
Zuge der Massenfertigung auf einen bis zu zehnmal billigeren Verkaufspreis
zu senken, war nicht anders erreichbar. Die CD-Rohlinge und auch ihre "Jewel
Cases" wurden leichter und biegsamer; in wenigen Fällen
löste sich die Daten-Schicht vom Träger (eine Garantie gegen
solche Kalamitäten gibt es nicht, sie würde auch wenig nützen
im Falle unwiederbringlicher Archivalien). Die von BASF-EMTEC 1999 vorgestellten
"Ceram Guard"-Datenrohlinge mit zusätzlicher Keramik-Schicht
wurden schon relativ kurz danach vom Markt genommen; auch die noch 1997 von
KODAK gefertigten, stabilen Goldschicht-CDs verschwanden.
Ähnliches bei der Hardware: die noch Mitte 1997 mit rund 1.000
DM zu Buche schlagenden (internen) Brenner verbilligten sich in knapp 6 Jahren
um denselben Faktor, verloren aber drastisch an Robustheit, so daß
(besonders bei fernöstlicher Massenware) eine Maximal-Betriebszeit von
nur einem Jahr bei intensiver Nutzung (wie in unserem Archiv-Projekt)
nicht ungewöhnlich ist. Auf der anderen Seite eine bis 52-fache
Schreibgeschwindigkeit und auch bei Billig-Geräten eine
Burnproof-Technologie, mit der durch Datenpuffer-Leerlauf (buffer
underrun) verursachte Medien-Ausfälle der Vergangenheit
angehören. CDs lassen sich natürlich auch mit DVD-Brennern erstellen,
die inzwischen (1/2k4) sogar als externe Einheiten für weniger
als 200 Euro erhältlich sind und, wie Verf. erprpoben konnte, auch bei
40-facher Kopiergeschwindigkeit tadellose Audio-Resultate liefern.
Die langfristige Lager- und
Gütekonstanz der Selbstaufnahme-CD ist noch nicht bewiesen.
Ob mit konventionellen CDR(W)s tatsächlich 100 Jahre Lebensdauer erzielt
werden (Künzli geht mit C. Södergård et al. (1995) von max.
27 Jahren aus), können allenfalls unsere Nachkommen verifizieren. In
unserer schnellebigen Zeit steht nicht fest (und hängt auch von
marktpolitischen Entscheidungen ab), ob sich die handelsübliche
CD auf Dauer, d.h. analog zur
Audio-Kompaktcassette für
mindestens 3 oder 4 Jahrzehnte, als archivfähiger Tonträger durchsetzen
oder ob sie durch andere, "progressivere" Medien wie z..B. die derzeit auch
für professionelles Audio-Recording eingesetzte DVD-R oder gar
Festkörperspeicher ersetzt wird.
Seit einiger Zeit produziert die bereits 1997 mit goldbeschichteten Rohlingen hervorgetretene Firma Kodak als "Professional Discs" angeblich 200 Jahre archivfeste CD- und DVD-Rohlinge (Bild links)
Datenschicht als unsichere Größe
In einer Sonderveranstaltung während der Leipziger
Tonmeistertagung am 7.11.2004 unter dem Titel "Archivierung
für die Zukunft geht alles verloren?" formulierte der
langjährige Telefunken-Mitarbeiter, VDT-Tonmeister und
Tonstudio-Besitzer Rüdiger EBEL eine
düstere Prognose: für die konventionelle CD-R sei in Fachkreisen
eine Lebensdauer von lediglich "55 Stunden bis dreieinhalb Jahren" angesetzt
worden. Sein in der IT-Branche tätiger Koreferent Markus
OTT stützte dies mit der generellen These, daß
das Material der zu beschreibenden Schicht, das sog.
Dye,
höchst anfällig und kurzlebig sei und empfindlich gegen seitlichen
Lichteinfall, der zu allmählichem "Durchrosten" führen könne.
Diese Befürchtungen kann ich aus meiner bisherigen Praxis heraus nicht
bestätigen; u.a. befinden sich die von mir im August 1997, also vor
nahezu zehn Jahren, gebrannten CD-Rs noch immer in sehr gutem Zustand; das
gilt auch für die damals noch sehr teuren CD-RWs und den ersten, im
September 1997 mit dem PC experimentell aus eigenen Live-Konzertaufnahmen
gemasterten Audio-Rohling. Zudem gibt es inzwischen für den Einsatz
in amateurmäßigen Movie-Kameras konzipierte
8-cm-Mini-DVD-Rs, die 200mal unempfindlicher sind gegen
Oberflächen-Beschädigung und UV-Lichteinfall. Mit einer Kapazität
von 1,2 GB fassen sie den Inhalt von knapp 2 CDs und wären daher
ein idealer Archivträger für Tondateien im *.wav- Format, die sich
allerdings nicht mit konventionellen Playern, wohl aber vom PC aus abspielen
lassen.
Trotz aller Bedenken wird die Popularität der CD-R(W) auch als Archiv-Medium weiter steigen und werden alle, die mit ihr arbeiten, dann gute Karten haben, wenn sie sich ein kritisches Augenmerk bewahren und nicht nach Preis, sondern einzig nach professioneller Qualität einkaufen, auch wenn diese inzwischen immer seltener zu finden ist. Das Beispiel des Studenten, dessen Staatsexamensarbeit verloren ging, weil er sie tragischerweise auf einer No-name-Diskette gespeichert hatte, gilt auch und gerade für CD-Rs, zumal sich bei Materialfehlern deren Inhalte nicht so einfach mit data recovery tools wenigstens teilweise wiederherstellen lassen. Dringend empfiehlt sich ein (material- und verfahrensbezogener) Erfahrungsaustausch mit professionellen Medienarchiven (Rundfunk, Fernsehen), die immer mehr auf CD-R sichern.
2. Weiteres zur Praxis
Gegeben sei ein sprachwissenschaftliches Tonarchiv mit mehreren tausend mundartrelevanten Aufnahmen; die hauptsächlich auf Spulen-Tonbändern vorliegenden wurden - analog der Technikgeschichte (s.o.) auf unterschiedlichen Geräten und mit verschiedenen Spurbreiten und Bandgeschwindigkeiten erstellt. Hierzu wurden weiter oben schon Hinweise gegeben.
Als erstes gilt festzustellen, ob für alle diese Tonträger geeignete Abspielgeräte vorhanden und in welchem Zustand (Mechanik, Elektronik, Köpfe) sie sind. Tonköpfe und Bandführung verdienen besondere Aufmerksamkeit, wirken sich doch hier Schwankungen beim Azimuth (dem Winkel des Kopfspaltes zur Bandtransportebene) und in der Spurlage (Abweichungen in der Horizontalen) so aus, daß diese Parameter ggf. zu verstellen sind, um bestimmten individuellen Aufnahmen zu maximaler Güte zu verhelfen. In der Regel sollten alle Aufnahmen auf den Geräten abgespielt werden, mit denen sie entstanden, d.h. 38cm-Vollspurbänder auf der M 5 oder M 10 usw.; universell verwendbare Spulen-Tonbandgeräte mit (durch geringe Spaltbreite) hochauflösenden Köpfen (in auswechselbarem Kopfträger) und zudem mehreren Geschwindigkeiten (wie das von 2,4...19 cm/s reichende UHER-Variocord oder Royal de luxe) empfehlen sich dann, wenn betagtere Geräte wie z.B. die berühmte NAGRA ihren Geist aufgegeben haben. Die von Tandberg entwickelte sog. Crossfield-Technik mit über separatem Kopf im schrägen Winkel zugeführter Vormagnetisierungs-HF schafft nur dann konkurrenzlos weite Frequenzgänge bei niedrigen Geschwindigkeiten (z.B. 4,78 cm/s), wenn mit demselben Gerät auch aufgezeichnet wurde.
Das von Tonwelle (Capstan) und Gummiandruckrolle konstant transportierte Band passiert vom linken Umlenkstift an zunächst den Löschkopf, dann den Aufnahme- und Wiedergabekopf und dann den rechten Umlenkstift, bevor es mit definiertem Rutschantrieb aufgewickelt wird. Aufwand und Präzision dieses Bandtransportes und die Beschaffenheit und Geometrie des Abtastkopfes bestimmen die Güte des Signals. Zusätzliche Rollen- und Höhenführungen verbessern das Signal und minimieren den Bandverschleiß. Wenig gleitfähige Bandbeschichtungen neigen zu verstärktem Abrieb, können an den Umlenkstiften ins (mehr oder weniger stark hörbare!) mechanische Schwingen kommen und / oder sich dabei elektrostatisch aufladen; werden die Umlenkstifte durch gefräste Rollen ersetzt und in der Nähe der Köpfe zusätzliche Rollenführungen angebracht, lassen sich diese Interferenzen minimieren. Problematisch ist ferner die Kopfausrichtung bei Vierspur-Tonbandgeräten. Mangelhafte Höhen- und Zenitheinstellung können (z.B. beim Philips N 7150) eine Spur laut und brillant, die andere dagegen dumpf klingen lassen. Gleichlaufschwankungen ergeben sich, wenn bei älteren Bandgeräten die Andruckrolle hart geworden ist. Die Andruckrolle muß so elastisch sein, daß beim Transport das definiert an den Capstan gedrückte Band immer ein wenig in die Rollenoberfläche "eintaucht" und so über den ganzen Transport hinweg eine konstante "Mitnahme" erfolgt. Ist die Oberfläche hart, so schadet es zum einen dem Band, zum anderen ergeben sich Rutschmomente, wenn die Rolle auch nur die geringste Exzentrizität aufweist. Kritisch ist ferner das Aufwickel-Drehmoment. Ist es zu stark eingestellt, so können unerwünschte Schwingungen entstehen, die sich dem Nutzsignal überlagern.
Aus Vorstehendem ergeben sich bestimmte Forderungen an die mechanische Beschaffenheit des Wiedergabegerätes: nur ein relativ neues, intaktes, optimal justiertes Gerät kann sie erfüllen. Allerdings benötigen Sie nur die zur Wiedergabe nötigen Funktionen und können, z.B. zur Stromersparnis, sogar die für Bandlöschung bzw. Aufnahme nötigen Bauteile ausbauen, d.h. in praxi die betreffenden Röhren (bzw. die entsprechende Platine) des Löschgenerators und Aufnahmeverstärkers und die Köpfe (Löschkopf, Sprechkopf) entfernen. Die als Beispiel dienende "bereinigte" Bandtransport-Einheit des von mir umgebauten Akai X-201 D (Stand: 8.3.2011; Näheres siehe auch unten) zeigt untenstehendes Bild:
Wir erkennen (von links nach rechts) 1. Abwickel-Fühlhebelstift, 2. Umlenkrolle, 3. (geführten) Reinigungs-Tip, 4. variable Höhenführung, 5. Wiedergabekopf (hier: Telefunken G 435), 6. (schwenkbaren) Abhebestift für Schnellvor-/-rücklauf, 7. zwei Bandführungen, 8. Capstan mit Andruckrolle, davor 9. (rückseitige) Bandführung und 10.Aufwickel-Fühlhebelstift. Alle metallischen Bandtransport-Komponenten sind regelmäßig zu entmagnetisieren.
Der Vorteil eines solchen "Rückbaus" liegt auch darin, daß ein (hier zu digitalisierendes) Band nicht versehentlich gelöscht werden kann.
Leider werden schon seit Jahrzehnten keine Spulentonbandgeräte mehr gefertigt und sind die als Quellgeräte verfügbaren oft in einem mehr als deplorablen Zustand, vor allem wenn sie längere Zeit nicht benutzt wurden. Da können beim Versuch, sie wieder in Betrieb zu nehmen, böse Überraschungen auftreten; hier einige der worst cases:
Dies sind nur einige Beispiele - und Beweise dessen, daß mit jedem
ungenutzt verstreichenden Jahr die Wahrscheinlichkeit wächst, weniger
an funktionierenden Abspiel-Ressourcen verfügbar zu haben.
Was können wir in solchen Fällen unternehmen? Beispielsweise im
Internet recherchieren, ob irgendwo noch ein passendes Gerät angeboten
wird; wenn nicht, versuchen, unser Gerät zu reparieren bzw. zu restaurieren:
eine Arbeit, die Feingefühl und Erfindungsgabe verlangt, die nur aus
reicher Erfahrung erwachsen können. Und es müssen Teile vorhanden
sein, mit denen wir uns helfen können. Zum Beispiel einer
Rekonstruktion meine Dokumentation
Nr. 33e Tonbandgerät unbekannter Herkunft, für 4 DM ca. Mitte 1980;: stark verschmutzt (Lehm) u. Kopfträger defekt; ursprünglich Vierspurgerät, vermutl. Neckermann; Mechanik OK.; Koffer und Innenteile gereinigt, geölt;: Kopfträger ausgebaut und bestückt mit gebrauchtem Zweispur-HSK wie im Quelle-Universum-Dreimotorengerät sowie Löschkopf aus anderem Zweispurgerät (angeklebt mit Epoxid-Stahl); HSK-Kopfandruckplatte bearbeitet (Spezial-Lösung, hierzu mechanische Einpassung!); Funktion der Köpfe mit mehreren Bandsorten bei beiden Geschwindigkeiten (4,8 / 9.5 cm/s) getestet, OK; Vormagnetisierung eingestellt (Trimmer in Mittelstellung); zusätzl. Elko 300 uF zur Verbesserung der Ub-Siebung; Zählwerkriemen a. anderem Gerät; Mag. Auge EM 84 einges.; A funktioniert mit zus. Mithörmöglichkeit über eingebauten Lsp. (Endstufe nicht gleichzeitig Löschgenerator!); Mithör-Einsteller re. bei W Tonblende (Achtung bei A/W-Betrieb); Gummi-Beläge an rotierenden Teilen mit Feile regeneriert, OK; Koffer außen restauriert; urpsrüngl., Bespannung (Belag) abgezogen, Koffer sw. gestrichen; an Oberkanten Beschläge durch Alu-L-Profil; neuen Deckel von ursprüngl. Telefunken-Gerät, mit Scharnieren hi. angebracht u. vorn mit zwei Magnetschnappverschlüssen (empfehlenswerte Lösung); neben den o.a. Arbeiten v. 22./23.11.80 im Jan. 1981 Kopfträgerabdeckung EB aus Alu (L-Profil), abnehmbar; Beschläge und Deckel wie o.a.; Bandumlenkbolzen re. und li. nachgeschliffen mit feinstem Schmirgelpapier; mehrere Tests A/W; Schnellvorlaufmechanismus (schwergängig) rep. 19.9.1981 mittels in die Mechanik eingebrachtem Kontakt-Sprühöl 88; Probeaufnahme mit LGS-Band, 4,75 cm/s und Elektret-Kondensatormikrofon M 1 (sprachwiss. Text)."Als ich, im Januar 2011, das mindestens 25 Jahre unbenutzte Gerät hervorhole, liegt das mittlerweile rund 50 Jahre alte BASF-Band (Signatur LG 48) vom September 1981 noch auf; der Motor läuft, das Magische Band leuchtet, doch der Haupt-Riemen ist zu "ausgeleiert", als daß Capstan und Wickelteller noch ausreichend getrieben werden könnten; um an ihn heranzukommen, müßte ich den Kopfträger abnehmen, die Tastenmechanik lockern und die gesamte Oberplatte ausbauen, das wäre zu riskant und zu aufwendig, also geht (nach Ausbau von Röhren und Kopfträger => Bild rechts) auch dieses Unikat den Weg alles Irdischen. Einzig überlebt hat meine (am 30.1.2011 digitalisierte und bearbeitete) Testaufnahme (aus der Einführung zum Arbeitsbericht "Die Schallaufnahme deutscher Dialekte" der DSA-Abteilung Phonetik von 1977)
Innerhalb einer Baureihe läßt sich, aus mehreren defekten Geräten, ein funktionsfähiges zusammenbauen; hierzu beispielsweise das (betriebsbereit zu haltende) Grundig TK 41 und (das als Ersatzteil-Lager dienende) TK 42. Das erste, neben dem Telefunken Magnetophon KL 85 "das" Schultonbandgerät um 1960, ist für max. Spulengröße 18 cm und Mono-Halbspurbetrieb ausgelegt und besitzt einen robusten Außenläufermotor, der eine schwere, hochpräzise gefertigte Capstanschwungscheibe antreibt. Der hochwertige Tonkopf tastet den gesamten Hörbereich ab. Das etwas später entstandene TK 42 mit drei Köpfen (L, A, W) ist für Vierspurbetrieb ausgelegt und daher in der Lage, Bänder in allen gängigen Spurlagen abzutasten; wie das TK 41 verfügt es über 3 Geschwindigkeiten (4,75 / 9,5 / 19 cm/s), denn die Mechanik ist identisch. Das kam mir zugute, als im TK 41 ein für die mechanische Laufwerkssteuerung unerläßliches Element angebrochen war und ich es durch Entnahme aus dem TK 42 ersetzen konnte. Ein Glücksfall ist auch, daß nun zwei identische Riemen-Sätze verfügbar und beide Grundig-typisch mehrschichtig konstruierten Wickelteller ebenfalls identisch sind. In jedem Fall sollten wir alles aufbewahren, was noch für Reparaturzwecke verwendbar ist: Rollen, Motore, Federn, Wickelteller, Röhren, vor allem aber Tonköpfe, sofern sie nicht zu stark abgeschliffen sind.
Egal, wie alt sie sind: es ist gut, wenn verschiedene Geräte zur Auswahl
stehen, um kritische Bänder optimal abzutasten. Denn nicht alle sind
dazu in der Lage (siehe unten).Ein Beispiel: mein vor knapp 30 Jahren mit
9,5 cm/s (Mono, Halbspur) auf 15er Spule aufgenommenes Band "D 37" mit einem
anläßlich des 450-jährigen Jubiläums der Universität
Marburg von Werner Bohnenberger ( Hessischer Rundfunk) erstellten Bericht
zur Institutsforschung; vorgestellt werden vier kleinere, aber sehr wichtige
Institute (AG Vergleichende Ethnosoziologie, Forschungstelle für
Vergleichende Erziehungswissenschaft, Qumran-Forschungsstelle, Forschungsinstitut
für deutsche Sprache Deutsche Sprachatlas). Dieses Band soll auszugsweise
vorgespielt oder digitalisiert werden. Besonders kritisch ist die etwas rauchige
und zugleich obertonreiche Alt-Stimme einer hier porträtierten Professorin.
Auf dem schweren, mit 4-Spur-Hörkopf nachgerüsteten Revox G
36 klingt sie etwas rauh; besser wird es mit dem Telefunken Magnetophon
75, noch besser mit einigen Grundig-Geräten: dem seinerzeit von
"der Welt größter Tonbandgeräte-Fabrik" als eine Art
Volks-Aufnahmegerät hergestellten TK 14, dem 50 Jahre alten TK
8, dem 1971 erworbenen Reportage-Gerät TK 3200 HiFi und (nach
Tonkopf-Rejustage) mit dem modernen Dreimotoren-4-Spur-Gerät Philips
N 7150, während das von der Schicht her problematische und durch
die vielen Abspielversuche schon etwas angegriffene Band im Grundig TK
41 zwar die beste Höhenwiedergabe erbringt, sich hier jedoch mechanische
Störungen dem Signal hinzumischen.
Weitere Hör-Versuche erfolgen mit dem Uher-Variocord 263
(4-Spur-Kopfträger des Royal de Luxe) und einem "revitalisierten"
Grundig TK 340 HiFi, das eine derart durchsichtige Höhenwiedergabe
aufweist, daß ich einige Bänder (darunter auch D 37) damit
digitalisiere. Dabei gelangt das Audio-Signal vom DIN-Ausgang an ein als
Zwischenverstärker wirkendes, 1985 umgebautes und auch für
Live-Aufnahmen benutztes
Cassettengerät ITT SL 700 (DIN in, Cinch out, Aussteuerung
"Stereo-MLC"), von dort in ein aktives Kleinmischpult Vivanco MX 660
(siehe untenstehendes Bild) und dann in den Philips-CD-Recorder CDR 560;
Kontroll-Wiedergabe der finalisierten CD-R mittels eines alten Philips CDD
461 CDrom, der damals auch als externes PC-Laufwerk diente und trotz
seines hohen Alters jede Spur blitzschnell abspielt.
Zusammenfassend läßt sich feststellen: Je mehr sich in Spulen- und Cassettentonbandgeräten dreht, desto weniger Aussichten bestehen, daß mit solchen Geräten nach längerer Standzeit noch gearbeitet werden kann. Zwar laufen die schnell rotierenden Massen auf nahezu wartungsfreien Sinterlagern, doch können Lager verharzen und zwischengesetzte Distanzscheiben durchscheuern. Gummi-Beläge an Kopplungs-Zwischenrädern werden hart und / oder unrund, laufen rauh und klopfen. Treibriemen verlieren die Spannkraft oder lösen sich zu schmieriger Masse auf. Bisweilen läßt sich ein bestimmter Riemen nur dann auswechseln, wenn fast die gesamte Mechanik demontiert werden muß; das lohnt sich kaum, folglich wandert das ansonsten noch einwandfreie Gerät auf den Müll - oder erleidet dasselbe Schicksal, wenn ein für Bandtransport und Schnell-Lauf "lebenswichtiges", aber fürchterlich kreischendes Röllchen keinen Ersatz findet und eine Modifikation des Laufwerks unmöglich ist.
Deshalb überleben, vor allem nach mehreren Jahrzehnten, nur solche Geräte, in denen Capstan und Wickelteller von separaten Motoren getrieben werden und somit alle denkbaren Arten von Zwischen- und Koppelrädern überflüssig sind. Sollte ein zum Capstan-Direktantrieb verwandter Synchron-Außenläufer tatsächlich "festgefressen" (verharzt) sein, läßt er sich, sofern keine Wicklung durchgebrannt und die Lagerung noch spielfrei ist, problemlos gängig machen und läuft dann, nach adäquater Schmierung, wieder jahrelang einwandfrei (japanische Bandmaschinen von Akai u.a. mit Hysterese-Synchronläufern haben motorinterne Dauerschmierung!). Abgesehen davon, daß Tonköpfe und Bandführung immer optimal sein müssen, gilt auch für Mehrmotoren-Antrieb: je robuster, desto besser. Es ist schon ein "gewichtiger" Unterschied, ob (bei identischer Maximalspulengröße) etwa ein Leichtgewicht wie das Philips N 7150 oder ein scheinbar monolithischer Block wie das Akai X 201 D zum Einsatz kommt. Bei ersterem kann sich die filigrane Mechanik verhaken, bei letzterem ist alles so robust ausgelegt, daß höchstens einige oxydierte Schaltkontakte zu reinigen sind.
Bild 2: Experimenteller Arbeits- und Meßplatz (August 2003) zum Überspielen (Digitalisieren) analoger Tonquellen auf Audio-CDR. Das am 13.8.2003 in meinem (ehemaligen) Arbeitszimmer entstandene Foto zeigt (auf dem Regal) den Cassettenrecorder Technics M 250 (darüber: Philips-Player CDD 461 CDrom) u. Abhörverstärker TEC M 300; unten: Revox B 77 Mk II (19 u. 38 cm/s Halbspur Stereo), darauf DAT-Portable TEAC DA-P20; Mischpult Vivanco MX 660; vorn: Notebooks IBM Thinkpad 755c (als Peak Program Meter) und Bullman EK 4 P4 (für Tonbearbeitung); Videorecorder Panasonic HiFi Stereo H 75 (1988; Tonaufnahme u. Zwischenträger-Erstellung), darüber Philips Mini-Audio-CD-Recorder CDR 560 + Mini-TV/Radio-Kombination. Abhörlautsprecher: pro Kanal wahlweise Heco- und/oder Technics-Kleinbox * Foto: WN 13.8.2k3
Bild 3/4: Weitere Arbeitsplätze (2003) zum Digitalisieren historischer Tonaufnahmen auf CD-R:
oben professioneller Arbeitsplatz (im Medien-Labor des
Fachbereichs 8) mit Telefunken-Studio-Magnetophonen M 5 (li.) und
M 15 (re.), dazwischen einer der zwei Audio-CD-Recorder Pioneer
PDR-609; zur Kontrolle dienen hochwertige Kopfhörer. Beide
Studiogeräte (M 5, M 15) wurden später defekt und sind vermutlich
nicht mehr zu reparieren.
links: semiprofessioneller Digitalisier-Platz (im damaligen Arbeitszimmer): Revox B 77 MK II (mit Halbspurstereo-Köpfen) sowie (auf Regal) Mischpult Vivanco MX 660 (hier nur zur Frequenzkorrektur) und Audio-CD-Recorder Pioneer PDR-609; abgehört wird mit Verstärker M300 und Kleinboxen, protokolliert mit Notebook IBM Thinkpad 760 XL (beide Fotos: WN 11. + 17.11.2k3).
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Schichtbedingte Materialprobleme
Gerade ältere, für den rauhen Studiobetrieb konzipierte, relativ starke (52 µm) und reißfeste Bänder (BASF LGR, AGFA PER), besitzen die sehr rauhe Schichtoberfläche; die erhöhten Kopfabrieb bewirkt und möglicherweise die oben erwähnten, recht hochfrequenten (> 1 kHz) Schwingungen an Köpfen und Bandführungselementen, die sich dem (elektroakustischen) Nutzsignal überlagern und es für archivalische und vor allem wissenschaftliche Verwertung (Messen von Lautparametern) unbrauchbar machen. Ein solches mit 19 cm/s auf Bobby erstelltes Rundfunkband klang auf dem Revox B 77 Mk II verzerrt; auch ein als "Prozessor" zwischengeschaltetes Sony TCD-5M brachte keine Abhilfe.
Sind verschiedene Geräte vorhanden, ist eine Reparatur nicht nötig und gibt es genug Möglichkeiten zum Experimentieren, können wir uns auch mit auf den ersten Blick ungewöhnlichen Mitteln helfen. Wir können zum Beispiel, ohne daß dies auch nur einen Cent extra kostet, zwei vorhandene Geräte kombinieren und somit eine modulare Tandem-Anordnung (Bild re.) aus dem Heimtonbandgerät Philips N 7150 (mit 2 Gleichstrom-Wickelmotoren, zum Spulen) und der semiprofessionellen "Sony-Nagra" TC-510-2 (Bandtransport und -abtastung) realisieren, mit der es am 17.8.2k5 gelang, das auf 18-cm-Spule gezogene oberflächenkritische Band bes. im ersten Drittel mit etwas weniger Verzerrungen zu digitalisieren. Dieses Tandem, das ergaben weitere Versuche, funktioniert auch mit dem glatt kalandrierten BASF LP 35 (90 Min.) in allen Betriebsarten (also auch Schnellvor- und -rücklauf).
Sofern mechanische Verzerrungen nicht schon durch Bandführungsprobleme im Aufnahme-Gerät entstanden, sorgen die oben erwähnten Rollen-Führungen (s. Abb. rechts, Sony-Gerät) und die von AKAI entwickelten sog. Glasferrit-Köpfe in vielen Fällen dafür, daß solche Eigenschwingungen erst gar nicht entstehen; ein glatter, nirgendwo "aneckender" Bandtransport hilft auch in einem besonders krassen Fall, nämlich einer (bei manchen BASF-Chargen auftretenden) Ablösung der Schicht, die Honig-artig den Wiedergabe-Kopf so verschmiert, daß schon nach wenigen Minuten die hohen Frequenzanteile verloren gehen und der Kopf ständig neu gereinigt werden muß (solche Bänder können also keinesfalls ohne "Aufsicht" kopiert werden, das Resultat wäre eine Katastrophe).
Neue Überspielversuche unternahm ich ab Oktober / November 2010 u.a. mit dem Akai GX 630 und X 201 D sowie einem mit Umlenkrollen modifizierten Uher Variodord 263. Drastisch wie nie zuvor offenbarte sich hier, was auf Archivare zukommen kann, wenn besonders kritische Alt-Bänder zu digitalisieren sind: entsetzlich kreischender, schließlich stockender Bandtransport, enormer Bandabrieb bereits nach Minuten und dadurch sowohl mechanische Überlagerungen der Nutzmodulation wie eine unzumutbare Verschlechterung der Höhenwiedergabe. Werden die stark verschmutzten Bandumlenkbolzen, die Tonköpfe und der Capstan nicht umgehend gereinigt, ruft ein bislang unverdächtiges Band beim Durchlauf dasselbe Kreischen hervor. Während über 40 Jahre alte Chargen von BASF (LGS) und AGFA (PE, PES) keinerlei Verschleiß aufzuweisen scheinen, tadellos durchlaufen und höhenbrillant reproduziert werden, zeigen sich als größte Übeltäter unter den "Schnürsenkeln" besonders die in den 70er und 80er Jahren in Kaufhäusern massenhaft angebotenen SHAMROCK-Chargen "041" ("1 Mil. Polyester 1/4 in."), aber auch unverdächtig erscheinende USA-Sorten wie z.B., das AMPEX-Standardband "Grand Master" 1200. Noch schlimmer ist, wieder bei Shamrock-Bändern beobachtet, eine teilweise oder völlige Ablösung der Schicht: an den Köpfen läuft nun ein völlig durchsichtig gewordenes Trägermaterial vorbei, zu retten ist nichts mehr.
Auch hervorragende Bänder wie das TDK-SA "EE" (=Extra Efficiency) können, wenn (wie mit meiner Live-Aufnahme vom 27.6.1982) lange nicht abgespielt, auf dem Wiedergabekopf einen leichten Schmutzfilm hinterlassen, der nach kurzer Zeit die Höhen immer stärker reduziert und damit auch die stereophone Raum-Information verschwinden läßt: die Modulation tendiert damit zur monauralen Mittelwellen-Qualität. In solchen Fällen ist der Abspielkopf spätestens alle 10 bis 15 Minuten zu reinigen, besser jedoch ist es, das Band an einem in den Transportweg integrierten Reinigungsbolzen entlangzuführen, der im Falle meines Akai X210 D sehr einfach zu realisieren war (Bild links). Wird nach dieser Maßnahme das zu digitalisierende Band zuvor einmal vor- und zurückgespult, bleibt der Abspielkopf sauber, das (am 25.12.2010 mit dem Fostex CR 500 erzielte) Resultat kann sich hören lassen.
Modifikationen der Bandführung
Im Falle von Kontakt-Resonanz oder Schichtablösung von
Bändern oder unexakter Spurführung sind, wie die folgenden
Abbildungen zeigen, die mechanischen Komponenten des Kopfträgers so
zu modifizierten, daß ein optimaler Umlenkungswinkel, Bandzug und
Kopfkontakt erreicht wird.
Ausgehend von der Erkenntnis, daß solche älteren japanischen Bandmaschinen in puncto Präzision und Unverwüstlichkeit ihre deutschen Konkurrentinnen (Grundig, Philips, Telefunken, Saba) deutlich übertreffen, konzentrierte ich mich auf das Akai X 201 D und versuchte es hier zunächst mit einer Bandberuhigungsrolle neben dem linken, nun mittig drehbaren und daher mitlaufenden Umlenkbolzen (Bild oben li.), baute, als dies nur bedingt half, die komplette Kopfbestückung (Löschkopf, AWK, Bias-Crossfield-Schwenkkopf) aus und setzte den originalen Akai-AWK provisorisch wieder ein, indem ich ihn mit Stabilyt Express fixierte (oben re.); diesen unregelmäßig eingeschliffenen und daher besonders schnell verschmutzenden Kopf ersetzte ich im dritten Schritt durch einen "frischen" Telefunken G 435 (unten li.) und, zur Optimierung des Band-Kopf-Kontaktes, zuletzt den linken vorderen Umlenkbolzen durch einen größeren und weiter nach vorn stehenden (aus Tandberg-Gerät, unten re.); somit realisierte ich aus bescheidenen Ressourcen eine neue Bandtransportmechanik, mit der sich sogar ältere, mit 4,75 cm/s und im Viertelspurbetrieb entstandene Aufnahmen (wie das auf BASF LP 35 verewigte dithmarsische Hörspiel "Johnny Granat" (ARD 6.1.1982) erstaunlich brillant abspielen (und somit digitalisieren) lassen - in der letzten Versuchsanordnung (unten) mit einem als Dynamik-/Limiterprozessor wirkenden Sony TCD-5 zwischen dem (modifizierten) X 201 D und dem Audio-CD-Recorder Traxdata 900.
Minimale Band-Reibung als Postulat
Das oben erwähnte, teils exzessive, mit starker, die Tonwiedergabe
beeinträchtigende Vibration verbundene Band-Kreischen ließ sich
bislang nicht restlos beseitigen: weder beim Akai GTX 630 noch beim umgebauten
X 201 D; vermutlich müßte der gesamte Bandtransport über
Rollenführungen erfolgen und als statisches Element allein
der - in Glasferritbauweise ausgelegte - Wiedergabe-Tonkopf
verbleiben. Sollten zusätzliche Höhenführungen
nötig werden, müßten auch sie eine glasferritähnliche
Oberflächenstruktur aufweisen.
Abweichende Spurlagen
Nur zufällig stieß ich Anfang November 2010 auf ein Band, das
eine ca. 2x 22 Minuten lange, am 4. Juli 1981 (!) entstandene Aufnahme
mit meiner Tochter Marion (* 10/1977) enthält. Während ich die
Seite 1 problemlos digitalisieren konnte, zeigte sich nach dem Umdrehen des
Bandes eine wohl mit 19 cm/s in Viertelspur-Stereo vorgenommene
Live-Konzertaufnahme: zunächst Beifall; als dann die Mozart-Sinfonie
begann, ging Marions Sprache darin fast unter. Auf anderen Geräten (z.B.
Philips RK 36, Uher Variocord 263) hörte ich - in der normierten Spurlage
- ausschließlich die Musik. Sodann legte ich das Band auf die modifizierte
X201D zurück und schob während der Wiedergabe vorsichtig das Band
etwas hoch, worauf Marions Stimme ohne jegliches
Hintergrund-Störgeräusch in optimaler Lautstärke und Brillanz
erklang. Dies brachte mich darauf, die aus einem Tandberg-Recorder stammende,
wie beschrieben etwas weiter nach vorn gesetzte, fix montierte
Bandführung (Bild li.) höhenvariabel zu gestalten (Bild
re.). Die locker auf der langen Schraube gleitende und auf einer Feder sitzende
Bandführung läßt sich mit dem oben ins Gewinde greifenden
Steg fein verstellen. Damit können nun auch weit von der
Höhenführungs-Norm abweichende (Viertel-)Spuren (und sogar auch
Halbspur-Stereo-Masterbänder) abgetastet und digitalisiert werden,
ohne daß, wie festgestellt wurde, der höhenkritische
Azimuth darunter leidet. Voraussetzung für eine solche Konstruktion
ist, daß der in Frage kommende Wiedergabe-Kopf keine
Bandkanten-Einfräsung besitzt.
Digitalisierungs-Platz (19.11.2010) mit (modifiziertem) Akai X 201 D, Sony TCD-5 und Audio-CD-Recorder Traxdata 900 (auf Uniden-Kurzwellentransceiver 2020). Abgehört wird mit umgerüsteten Wavemaster-Aktivboxen. Auf dem Transceiver liegt ferner ein Zoom-H2, (via Line-in) ebenfalls angeschlossen am (per Magnethalterung) am Traxdata sitzenden Cinch-Verteiler. Somit ergeben sich folgende alternative Überspielketten:
Der Traxdata 900 wurde Ende Dezember 2010 durch den Fostex CR 500 ersetzt.- Dieser CD-DA/BWF Master Recorder beschreibt alle Rohlinge (auch Rewritables), ist kompatibel zu AES/EBU oder S/PDIF und verfügt über ein USB-Interface für Eingabetastaturen - ein ideales Digitalisierungswerkzeug. Im Gegensatz zu den vorher verwandten CD-Recordern (CDR 560 / 560, Pioneer PDR-555 RW, Traxdata 900) finalisiert er in nur etwa 15 Sekunden. Mit einem anderen Gerät, dem Tascam-SS-R1, läßt sich direkt auf eine CF-2-Karte digitalisieren: siehe hierzu meinen YouTube-Videoclip "Digitalisierung-20122k11.MTS".
Auch dies (Bild unten) ist ein Digitalisierungs-Platz: der (von mir Anfang 1984 erworbene und modifizierte) Telefunken-Cassettenspieler CP-105 gibt seine Modulation von einem der Kopfhörer-Ausgänge an den Linien-Eingang des für *.wav eingestellten Compact-Flash-Recorders Marantz-PMD 660; von der CF-II-Karte wird dann in den PC eingelesen und eine MP3Pro / 96 kBps erzeugt.
Qualitäts-Tonbänder unterliegen keiner nennenswerten Alterung
Generell läßt sich eine altersbedingte Verschlechterung oder ein Unbrauchbarwerden von Magnettonaufnahmen nicht verifizieren. Dazu R. Bufe (Agfa) im Medien Bulletin 1/1989 (zitiert in den Tonmeisterinformationen 1/2-1989): "Das Magnetband unterliegt während der Alterung keiner Qualitätsverschlechterung. Seit Einführung von Polyester oder genauer Polyäthylenterephtalat als Trägerfolie - übrigens eine Innovation von Agfa - gibt es keine Versprödung der Folie mehr. Prinzipiell gilt: Solange wir den Lebenslauf eines modernen Magnetbandes kennen, haben wir keine Alterungsprobleme erkennen können. Wenn hier hin und wieder Probleme von verschiedenen Herstellern bekannt werden, sind diese nicht dem Magnetband allgemein zuzuschreiben. Hier sind in der Regel unerkannte Produktprobleme, auf einzelne Produktionsserien begrenzt, die Ursache." Aus inzwischen über 51-jähriger Erfahrung heraus kann ich dies nur bestätigen - besonders wenn deutsche Qualitätsbänder zur Anwendung kommen, die auch im sogenannten Anmateurbereich hervorragende Daten aufweisen:
Daraus folgt: (bei optimaler Lagerung und Pflege) halten möglicherweise die mittlerweile oft mehr als 60 Jahre alten Magnetbänder unter Umständen relativ gesehen länger als ihr digitales Pendant, die für unser Vorhaben ausgewählte CD-R (die zu digitalisierenden Tonbänder des Deutschen Sprachatlas befinden sich in hervorragendem Zustand!). Aufgrund der einfachen mechanischen und elektr(on)ischen Gegebenheiten lassen sich konventionelle Magnetbänder auch noch in ferner Zukunft abtasten, selbsterstellte CD-Rs jedoch aus alterungs- und softwarebedingten Gründen vielleicht schon bald nicht mehr.
Die Technik der Aufnahme und Wiedergabe mit Kompaktcassetten gibt es seit 1963. Auch u.U. 30 (oder mehr) Jahre alte Cassettenbänder (links: BASF Ferro-Band LH 60 von 1972 mit "Elefantenzähnen" zur horizontalen Wickelführung) fallen daher als Archivgut an; gute Chromdioxid- und Reineisenbänder erreichen eine Dynamik (bei Dolby B) bis ca. 65 dB bei einem Frequenzgang bis etwa 15.000 Hz, sofern sie mit guten Mittel- oder Oberklasse-Recordern bespielt wurden. Auch hier sollten nur mechanisch absolut zuverlässige und mit besten elektrischen Werten aufwartende Geräte als Überspiel-Quelle dienen und eröffnet sich ebenfalls die Möglichkeit, ohne zusätzliche Entzerrungsmaßnahmen allein mit (korrekt justierten!) hochwertigen W-Köpfen (Spaltbreite <1 µm) ein Maximum an (den für Formantanalysen so wichtigen) Brillanzfrequenzen herauszuholen.
Verglichen mit dem konventionellen "Schnürsenkel", also dem 52 µm "dicken", 6,25 mm breiten Studio-Tonband, sind Cassetten-Bänder ungleich zarter und empfindlicher. Als appararative und trägerbedingte Probleme gibt es auch hier: z.B. die Schicht-Ablösung und den verschmierenden Abrieb, dazu klemmende Wickel und Bandführungsprobleme in wenig temperaturfesten Gehäusen sowie Bandknittern bei allzuglatter Oberflächen-Kalandrierung, von den gerade bei einer so niedrigen Bandgeschwindigkeit besonders kritischen Azimuth-Fehlern abgesehen. Ein z.B. durch Welligkeiten am Rand oder gar Bandknittern geschädigtes Cassettenband ist für archivalische Zwecke unbrauchbar; es läßt sich nicht so "glattbügeln" wie das hochreißfeste und mechanisch gutmütige Rundfunk-Studioband.
Das gefürchtete Bandknittern tritt auch in hochwertigen Decks dann auf, wenn nach Schnellvor- oder -rücklauf mit ungestrafftem Band sofort auf Wiedergabe geschaltet wird (ganz hochwertige Cassettendecks straffen das Band automatisch nach dem Einlegen und vor dem Schnellspulen). Das Band bildet dabei möglicherweise eine Schlaufe, die sich entweder unterhalb des Wickels oder sogar zwischen Matrixblatt und Gehäuse positioniert. Wurde der Bandtransport sofort gestoppt, läßt sich nach vorsichtigem Abnehmen der oberen Gehäusehälfte mit nichtmagnetischem Werkzeug (oder ganz sauberen Fingern) das Band aus dieser Lage befreien und muß dann neu in die Führung gespannt werden - so, daß es sich beim Wiederzusammenbau des Gehäuses nicht falsch bzw. nach außen verklemmt.
Wurde nicht sofort gestoppt, zieht sich das Band in dieser falschen Lage fest und verklemmt sich; bei starkem Aufwickelzug kann es sich sogar longitudinal verrunden und wird dann unabspielbar. Auch kann es sich, ohne daß es zunächst bemerkt wird, um 180 Grad vertwisten, so daß die Rückseite plötzlich nach außen zeigt; dieser Fehler läßt sich mit Geduld und Behutsamkeit korrigieren. Drehen Sie nach der Reparatur vorsichtig und langsam mit einem Bleistift den rechten und linken Wickel und kontrollieren Sie dabei, ob 1. das Band ordnungsgemäß durch die Führung läuft, 2. die Bandwickel keine Stufungen aufweisen und sich daher leicht drehen lassen; machen Sie dann eine Test-Wiedergabe. Durch mehrmaliges Passieren des Tonkopfes lassen sich leichte Verknitterungen beseitigen.
Wie ich mit Audio-Cassetten begann
Eine That's MR-X 90 Pro Cassette enthält mein allererstes Digitalisat vom 19.1.1996 und, auf dem Rücken der gefalteten Archiv-Einlage, folgenden handschriftlichen Text: "Audio-Computing eröffnet völlig neue Perspektiven, vor allem wenn geeignete Sound-Karten verfügbar sind. Der bereits ziemlich zerstörte Film-Soundtrack "Ganovenehre" wurde im Jan. 1996 folgendermaßen bearbeitet:
Ich benutzte damals noch den 1991 erworbenen, schrittweise
aufgerüsteten (und hier
abgebildeten) Desktop-Rechner mit CPU = 486 DX 50 und der 16-Bit-Soundkarte
Pro Audio Spectrum 16, spielte das vom Sony-Cassettenrecorder TCD5M
(Nr. 1, erworben Mitte 1985, neu heute in Betrieb) und der schon arg
ramponierten Original-Cassette kommende Tonsignal an den Line-Eingang
der Soundkarte via Software-Mixer Pro Mix auf den im
Pro-Audio-Softwarepaket enthaltenen Pocket Recorder und generierte
unter Windows 95 auf der weniger als 1 GB umfassenden Betriebs-Festplatte
aus dem rund 90-minütigen Soundtrack in einem heute ungeheuer
ökonomisch wirkenden (und natürlich sehr schmalbandigen)
Modus insgesamt 11 *.wav-Dateien mit zusammen nur 55 MB (an
Kompressions-Verfahren wie *.ra, *.mp3 oder *.wmv war noch nicht zu
denken (hierzu mein späterer Text).
Nach einigen bescheidenen Bearbeitungsschritten kam, zwecks Wiedergabe im
Auto-Radio, die Rück-Überspielung (Re-Analogisierung) des
11-teiligen Digitalisats auf die o.a. That's-Reineisenband-Cassette im TCD5M
bei eingeschaltetem Dolby B und Limiter.
NB. Die oben erwähnten, mit der PAS 16 ausgelieferten Programme (der
HQ9000-Audio-Station) ließen sich noch heute verwenden, wenn mittels
VM-Ware z:B. unter Windows 7 ein (virtuelles) Windows 95 eingerichtet,
die Programme dort installiert und die Audio-Daten bzw. Digitalisate in einem
auch unter dem übergeordneten Haupt-Betriebssystem zugänglichen
Pfad abgelegt würden.
Die bis heute (22.9.2012), also nach rund zwölfeinhalb (1) Jahren, im Auto aufbewahrte Cassette offenbart trotz aller Schmalbandigkeit eine verblüffend deutliche Wiedergabe und läßt sich mit dem ebenfalls heute für unglaubliche 25 Euro bei Woolworth angeschafften, USB-gespeisten, mit Richtungsumschaltung und 4-Kanal-Tonkopf (Bild 2 oben) ausgerüsteten Cassetten-Digitalisierer via USB und das mitgelieferte Programm Audacity problemlos digitalisieren: hierzu obige Bilder.
Zur Lebensdauer von Audio-Kompaktcassetten kursieren unhaltbare Behauptungen, etwa dahingehend, daß mehrere Jahrzehnte alte Exemplare ihre "Höhen" und überhaupt mindestens einen Teil ihrer Magnetisierung verlören und daher archivalisch wertlos würden. Aus meiner Erfahrung (seit 1968) mit vielen Fabrikaten, Sorten und Chargen sei dazu ergänzt, daß deutsche (z.B. BASF LH) und vor allem japanische Qualitäts-Cassetten (z.B. Fuji, Maxell, Sony, TDK) auch nach 30 oder mehr Jahren praktisch nichts von ihren Daten einbüßen. Fakt ist, daß die um 1980-1986 herum erreichte Herstellungsqualität, d.h. neben dem Band vor allem die Präzision und Langlebigkeit der Mechanik, gegen Ende des 20. Jahrhunderts nie wieder erreicht wurde. Als Beispiel diene eine Maxell XL-1-S (Eisenoxid = Typ 1, Bild links vom 11.12.2010), auf der ich im August 1981 während des "Kram- und Viehmarkts" auf dem Arolser Kirchplatz eine große, lochkartenbandgesteuerte sog. Konzertorgel aufgenommen habe (mit dem bescheidenen Uher CR 124 ohne Dolby und einem mit 2 ECM-Kapseln bestückten Quelle-Stereo-Kompaktmikrofon). Hier das Resultat meiner am 11.12.2010, also gut 29 Jahre später, via Sony TCD-5 M und Zoom-H2 erfolgten Digitalisierung (und zu MP3pro / 96 kBps encodierten) Originalaufnahme.
Digitalisierung auf Mini-Disc
Größtmögliche Signal-Auflösung erzielt das Überspielen auf CD und DAT, während die Minidisc mit ihrer 5mal kleineren Daten-Kapazität für eine identische Spieldauer (74 bzw. 80 Minuten) entsprechende Daten-Kompression erfordert. Seit ihrer Markteinführung Ende 1992 wurden hier allerdings bedeutende Fortschritte erzielt, so daß heute mit dem Kompressionsverfahren ATRAC 3 nicht nur bei 5-facher Datenreduktion praktisch CD-konforme Qualität erzielt wird, sondern noch bei 10-facher Audiokompression und anspruchsvollem Programm-Material kaum Unterschiede zum Original hörbar werden und selbst bei 20-facher Reduktion (= 64 kbps) immer noch gute UKW-Qualität vorliegt. Bild rechts zeigt eine goldbedampfte 80-Minuten-Minidisc und darüber den nur unwesentlich "größeren" Sharp-Recorder MD-MT 180H, der neben Standard Play (SP) auch die Langspielmodi LP2 und LP4 (mit max. 5 Stunden und 20 Min. pro MD) beherrscht und ohne Qualitätseinbuße monaurale (=einkanalige) SP-Aufnahmen in doppelter Spieldauer erstellt.
Die von SONY hergestellten sog. Hi-MD-Recorder wie der
MZ-RH 10 verarbeiten (als einzige) die neuen Minidisks von 1 GB und können
sogar lineare PCM-Aufnahmen mit 44,1 kHz Sampling erstellen, außerdem
spielen sie neben ATRAC 3, ATRAC 3 plus und ATRAC auch mp3 ab mit
einer Bitrate von 32...320 kHz. Wer jedoch davon ausgeht, daß es sich
im ersten Falle um gewöhnliche *.wav und im zweiten um beliebig auf-
und abspielbare *.mp3 handelt, ist auf dem Holzweg, denn der MZ-RH 10
benötigt für die 1-GB-Disks erstens eine besondere Initialisierung
(leere Disks werden weder beschrieben noch gelesen), erzeugt ein zu *.wav
inkompatibles PCM-Format und verarbeitet *.mp3 auch nur über das von
einer CD installierbare Programm
Sonic
Stage, das als TSR den PC belastet und mit einer umständlichen
Performance und Bedienoberfläche nervt (das heißt: mp3's lassen
sich nur dann abspielen, wenn sie via Sonic Stage erstellt wurden!).
Mit adäquater Firmware hätte man, analog zu Flash-Recordern
wie dem Marantz PMD 660, auch auf die Minidisk (besonders die 1Gb!) sowohl
kompatible *.wav als auch *.mp3 aufnehmen und diese via USB direkt auf einen
PC übertragen können, um sie dort zu editieren; doch hat, vermutlich
aus rein marktpolitischen Gründen (man wollte die Kunden an ein bestimmtes,
auch im Internet vermarktbares, Format binden) Sony hier viele potentielle
Anwender vor den Kopf gestoßen und eine Chance vertan, weshalb man
sich berechtigt fragt, wieso ein solches Konzept von einer derartig renommierten
Firma überhaupt entwickelt werden konnte. - Mit der 1GB-Platte und via
USB (1.1.) fungiert der MZ-RH 10 übrigens auch als externes Datenlaufwerk
und sichert (im Schneckentempo) neben Musik- auch Text- und Bilddateien -
aber wer braucht das schon angesichts der schnellen, via USB 2.0 betriebenen
externen Festplatten und SD-Karten?
Wird durch die Echtzeit-Kopie analoger Quellen in die Formate MP3, WMA u.a. stärker als 20-fach komprimiert, so bedeutet das auch bei Sprache nicht nur mögliche Artefakte, sondern auch Höhenverluste, mit diesen aber auch die Eliminierung hochfrequenter Interferenzen.
Ist auch die Ton-Quelle digital und wird breitbandiger Umschnitt gewünscht, so kann dieser (a) per Tonleitung (Analog-Kopplung) oder (b) via Koaxialkabel oder Lichtleiter (Digitalkopplung) erfolgen. Die physikalische Identität von Quellen- und Zielmaterial ist nur in (b) gegeben.
Haben wir uns darauf geeinigt, beim Digitalisieren unseres Archivs auf beschreibbare CDs umzuspielen, so gelten weitere Vorüberlegungen den zu verwendenden Tochter-Geräten und damit dem Verfahren: vom analogen Muttergerät geht das Signal entweder (1) auf einen autonomen CD-Audio-Recorder und einen Audio-CD-Rohling oder (2) auf die Soundkarte eines PCs und von dort per Steuer-Software (a) auf eine als Zwischenträger (mit Korrektur-Möglichkeit) wirkende Festplatte (harddisk recording) oder (b) direkt auf ein internes oder externes CD-R(W)-Laufwerk und einen Daten-CD-Rohling.
Wird nach (2) das vom analogen Quellgerät gelieferte Material via Tonleitung der Soundkarte eines PCs zugeführt; so muß diese als Analog-Digital-Wandler professionellen Anforderungen genügen, d.h. 1. einstrahlsicher und hochpegelfest sein, 2. eine CD-konforme *.wav mit 44,1 kHz Sampling und mindestens linearer 16-Bit-Quantisierung liefern. Die heutigen guten Soundkarten gehen weit darüber hinaus, so arbeitet z.B. die (auch mit opto-digitalem Interface versehene und als Stand-alone-Wandler einsetzbare) externe Creative Sound Blaster Extigy (Bild 5 rechts) mit einer Quantisierung von 24 Bit und einem Sampling von 96 kHz, wobei sie einen Signal-Störabstand von rund 100 dB erreicht. Das hier (via Line-in, linke Klinkenbuchse vorn) eingespeiste und intern digitalisierte Signal wird dem PC via USB zugeführt: dies geht mit geringen, jedoch nicht wahrnehmbaren Qualitätseinbußen schon mit USB 1.1; die Version 2.0 arbeitet jenseits aller Kompromisse. Für unsere Zwecke eignet sich auch die (links abgebildete) kleinere externe Creative-Soundkarte; sie bezieht ihre Betriebsspannung aus dem USB-Port und liefert ein exzellentes Stereo-Signal schon mit USB 1.1.
Beim reinem Editing benötigt der PC (praktischerweise ein leistungsstarkes Notebook) eine Soundkarte nur zur Abhör-Kontrolle. Editoren wie Cool Edit oder der Wave-Editor 2 von Nero Burning ROM besitzen Aussteuerungskontrollen und "emulieren" Tonaufnahme-Hardware. Sie lagern das Tonsignal zunächst in einem Temporärbereich und schreiben es hernach unter optionalem Dateinamen und in beliebigem Format (möglicherweise auch als *.wma oder *.mp3) auf die Festplatte.
Wie untenstehende Tabelle zeigt, sind die via Audio-CD-Recorder erzeugte und CD-Ripping auf die Platte geschriebene (hier: "Track 01") und die nach Verfahren (2 a) via Soundkarte erzeugte (hier: "0rg90-03") CD-konforme *.wav von den Parametern her identisch.
Während in (1) bei "fest verdrahteter" Software (+ Firmware) die Parameter vorgegeben sind (2-Kanal, Sampling 44,1 kHz), sind sie für (2) als Teil der Software-Konfiguration festzulegen; werden Archiv-CDs erzeugt, so müssen sie auf handelsüblichen Playern abgespielt werden können, was CD-konforme *.wav und entsprechendes Lead-in und Lead-out verlangt. Während - bei brummfreier und sicherer Kabelverbindung - das als (1) skizzierte Verfahren relativ unkompliziert und daher sicher arbeitet, fallen bei der softwaremäßigen Audio-Aufnahme (2), bes. (2b), zusätzliche Risiken an, nicht zuletzt weil mehr Funktions-Module in den Prozeß eingebunden sind. Die analoge Kabelverbindung ist in allen Fällen eine mögliche Fehlerquelle: tritt - das kennt jeder Audio-Techniker - aus irgendeinem Grund (Material, Geräte, Leitung, Stromnetz) auch nur an einer Stelle ein Brummen oder Kratzen auf, so ist möglicherweise der ganze Prozeß zu wiederholen. Beim Harddisk-Recording entstehen keine Verluste, doch wird beim direkten CD-Recording möglicherweise der - u.U. fast volle - CD-Rohling als Archiv-Stück wertlos (tritt kein Medien-Fehler auf und läßt sich die teilweise bespielte CD finalisieren, so lassen sich die hier gespeicherten Informationen noch für Lehre und Forschung verwenden).
Im Gegensatz zu anderen Kopier- und Einlesevorgängen, die sich in sehr großer Geschwindigkeit vornehmen lassen, erfolgt das Umspielen analoger Audio-Materialien auf digitale Medien naturgemäß in Echtzeit. Neben der CD kann parallel eine Minidisk erstellt werden: diese gibt es entsprechend für 74 bzw. 80 Minuten Aufnahmezeit und das Prozedere ist quasi identisch. Während das Schreiben der "Inhalts-Tabelle" (TOC) bei der MD automatisch geschieht, muß die (aus Sicherheitsgründen nicht randvoll zu beschreibende) CD durch einen Extra-Befehl (Tastendruck) finalisiert werden; je nach Recorder dauert das 4 bzw. 2 Minuten. Fällt während des Finalisierens der Strom aus, ist die CD verloren.
Eine weitere Methode der Digitalisierung besteht darin, analoge Bandaufnahmen auf Festkörperspeicher umzuspielen, seien es Compact-Flash-Karten (wie sie z.B. vom Marantz PMD-660 benutzt werden) oder SD-Karten (für die es Adapter gibt) oder - im Format Mp3 oder WMA - gleich auf Mini-Recorder mit eingebautem Speicher wie z.B. den Olympus DS-40, der auf max. 512 MB auch das sog. STXQ-Format mit WMA 128 kBps und einer Samplingfrequenz von 44,1 kHz verarbeitet und trotz des Kompressionsfaktors von 10 bei Sprache praktisch Studioqualität erzeugt. Hierzu wird das Signal auf den Mikrofoneingang des DS-40 gegeben, der im unempfindlichsten Modus "Dictation" arbeitet, und vorsichtig am Master-Regler des MX 660 im DS-40 eine kompressionsfreie Vollaussteuerung eingepegelt.
Solche WMA-Dateien lassen sich via USB 2.0 sehr schnell in den PC einlesen, dort z.B. für didaktische Zwecke weiterbearbeiten oder (als WMA, MP3 oder WAV) auf CD brennen. Im Januar 2008 habe ich z.B. eine am 16. Oktober 1977 (!) mit 9,5 cm/s Halbspur gefertigte Tonbandaufnahme des historisch wichtigen (weil mitten in der Schleyer-Entführung ausgestrahlten) Internationalen Frühschoppens mit Werner Höfer auf einem ca. 52 Jahre alten Telefunken-Magnetophon KL 65 abgetastet und von hier aus über ein Kleinmischpult Vivanco MX-660 auf das DS-40 überspielt (mein Foto oben), wo es in praktisch unverändert guter Qualität per Kopfhörer oder externem Verstärker abgehört werden kann (hier ein zu 48 kbps / 44.1 kHz umcodierter Ausschnitt).
Zeit-Management bei Umschnitten auf CD
Bei angenommenen 3.000 Originalbändern mit einer Länge von je
60 Minuten bedeutet die Erstellung je einer Tochter-CD zunächst
eine Gesamt-Laufzeit von max. netto 3.000 x 64 Minuten (= 3200
Std.); hinzu kommen - je Einzelkopie - verfahrensbedingte Zeitanteile
(Quellenmaterial stichprobenweise durchhören, Band und CD einlegen,
Starten / Stoppen, Qualitätskontrolle, Protokollführung, Beschriften),
ganz abgesehen von den Fällen, in denen aufgrund einer
elektrischen Störung (z.B. Stromausfall) oder eines
medialen (Rohling) Schadens möglicherweise ganz am Ende der
Überspielung der Rohling defekt und daher ein erneutes
Überspielen nötig wird oder wenn das Originalband wider Erwarten
an bestimmten Stellen (elektrisch oder mechanisch, z.B. durch
Schichtverlust oder Klebestelle) so schadhaft ist, daß die
Überspielung zwischendurch gestoppt (oder auch hier wiederholt) werden
muß. Wird nur eine "Überspiel-Strecke" verwendet, bedeutet das
für unsere 3.000 Aufnahmen auch bei nicht immer maximaler Spieldauer
über alles gerechnet eine Gesamt-Überspielzeit von mehr
als drei Mann-Jahren (bei voller Arbeitszeit, Urlaub und evtl.
Krank-Zeiten nicht eingerechnet). Als optionale Zusatz-Arbeit fällt
pro Überspielung eine Sicherungs-Kopie an: entweder per
Computer (auf CD-R, vorsorglich nicht mit höchster Geschwindigkeit)
oder in Echtzeit von einem handelsüblichen CD-Player (per
Analog-Kabel oder digital) auf einen autonomen Audio-Recorder
(CD-R oder Minidisc); hernach ist die Tochter-CD unbedingt mindestens
stichprobenweise abzuhören. Es können nämlich etwa
von der Hälfte an oder am Schluß rhythmisch wiederkehrende
Kratzstörungen hörbar werden. Dies ist ein Indiz dafür,
daß entweder auf der selbstgebrannten "Mutter-CD" und/oder der "Tochter"
Fehler vorliegen oder der Player mindestens teilweise für solche CDs
ungeeignet ist (ein in dieser Hinsicht "kritischer" Player ist zu bevorzugen).
Je nach Routine des "Operators" erhöht sich der Zeitaufwand, wenn beim Umspielen auf der Ziel-CD neue Spuren (Tracks) "markiert" werden, um inhaltlich zusammengehörige, aber funktional verschiedene akustische Themen-Blöcke voneinander abzugrenzen und später leichter extrahierbar zu machen. Hierzu werden jeweils das Tonbandgerät und der Aufnahme-Recorder angehalten ("Pause") und ganz kurz vor Beginn des (zu suchenden) nächsten Blocks sukzessive neu gestartet (Trägheit des Band-Anlaufs und Verzögerung des CD-Starts beachten!).
Neben hoher Konzentration erfordert solches Track-Marking Vorkenntnisse über den Inhalt (Themen, Blocklänge) des zu kopierenden Bandes und kann zumindest teilweise mißlingen, wenn aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit, Müdigkeit bzw. unvorhersehbarer Ereignisse (z.B. dringende Telefonate) das Marking nur teilweise oder an falschen Stellen erfolgt (und damit die spätere Verwertung der Archivalie erschwert). In studiomäßig erstellten Vollspur-Aufnahmen werden thematisch verschiedene Blöcke durch (unmagnetisches, daher signalfreies) Weißband getrennt; ist dieses lang genug (min. 2-3 Sek.), so läßt sich der Tochter-Recorder (CD oder Minidisc) so einstellen, daß nach jedem Weißband jeweils automatisch auf eine neue Spur gewechselt wird. Zudem enthält jedes professionell geführte Tonarchiv Karteikarten mit genauen Angaben zum Bandinhalt, also auch der jeweiligen Aufzeichnungsdauer in Minuten und Sekunden; dies ermöglicht dem Kopier-Assistenten, den Umschnitt jeder Sub-Einheit mit der Stoppuhr zu verfolgen und so an den passenden Stellen die zugehörigen Pausen zu setzen.
Kommen mehrere parallele Überspiel-Strecken zum Einsatz, so bedeutet
dies - bei entsprechender Kostensteigerung - nur scheinbar eine im selben
Maße erhöhte Effektivität. Mehrere
Überspielvorgänge sind - auch abhörend! - zu
überwachen, Stromausfälle schädigen alle
Überspielvorgänge, Defekte in einer Strecke können die
Aufmerksamkeit des Bedieners von anderen potentiellen Risiken ablenken usw.,
die Zahl der erwartbaren Ausfälle ist also proportional der Zahl
der von einem Bediener überwachten Prozesse.
Auditives Digitalisieren ist eine anspruchsvolle Tätigkeit; mit Schwierigkeiten ist zu rechnen; der individuelle Charakter jedes Digitalisierungsvorgangs und archivbedingte Imponderabilien verhindern per se eine bindende Zeitkalkulation. Eine Digitalisierung von jeweils mehreren tausend Bändern ist nur von einem koordinierend geleiteten, jungen Team von Technikern bzw. 'Operators' zu bewältigen; besitzt jeder Techniker ein Gespür für das von ihm Erwartete (aber auch das Unerwartete!), so kann er auf dieser Basis in relativ kurzer Zeit angelernt werden. |
Die fertig bespielten und finalisierten CD-Rs sind unter archivüblichen Bedingungen (Temperatur, Luftfeuchte) zu lagern und vor starkem Lichteinfall zu schützen. Wollen Sie die CDs mit handschriftlichen Kenndaten beschriften, so dürfen Sie nur spezielle Dia-Schreiber (permanent marker) mit weicher Spitze verwenden, da jede Art von Druck, wie sie z.B. von Kugelschreiberminen verursacht wird, die Datenschicht angreift und die CD damit zumindest teilweise unlesbar macht. Die Annahme, daß auch die erwähnten sog. Ätz-Stifte auf lange Sicht die als Label-Fläche wirkende Oberseite der nur wenige Mikrometer "dicken" Datenschicht durchdringen und sie damit dauerhaft schädigen könnte, wurde bislang nicht schlüssig bewiesen. Als wesentlich bessere Alternative dienen selbstklebende CD-Labels, wie sie z.B. von Zweckform angeboten werden. 2 solcher kreisrunder Labels befinden sich jeweils auf einem DIN-A4-Bogen und lassen sich mit Hilfe geeigneter Schablonen per PC und Drucker beschriften; hernach werden die Labels von dem Bogen abgezogen und mit einem Zentrierstück (oder gutem Augenmaß) konzentrisch auf die CD geklebt, die dadurch an Verwindungssteifigkeit gewinnt. Falsch oder wellig angesetzte Labels lassen sich meist nicht mehr abziehen, ohne daß die Datenschicht zerstört wird.
3. "Digitalisate" für Forschung und Lehre
Als technische Dienstleistung ist eine Digitalisierung besonders wertvoll, wenn sie im Rahmen von Forschung und Lehre durch Optimierung von Zugang und dokumentarischer Qualität die wissenschaftliche Analyse erleichtert und deren Aussagekraft erhöht.
Steht das Archiv im Dienst der Germanistik2) und Medienwissenschaft, so lassen sich - womöglich noch während des Digitalisierens - aus dem gewonnenen Material (d.h. den fertigen CD-Rs) beispielsweise funktionelle Einheiten (im folgenden: Digitalisate 3)) für die Dialektologie erstellen, die innerhalb der Lehre präsentiert oder forschungshalber z.B. in ein sprachkartografisches Werk eingebettet werden können. Wir verstehen hierunter mehr oder weniger kurze Tondateien, die sich im Internet auch bei ungünstigen Übertragungsbedingungen als Audio Stream abrufen oder zur Gänze abspeichern ließen. In unserem Falle handelt es sich um die sog. 40 (+ 8) Wenkersätze, die in rund 3.000 verschieden alten Tonaufnahmen vorliegen. Solche Aufnahmen enthalten darüberhinaus oft noch andere Informationen, so die Zahlen von 1 bis 21, die Wochentags- und Monatsnamen, sach- und kulturgeschichtlich wichtige Lexeme sowie mehr oder weniger lange Freie Rede (mit Geschichten und Erlebnissen aus dem bäuerlichen oder familiären Bereich).
Während das generelle Digitalisieren, also das Umspielen analoger auf digitale Tonträger, spezielle autonome (d.h. PC-unabhängige) Hardware (Plattenspieler, Tonbandgeräte, ggf. Entzerrer) erfordert, handelt es bei den nachfolgend beschriebenen Arbeiten um nachgeordnete Prozesse, für die im Zusammenhang mit dem sog. Mastering der Terminus Postproduction eingeführt wurde. In unserem Falle werden nicht etwa Live-Tonaufnahmen klangtechnisch bearbeitet, sondern aus analogem Material authentisch digitalisierte Archivstücke mittels eines Computers zu forschungs- und lehrgerechten Einheiten umgewandelt.
Unser Computer muß schnell sein (CPU min. 1 GHz, RAM min. 256 MB) und alles zur Bearbeitung nötige "an Bord" haben, also eine (leise, schnelle und robuste) Festplatte von min. 30 GB, ein (robustes und zuverlässiges) DVD/CDR(W)-Laufwerk (Leser und Brenner) sowie eine hochwertige (interne oder externe) Soundkarte, dazu die üblichen Anschlüsse (USB 2.0, Firewire, PCMCIA, Audio-Line (Stereo!) in/out, LAN usw. Die Ton-Kontrolle (das Monitoring) erfolgt über kleine, verzerrungsarme Aktiv-Lautsprecherboxen; Kopfhörer sind aus psychologischen (möglicher Widerwille gegen das Tragen) und physiologischen (starke Ermüdung bei längerem zwangsweisem Hören) Gründen nicht zu empfehlen4).
Das Erstellen lehr- und forschungsbezogener "Digitalisate" impliziert optimale Präsentabilität und daher Tongüte. Die abrufbaren Tonbeispiele sollen Schritt halten (können) mit der hervorragenden Aufbereitung und Qualität des Kartenwerks (Sprachatlas) und dieses so ergänzen, daß aufgrund der akustischen Gegebenheiten via Hörvergleich oder sogar akusto-phonetische Messung die schriftlichen Daten validierbar werden, die in den (ebenfalls abrufbaren) Fragebögen (=> Beispiel) vorliegen und auf denen der Sprachatlas aufbaut.
Erste Aufgabe ist, aus jeder Aufnahme zunächst die 40 Wenkersätze en bloc zu extrahieren, das bedeutet, eine entsprechend lange *.wav-Datei zu gewinnen. Liegt eine Track-segmentierte CD-R vor, so läßt sich die Spur, die die Sätze enthält, in mehrfacher Geschwindigkeit per Ripping in den PC einlesen (mit Cool Edit 2.0 sogar direkt in den Editor-Speicher); haben wir aus früherer Digitalisierung ein DAT-Band, so ist hier zunächst der Beginn des Wenker-Blocks zu suchen und die Passage sodann in Echtzeit via Soundkarte auf den PC zu kopieren. Die realisierbare Qualität dürfte in beiden Fällen nahezu identisch sein, außer es wird beim Ripping gleich eine *.mp3(pro) oder *.wma erzeugt, im Editor temporär zu *.wav gewandelt und schließlich wieder im Kompressionsformat abgespeichert: ein, wie ich am Lautdenkmal erproben konnte, im Falle historischer Tondokumente auch bei nur 64 kbps noch akzeptables, praktisch verlust- und artefaktfreies Verfahren.
Ein Wenkersatz-Block enthält nicht selten (nach)fragende oder kommentierende Äußerungen des Interviewers (Explorators), die mit dem Sound Editor zu tilgen sind; die Sätze sind mit Pausen von 1-2 Sek. Länge deutlich voneinander abzusetzen. Das ist bei weitem nicht alles: erfahrungsgemäß unterscheiden sich die Mundartaufnahmen nicht nur in puncto Verständlichkeit (als Summe von Tonqualität und Sprecherartikulation), sondern auch bezüglich anderer Parameter wie z.B. der Aussteuerung und damit auch der Amplitudenstatistik, so daß hier möglicherweise einiges nachzubessern wäre: zum einen könnte mit moderater Dynamik-Kompression oder dem sog. Hard Limiting die Amplitudenstatistik so verbessert werden, daß dialektrelevante Laute viel deutlicher hervortreten, und durch Anhebung der Amplitudenmaxima das Signal kräftiger und durchdringender gestaltet werden. Die für ältere Jahrgänge auch in modernen Aufnahmen charakteristische "dumpfe" Artikulation läßt sich, wie in meinem Text zur Restauration hist. Aufnahmen beschrieben, mit definiertem Hochpaß-Filter und dem sog. Harmonic Exciter wesentlich aufhellen; solche Maßnahmen erfordern allerdings ein hohes Maß ästhetischer Einfühlung und daher Urteilsfähigkeit. Eine aus archivalischen Gründen in der Archiv-CD belassene, aber lästige Rausch-Komponente läßt sich ebenfalls computativ entfernen, wobei allerdings relevante Informationen nicht verloren gehen dürfen. Tonsignale, die per Hard Limiting stark nivelliert wurden, haben in dieser Hinsicht weniger Verluste. Das im Deutschen Sprachatlas verfügbare, durchweg mit professionellem Gerät erstellte Archivgut läßt sich aufgrund seiner hervorragenden Material- und Tonqualität gut gut verarbeiten.
Ist unser Wenkersatz-Block so editiert, daß alle sauber aneinandergereihten Sätze in optimaler Tonqualität erklingen, so bleibt letztlich die Frage, in welchem Datei-Format dieser Block als Beigabe eines Ortspunktes in das Kartenwerk einzufügen ist. Da mit ca. 40 Megabytes (!) eine CD-konforme *.wav-Datei viel zu lang wäre, ist es nötig, sie zu komprimieren mit dem Ziel eines optimalen Kompromisses zwischen Tonqualität und Daten-Ökonomie. Wie in meinem Text gezeigt, stehen inzwischen mehrere qualitativ vergleichbare Kompressions-Algorithmen zur Verfügung. In ersten Versuchen hat sich das DiWA-Team für Windows Media Audio entschieden, das (in der Version 8 bzw. 9) bei dem hier gewählten Kompressionsfaktor von 28 (48 kbps, 44.1 kHz) eine noch relativ gute Sprachqualität liefert. In der Praxis bedeutet das: eine, wie im Text, Tabelle 3 gezeigt, 46.621.216 Bytes lange, CD-konforme *.wav wird in diesem Modus zu 1.668.640 Bytes komprimiert. Die meisten Wenkersatz-Blöcke sind etwa 3 Minuten lang, das bedeutet, je nach Sprecher-Tempo, rund 900 Kilobytes bis 1,2 Megabytes lange Tonproben, also ein Gesamt-Datenvolumen von (netto) max. 3.100 * 1,2 Megabytes, das sind (incl. Directories) rund 3,8 Gigabytes, die - u.U. zusammen mit einer die entsprechend reduzierte Zahl von anklickbaren Orten enthaltenden zoombaren, typisierten Karte - bequem auf einen einzigen DVD-Rohling passen würden.
Im Hinblick auf differenziertere Verwertbarkeit ließe sich (schon auf der *.wav-Ebene) jeder ortsspezifische Wenkersatz-Block editorisch in Einzeldateien zu je einem Satz aufspalten, dann werden diese 40 bzw. 48 (Sub-)*.wav im Batch-Betrieb zu *.wma konvertiert und auf der DVD in einem Directory (von 3.100) z.B. als 3100-01.wma, 3100-02.wma ... 3100-48.wma angeordnet.und somit auch separat anwählbar. Ein eleganterer, aber aufwendigerer Weg bestünde darin, die Datei mit allen Wenkersätzen in einen Editor einzulesen und dann hierin mitttels eines sog. Taggings den Anfang jedes einzelnen Satzes so zu markieren, daß hernach aus der als *.wav oder *.mp3 abgespeicherten Gesamt-Datei mittels eines speziellen Abfrage-Algorithmus (z.B. interaktiv via World Wide Web) jeder Einzelsatz angewählt und somit akustisch präsentiert werden kann.
Das eröffnet neue Möglichkeiten für Forschung und Lehre, so die kontrastive Darstellung je eines Satzes (z.B. WS 16 wie in meinen Hörbeispielen) in vielen verschiedenen Mundartgebieten, um z.B. Phänomene der lautlichen, morphologischen und lexikalischen Varianz am lebendigen Beispiel aufzuzeigen - entweder 'stand-alone' via DVD (und Übersichts-Karte) oder in Kombination mit dem originalen Wenker-Kartenwerk: in beiden Fällen könnte sich z.B. auf der linken Bildschirmseite in einem Frame ein kompakter WS-Zahlenblock von 01...40 befinden; wird rechts in der Karte ein Ort angeklickt und links im Block z.B. die 16, so erklingt der betreffende Wenker-Satz des gewünschten Ortes. Aufgrund der Pfad-Struktur und des anfallenden slack space hätte diese selektive Ton-Darstellung ein größeres Datenvolumen, würde jedoch möglicherweise noch auf eine 4,7GB-DVD passen. Die DVD sollte man auch PC-unabhängig auf handelsüblichen Playern abspielen und mit der zugehörigen Fernbedienung die gewünschten Tondateien anwählen können.
Wir hätten somit in beiden Fällen jeweils eine ideale "Offline"-Beigabe zum DiWA, eine Art akustischen Sprachatlas, der gleichermaßen in Forschung und Lehre vielfältige Dienste leisten könnte, vor allem innerhalb der Schul- und Universitätsdidaktik für Blinde, die ja auf optimale Ton-Versorgung angewiesen sind.
Vom Anspruch und Arbeitsaufwand her ist eine wie hier beschriebene "Digitalisat"-Erstellung mit dem professionellen Mastern von Tonträgern vergleichbar und erfordert daher entsprechende Zeit, Geduld, Mühe und Konzentration. Ein hervorragend ausgebildetes junges Team und eine Projekt-Laufzeit von mindestens 3 Jahren sind auch hier anzusetzen. Eine Routinierung ist in beiden Fällen nur bedingt möglich, handelt es sich doch hier wie dort um sehr heterogene Materialien und / oder Inhalte. Daher können nur ungefähre Projekt-Laufzeiten angesetzt werden.
Sollen aus Zeitgründen beide Projekte (also die CDR-Digitalisation des gesamten Bestandes und das selektierend-editive Erstellen präsentabler Sub-Einheiten) parallel durchgeführt werden, so ist von der Digitalisierungs-Gruppe zunächst das weniger problembehaftete Archiv-Gut zu bearbeiten, d.h. die jüngeren analogen und die bereits auf DAT umgeschnittenen Aufnahmen; diese erfordern außer der Umspielzeit nur wenige Eingriffe (Marking) und daher auch weniger Aufmerksamkeit. Sind die ersten CDR-Umschnitte fertig, so beginnt die Editions- und Konvertierungsgruppe mit ihrer Arbeit, extrahiert (per Ripping oder Echtzeit-Kopie) die zu editierenden Blöcke aus der jeweiligen Gesamtaufnahme, schneidet Interviewer-Kommentare sowie elektrische und / oder akustische Störungen heraus und konvertiert die so gewonnene Audio-Datei von *.wav in *.wma. Somit entstehen in relativ überschaubarer Zeit die ersten Lokal-Digitalisate und können sofort in das Kartenwerk eingefügt werden. Eine dritte, kleinere, technisch versiertere Gruppe widmet sich den schwierigeren Fällen, nämlich den ebenso schwer zu digitalisierenden wie zu bearbeitenden älteren Aufnahmen: hier können beim Umschneiden auf CD-R zahlreiche Probleme auftreten und beim editorischen Bearbeiten der Wenkersätze frequenz(gang)korrigierende, entstörende und nivellierende Maßnahmen anfallen. Die Gruppen protokollieren ihre Beobachtungen und lernen voneinander in fruchtbarem Erfahrungsaustausch; ein weiteres Augenmerk gilt dem eventuellen Feedback, das von interessierten WWW-Nutzern hereinkommt und Beobachtungen aus verschiedenen Übertragungsbedingungen (Bandbreite, Netzbelastung) vermittelt.
4. Fazit: Digitalisierung als Investition in die Zukunft
Handelt es sich jeweils um Bestände mit tausenden von Tonaufnahmen, so sind die in (1) und (2) beschriebenen Verfahren sehr aufwendig, mit zahlreichen Imponderabilien behaftet, zeitraubend und teuer, doch der einzige Weg, vom Zerfall bedrohte, kulturell unschätzbar wertvolle Materialien am Leben zu erhalten und künftigen Generationen zugänglich zu machen - gleichermaßen für Forschung und Lehre. Nicht zuletzt durch ihren lautlichen und klanglichen "Farbenreichtum", sondern auch ihre elementare Dynamik sind Sprachaufnahmen von ganz besonderem Reiz, vermitteln sie doch nicht nur eine jeweilige Stufe der historischen Entwicklung, sondern - als Dialekte - zugleich das lokale Kolorit und immer auch ein wenig die Seelenlage, das Fühlen und Empfinden des Sprechers, der durch die technische Reproduktion seiner Äußerungen zu neuem Leben erwacht. Tondokumente sind Zeugnisse lebendiger Kultur. Sie sind der wichtigste Informationsträger für Blinde, doch auch der Sehende käme ohne sie nicht aus, bekäme einen nur unvollständigen Eindruck vom Verständnis und der Erfassung der Welt zu bestimmten Zeiten, in bestimmten sozialen Verhältnissen und Regionen. Die Frage, ob die CD wirklich "der" einzig in Frage kommende Tonträger der Zukunft ist, spielt dabei eine untergeordnete Rolle, lassen sich doch auch nach Jahrzehnten normierte digitale Verfahren mit speziellen Werkzeugen in andere konvertieren: so wäre eine Daten-"Migration" von der CD zur DVD oder gar zum Festkörperspeicher kein Problem (der kluge Archivar sichert immer auf mindestens 2 Träger bzw. mit 2 Verfahren gleichzeitig).
Archivieren und retten tut not.
Deshalb sind alle - auch die verstreuten - Bestände zu erfassen,
systematisch zu klassifizieren und in einem prozedural und finanziell
vertretbaren Rahmen zu konservieren. Eine hochentwickelte Gesellschaft wird
auch künftig nicht nur an ihrem Bruttoinlandsprodukt und ihrer
Exportstatistik gemessen werden, sondern auch danach, wie sie mit ihrem Kulturgut
umgeht und ob sie es versteht, das sich in vielen Facetten und Materialien
manifestierende kulturelle Erbe in würdiger Form den künftigen
Generationen zu erhalten.
(wird fortgesetzt)
-------------------
1) hierzu folgende Berufsbilder (Hervorhebungen
von mir)
Tontechniker/in: Kurzbeschreibung: [...] "Tontechniker/innen bereiten
im Studio und im Atelier oder bei Außenaufnahmen die Apparaturen für
die Tonaufnahmen vor, steuern nach Weisung des/der Regisseurs/Regisseurin
oder Aufnahmeleiters/Aufnahmeleiterin die Aufnahmen aus und
nehmen sie auf Band auf. Sie beheben kleinere
Störungen, schneiden Tonbänder nach Manuskript und nehmen
Geräuschmischungen vor. [...] Technische Fähigkeiten
müssen sich in diesem Beruf mit Kenntnissen in Mathematik, Physik, Akustik
und Musik vereinen. [...] In der Regel wird für den Zugang zur
Tätigkeit eine abgeschlossene Fortbildung als Tontechniker/in oder eine
abgeschlossene Ausbildung im Nachfolgerberuf Audio-Engineer gefordert." (Quelle:
BfA)
Studiomeister/in: [...] " Studiomeister/innen planen den technischen Ablauf und die technische Ausstattung von Film- und Fernsehaufnahmen. Dabei müssen sie die Vorstellungen und Ideen von Regisseur/in und Filmausstatter/in oft aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen auf das Machbare reduzieren, ohne dabei die künstlerische Intention aus den Augen zu verlieren. Studiomeister/innen bringen bei Vorbesprechungen und während der technischen Umsetzung auch eigene Vorschläge ein. Sie sind verantwortlich für die technische Leitung von Aufnahmen in Film- und Fernsehstudios und stellen sicher, dass die Aufnahmen in qualitativer, sicherheitstechnischer, künstlerisch-technischer, wirtschaftlicher und umweltschutztechnischer Hinsicht reibungslos und korrekt ablaufen. Studiomeister/innen finden Einsatzgebiete bei Film und Fernsehen, bei Werbe- und Videoaufnahmen. Dort sind sie in Aufnahmestudios (Rundfunk, Fernsehen), im Regieraum, in der Werkstatt und im Lagerraum tätig. Planungs- und Dokumentationsaufgaben erledigen sie in Besprechungsräumen oder im Büro. Bei Außendrehs arbeiten sie auch im Freien. Weitere Betätigungsfelder finden sie bei Betrieben für Medien- und Konferenztechnik, audiovisuelle Geräte und Anlagen, wo sie häufig mit der Kundenberatung betraut werden. [...] In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit als Studiomeister/in eine abgeschlossene Fortbildung als Meister/in für Veranstaltungstechnik oder als Beleuchtungsmeister/in gefordert." (Quelle: BfA)
Assistent/in - Technische Kommunikation u. Dokumentation: [...] " Technische Assistenten [...] wirken bei der Konzeption, Layoutgestaltung und Erstellung beispielsweise von Betriebs- und Bedienungsanleitungen, Montage- und Serviceanleitungen, entwicklungsbegleitenden Dokumentationen, Dokumentationen zur Qualifizierung und Validierung, Schulungshandbüchern, Technischen Grafiken mit. Sie sind auch im Bereich der Multimedia-Anwendungen tätig, sie assistieren zum Beispiel bei der Erstellung technischer 3D-Grafiken oder von online-Dokumentationen im HTML-Format oder konvertieren Dokumente nach PDF. Zu den Aufgaben von Technischen Assistenten und Assistentinnen gehört auch die Mitarbeit bei Recherche oder Zielgruppenanalyse.Bei dem Ausbildungsgang [...] handelt es sich um eine landesrechtlich geregelte schulische Ausbildung an Berufsfachschulen. Die Ausbildung dauert 3 Jahre." (Quelle: BfA)
Fachangestellte/r für Medien- u. Info-Dienste: [...] "In der Fachrichtung Archiv übernehmen, ordnen, verwalten und erschließen Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste Schriftgutbestände unterschiedlichster Art, zumeist aus dem Zeitraum des 19. und 20. Jahrhunderts. Aber auch audiovisuelle Medien und elektronische Datenträger gehören heute zu den Informationsträgern, die in Archiven aufbewahrt werden. Sie arbeiten bei der Beschaffung von zeitgeschichtlichem Dokumentationsmaterial mit, dokumentieren Zeitungsausschnitte, "graue" Literatur, Prospekte, Online-Informationen und werten je nach Archivschwerpunkt Tagespresse oder Fachpublikationen nach entsprechenden Vorgaben aus. Zudem stellen sie Archivalien für die Nutzung bereit, informieren und beraten die Besucher/innen des Archivs. Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG). Er ist keinem Berufsfeld zugeordnet." (Quelle: BfA)
2) im Vergleich zur bzw. aufbauend auf der technischen Dienstleistung der Archivare und Archivtechniker "erforschen, dokumentieren und vermitteln" entsprechend ihrer akademischen Ausbildung Germanisten /Germanistinnen "die deutsche Sprache und Literatur in ihren historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen. Sie untersuchen unterschiedlichste Texte mittels linguistischer, literaturhistorischer und literaturtheoretischer Methoden und erschließen so Sinn und Form. Eine wichtige Aufgabe ist auch die Vermittlung des erworbenen Wissens zum Beispiel durch Lehre, Unterricht oder eine publizistische Tätigkeit. [...] Je nach Ansatz üben sie eine lehrende, forschende, prüfend-bewertende, entwerfend-gestaltende Tätigkeit aus, immer bezogen auf sprachliche Inhalte. Sie erledigen ihre Aufgaben selbständig, je nach Tätigkeitsbereich in unterschiedlich intensiver Abstimmung mit Vorgesetzten und Auftraggebern und Auftraggeberinnen. [...]" (Quelle: BfA)
3) Der Begriff "Digitalisate" bezeichnet derzeit hauptsächlich computativ konvertierte Bibliotheksbestände und verliert an Schärfe, wenn er auf auditive Materialien eingegrenzt wird.
4) aufgrund jahrzehntelanger eigener Erfahrung. So bereitete es mir stets größten Widerwillen, ja geradezu Übelkeit, wenn ich gezwungen war, via Kopfhörer phonetisch zu transkribieren, während das "freie Hören" mit guten Studio-Kompaktboxen als wesentlich angenehmer empfunden wurde (ich bin deshalb der Ansicht, daß man niemanden, der mit "stationärer" Tonbearbeitung befaßt ist, dazu zwingen sollte oder gar darf, ausschließlich einen bestimmten Abhör-Schallwandler zu benutzen). Als "Live-Aufnehmer" mitten unter den Akteuren (wie von mir seit seit Anfang 1981 praktiziert) ist man natürlich auf Kopfhörer angewiesen, muß sie jedoch nur dann aufsetzen, wenn - nach dem Einpegeln und Optimieren der Raum- und Klangbalance - ein editorisches Eingreifen (z.B. "Hochregeln" eines Vokalsolisten zur dramatischen Steigerung) nötig wird. Ein solches "intermittierendes" Tragen wird dann nicht als zwingend und daher unangenehm empfunden.
Zum Thema weitere Texte von W. Näser:
externe Links:
Literatur:
Begonnen: 22.4.2003 * Text und Fotos: (c) Dr. W. Näser, Marburg * Stand:
22.9.2012
Bildnachweis: Alle Fotos (c) W. Näser